Mobilfunker spezialisieren sich

13.03.2007
Von Ralph Cramer
Zwischen der neuen Billigkonkurrenz, Spartenanbietern und virtuellen Netzbetreibern haben die traditionellen Mobilfunk-Carrier ihren Platz noch nicht gefunden.

Der Goldrausch in der Mobiltelefonie hält an allerdings nur noch in Ländern wie Indien, wo monatlich 6,5 Millionen Neukunden zu verbuchen sind. In Europa ist der Mobilfunkmarkt anderthalb Jahrzehnte nach seinem Start längst ein Massenmarkt, die Anzeichen von Sättigung mehren sich. Die Preise sinken kräftig (im Jahr 2006 minus 10,7 Prozent laut Statistischem Bundesamt), die Margen geraten unter Druck.

Hier lesen Sie ...

  • wie der schnelle Preisverfall die traditionellen Carrier unter Druck setzt;

  • warum die Anbieter nicht mehr die gesamte Wertschöpfungskette abdecken können;

  • welche Konsequenzen die Entwicklung für den Netzbetrieb hat;

  • welche Aufgaben Konkurrenten und Partner übernehmen.

Welche Probleme IT-Dienstleister für Mobilfunker lösen können.
Welche Probleme IT-Dienstleister für Mobilfunker lösen können.

Bewegung bringen vor allem die Mobile Virtual Network Operators (MVNOs) in den Markt. Sie bieten Mobilfunkprodukte an, ohne selbst über ein Netz zu verfügen. Dazu gehören bereits etablierte Anbieter ebenso wie branchenfremde. Zur ersten Kategorie zählen Unternehmen wie die E-Plus-Tochter Simyo oder Blau.de, in der zweiten bringen Filialisten wie Tchibo ("Tchibofonieren") und Schlecker ("smobil") eigene Angebote an den Kunden. Die traditionellen Mobilfunker in Deutschland sind das T-Mobile, Vodafone, E-Plus und O2 stehen vor der Frage, wie sie sich in einem Markt platzieren, der zu einem wachsenden Anteil von neuen Vertriebskanälen und Angeboten geprägt wird. Branchenkenner gehen davon aus, dass die Zahl der MVNOs bald 100 überschreitet und sie etwa 25 Prozent des Marktes unter sich aufteilen werden. Die virtuellen Netzbetreiber stehen mit den Mobilfunk-Carriern dabei zwar im Wettbewerb, erschließen diesen aber durch ihre oftmals innovativen Angebote auch neue Vertriebskanäle und bleiben auf die Technik der Netzbetreiber angewiesen.

Die Entwicklung des Marktes wird von drei Haupttrends vorangetrieben.

  1. Der Preisverfall hat sich nochmals beschleunigt. Er wird forciert durch die Branded Reseller als reine Vertriebskanäle, die ihre Marktpräsenz bereits deutlich erhöht haben. Der Monatsumsatz pro Kunde ist abermals gefallen. Die Durchschnittsrechnung eines E-Plus-Nutzers belief sich im vergangenen Jahr auf 19 Euro pro Monat und war damit um zehn Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. Kurzfirstig bedeutet dies, dass die Margen sinken und die Anbieter gezwungen sind, ihre Kosten weiter zu reduzieren.

  2. Der zweite Trend ist die für einen reifen Markt typische Segmentierung. Die Anbieter bemühen sich um die gezielte Ansprache bestimmter Kundengruppen und richten daran sowohl die Vertriebswege als auch die Angebote aus. Beispiele sind Angebote für Altersgruppen, etwa vom Musiksender Viva, regionale Dienste wie "igge&ko" in Schleswig-Holstein (igge=Küste, Ko=Kuh) sowie spezielle Angebote etwa für international reisende Kunden. Als erster Mobilfunker in Deutschland hat sich E-Plus den virtuellen Netzbetreibern geöffnet. Den jüngsten Zahlen zufolge hatte E-Plus Ende 2006 insgesamt 12,7 Millionen Kunden. Mehr als ein Drittel haben verträge mit den Eigenmarken wie "Base" und "Simyo" sowie mit Kooperationspartnern abgeschlossen.

  3. Die Orientierung am