WLANs/Nicht nur Cafés und Flughäfen - auch andere Unternehmen profitieren von WLANs

Mobilität bringt mehr Produktivität

20.02.2004
Wer heute von WLANs spricht, denkt meist an Hotspots in Flughäfen und Cafes. Doch auch für andere Unternehmen lohnt sich der Aufbau von drahtlosen Netzwerken. Sie können damit Mitarbeiter und Gebäude kostengünstig an ihre Festnetze anbinden.Von Achim Berg*

Könnte König Fußball den WLANs zum Durchbruch im professionellen Umfeld verhelfen? Auf diese Idee konnten Marktbeobachter Ende April 2003 kommen. Damals hatte das Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS Fußballexperten zu einer WLAN-Demonstration ins Nürnberger Frankenstadion eingeladen. Auf Basis eines drahtlosen Funknetzwerkes demonstrierten die Erlanger Forscher, wie sie mit Hilfe der Wireless-Tracking-Technologie den Diskussionen über Fehlentscheidungen der Schiedsrichter ein Ende bereiten wollen. Mit Minisendern ausgestattet, strahlen Bälle und Schienbeinschoner bis zu 2000 Mal in der Sekunde Positionsdaten über Access Points an einen Zentralrechner. Dieser verarbeitet die Datenflut in Echtzeit und teilt dem Schiedsrichter sofort mit, ob ein Ball im Aus war oder ein Spieler im Abseits. Der Prototyp des Fraunhofer-Instituts soll spätestens 2006, dem Jahr der Weltmeisterschaft, offiziell freigegeben werden.

Starker Anstieg der Investitionen

So lange wird es aber nicht dauern, bis die WLAN- und Hotspot-Euphorie aus dem öffentlichen Bereich in die Unternehmen gedrungen ist. Schon Anfang letzten Jahres präsentierten die Unternehmensberater von Frost & Sullivan eine Studie zu drahtlosen Diensten in europäischen Unternehmen. Danach setzen 42 von 100 befragten Führungskräften in ihren Firmen bereits auf WLANs und gaben an, die Investitionen hätten sich positiv ausgewirkt. Allerdings nutzten die Befragten die Funknetze für einen eingeschränkten Mitarbeiterkreis und nicht als Gesamtlösung.

Der WLAN-Markt

Selbst wenn die Marktbeobachter den WLAN-Einsatz in Unternehmen noch ganz am Anfang sehen, zeichnet sich für die nächsten Jahre ein rasanter Anstieg ab. Bis 2006 soll laut Frost & Sullivan der europäische Markt für WLAN-Anwendungen in der Industrie um das Vierfache wachsen. Eine aktuelle Studie der Marktforscher von Datamonitor geht davon aus, dass bis 2006 der weltweite Umsatz mit WLAN-Technologie für Unternehmen um 19 Prozent jährlich zunimmt. 1,3 Milliarden Dollar geben die Betriebe dann für den Aufbau von WLANs aus. Bis dahin, so schätzen die Marktforscher, sind in Firmen mehr als 1,3 Millionen Access Points installiert.

Derzeit macht der Umsatz mit drahtlosen Unternehmensnetzen weltweit weniger als die Hälfte des Geschäfts aus. Dabei eignen sich WLANs eigentlich aufgrund ihrer hohen Bandbreiten für die Datenübertragung und der vergleichsweise einfachen Technik optimal für den Unternehmenseinsatz. So soll in den nächsten drei Jahren in Nordamerika die Marktdurchdringung im Firmenbereich rund 80 Prozent erreichen. Zum WLAN-Erfolg tragen unter anderem die neuen Laptop-Generationen bei, die sich preislich immer mehr den Desktops annähern und meist schon WLAN-fähig sind. Dies reduziert die Investitionen in zusätzliche WLAN-Karten, wie sie die Benutzer heute noch für viele Laptops benötigen. Glaubt man den Prognosen von Datamonitor, sind 2006 etwa 20 Millionen tragbare Computer mit WLAN-Technik ausgestattet.

Drei Standards - kein Hindernis

Gerade im Zusammenhang mit Wireless LANs gibt es noch viele Diskussionen über fehlende Standards, die mangelhafte Sicherheit oder eine zu geringe Zuverlässigkeit. Doch die Hersteller haben für die aktuelle Gerätegeneration gerade in diesen Punkten nachgebessert und zusätzliche Features gebracht. Gerade die Standardwahl sollte kein Hemmschuh mehr sein, denn immer mehr Produzenten bringen Kombikarten auf den Markt, die alle drei Varianten beherrschen. Derzeit nutzen etwa 95 Prozent der eingesetzten WLAN-Umgebungen in Unternehmen und privat noch die Spezifikation 802.11b. Diese wird aber im professionellen Bereich gegenüber 802.11g und a an Boden verlieren. Installierten Firmen 2003 weltweit etwa 86000 802.11g-fähige Access Points, sollen es 2006 nach Schätzungen von Datamonitor fast viermal so viele sein.

Mit den beiden international anerkannten Standards 11b und 11g können Endgeräte auf offenem Gelände im Umkreis von 30 bis 300 Metern den Access Point erreichen. Die Reichweite sinkt allerdings, sobald Mauern und Türen die Strahlen stören. Während b eine Bandbreite von 11 Mbit/s erreicht, bietet der g-Standard mit einer theoretischen Übertragungsrate von 54 Mbit/s eine rund fünfmal höhere Bandbreite. Dieser Bruttowert sinkt jedoch in der Praxis auf eine Nettoleistung von maximal 25 Mbit/s.

Entscheidender als Bits und Bytes ist für Unternehmen aber der Blick in die Zukunft - also die Investitionssicherheit. Hier bietet der g-Standard den Vorteil, dass er abwärtskompatibel zu der älteren b-Variante ist. Wer also schon heute b-Geräte betreibt, kann später weitere Standorte auch mit dem schnelleren, jedoch noch etwas teureren g-Standard ausstatten. Inzwischen sind auch Access Points auf dem Markt, die in einem Gerät mehrere Standards bedienen. Für private Nutzer, Selbständige oder kleinere Unternehmen reicht aber der b-Standard, sofern sie nur kleinere Datenmengen über das Netz versenden oder empfangen. In diesem Szenario ist beim Internet-Zugang oder dem Mail-Austausch selbst ein schneller T-DSL- oder Companyconnect-Zugang der eigentliche Flaschenhals und nicht das lokale Funknetz.

Nesthäkchen 802.11a

Ein weniger verbreiteter Standard ist derzeit noch 802.11a, der in einem höheren Frequenzbereich (5 Gigahertz statt 2,4 Gigahertz) weitgehend ungestört funkt. Allerdings ist er nicht kompatibel zu b oder g, und das Equipment ist noch teurer. Im professionellen Einsatz offeriert er besonders bei der Übertragung größerer Datenmengen im Client-Bereich Vorteile. Diese werden jedoch mit einer reduzierten Reichweite (etwa die Hälfte zu 802.11b) erkauft. Eine Besonderheit bilden Wireless-LAN-Funkbrücken auf Basis von 802.11a. Hier lässt sich durch die gleichzeitige Nutzung mehrerer Kanäle die Bandbreite (beispielsweise zwei Mal 52 Mbit/s brutto) deutlich erhöhen. Durch spezielle Richtfunkantennen wird ferner eine deutlich höhere Reichweite erzielt (bis zu fünf Kilometer Punkt-zu-Punkt). Auf diese Weise können Unternehmen zum Beispiel zwei Standorte miteinander verbinden.

Richtfunkstrecke statt Kabelschächte

Bei einer Entscheidung für oder wider eine WLAN-Einführung sollten jedoch weniger Standards als vielmehr strategische Argumente im Vordergrund stehen. So entstehen Unternehmen bei einem Wechsel von Büroräumen oder dem Bezug zusätzlicher Gebäude geringere Kosten, wenn sie ein bestehendes Festnetz mobil erweitern. Dies gilt insbesondere dann, wenn die baulichen Voraussetzungen das schnelle Ziehen von zusätzlichen Kabeln erschweren. Das können fehlende Kabelschächte sein, zu überbrückende Straßen oder weit entfernt stehende Gebäude, die sich per Richtfunk anbinden lassen.

Der belgische Baustoffhersteller Cantillana hat zum Beispiel ein deutsches Unternehmen in Essen übernommen und das Verwaltungsgebäude am Standort mit Festanschlüssen in das Firmennetz integriert. Die Produktionshalle mit Labor sowie das Lager verfügten zwar über lokale Netze, waren aber nicht an das Firmennetz angebunden. Über drei als Richtfunkstrecke ausgelegte Access Points sind die zehn PCs in den Gebäuden heute per WLAN mit dem Firmennetz verknüpft. Die Mitarbeiter nutzen damit eine ERP-Applikation, das Warenwirtschaftssystem oder die Office-Programme, die die Zentrale in Belgien betreibt. "Der Datenaustausch funktioniert im täglichen Ablauf reibungslos", zieht Michael Hoffmann, einer der Geschäftsleiter von Cantillana, Resümee, "eine Kabellösung hätte dagegen vor allem zusätzliche Baukosten verursacht." Das Unternehmen konnte im Vergleich zu einer Festnetzanbindung der beiden Gebäude rund die Hälfte der Kosten einsparen. Denn für die Kabellösung hätte das Unternehmen den massiven Betonboden auf dem Betriebsareal aufbrechen müssen.

Ein typisches Szenario für den Einsatz von WLANs sind auch Krankenhäuser. Hier erlaubt die Funktechnik eine höhere Mobilität und gesteigerte Effizienz, denn in kaum einer anderen Branche entstehen so viele Daten unmittelbar beim Kunden. Wenn Pflegekräfte und Ärzte Patienten betreuen und untersuchen, geschieht dies meist im Krankenzimmer oder in einem über das Gebäude verteilten Untersuchungsräume. Wie effektiv könnten Krankenschwestern arbeiten, wenn sie Werte für Blutdruck, Puls oder Körpertemperatur direkt mobil in eine elektronische Krankenakte einpflegen? Wie effizient könnten Ärzte Anamnese und Visite absolvieren, wenn sie am Krankenbett per drahtlose Einwahl ins Krankennetz Einblick in die Patientenakte hätten und ihre Untersuchungsergebnisse direkt einpflegen könnten? Stattdessen schreiben sich Pfleger und Ärzte Werte auf Zettel und Formulare, die sie später in Papierakten oder PCs übertragen. Mit drahtlos an Server angebundenen Laptops würde sich allein dieser Prozess um einen Arbeitsschritt verkürzen. Dazu kämen weniger Fehlerquellen und mehr Qualität in der Versorgung. Frost & Sullivan prognostiziert für Europa beim WLAN-Einsatz in Kliniken bis 2007 jährliche Zuwachsraten von knapp 40 Prozent.

Dem Effizienzargument stehen deutsche Unternehmen noch skeptisch gegenüber. Doch selbst wer nicht daran glaubt, dass alle Mitarbeiter mobil wichtige E-Mails bearbeiten oder schneller entscheiden, wenn sie in jeder Besprechung auf relevante Daten zugreifen können: Schon wenige Minuten Produktivitätszuwachs pro Mitarbeiter summieren sich zu messbaren Beträgen. In Besprechungen greifen alle auf Unternehmensdaten zu. Das gilt auch für Kunden, die sich mit ihrem Laptop in ein Intranet einwählen.

So hat Intel für den WLAN-Einsatz im eigenen Unternehmen berechnet, wie sich die Anlagenrendite mit dem Produktivitätszuwachs durch drahtlose lokale Netzwerke in Verbindung bringen lässt. Die Analyse zeigte, dass die Produktivität durchschnittlich um 16 Minuten je Mitarbeiter steigt, was sich auf knapp sechs Stunden pro Monat addiert. Wer hier nur 40 Euro Kosten pro Mitarbeiterstunde zugrunde legt, gewinnt 240 Euro pro Monat an Produktivität. Die Analyse zeigte auch, dass sich ein WLAN bei durchschnittlich elf Minuten zusätzlicher Produktivität pro Woche auszahlt. Bei 150 Benutzern in einem Unternehmen ergeben sich daraus in ein bis drei Jahren Produktivitätssteigerungen von rund einer Million Dollar.

"Größte Erfindung nach geschnittenem Brot"

Ein ähnliches Szenario bietet Microsoft. Das Unternehmen investierte neun Millionen Dollar, um 35000 Nutzer mit einem WLAN-Zugriff auszustatten. Dafür installierte das Projektteam 4000 Access Points in 70 Gebäuden am Unternehmenssitz in Redmond und an 23 internationalen Standorten. Pilotanwender bezeichneten die zusätzlich gewonnene Mobilität als die "größte Erfindung nach geschnittenem Brot". Die Hälfte von ihnen sparen mit dem WLAN-Anschluss täglich bis zu 1,5 Stunden.

Wofür das drahtlose Netzwerk sein Produktivitäts- und Sparpotenzial ausschöpft, hängt letztlich von den räumlichen Gegebenheiten und der "Unternehmenskultur" im Umgang mit neuen Informationstechnologien ab. WLAN jedenfalls eignet sich auch für Extremsituationen. Dies beweist das Dach der Welt. Am Mount Everest können Bergsteiger im Basislager auf 5300 Metern der Welt per Internet ihr Abenteuer schildern oder sich in ein Intranet einwählen. Die Satellitenantenne für die Datenübertragung befindet sich 300 Meter oberhalb des Lagers und ist mit dem in einem Zelt untergebrachten "Internet-Café" per WLAN verbunden. Die WLAN-Nutzung kostet für die dreimonatige Klettersaison pro Team samt Gebühr für die Notebooks 2500 Dollar. Umgekehrt können clevere Versicherungsvertreter dort noch schnell online Risikoversicherungen für Gipfelstürmer abschließen. (hi)

*Achim Berg ist Vorstand Marketing und Vertrieb bei der T-Com.

Abb: Übertragungsgeschwindigkeiten

WLAN ist die einzige (semi-)mobile Zugangsart, mit der unter realistischen Bedingungen Transferraten von mehr als 144 Kbit/s erzielt werden können. Quelle: Arthur D. Little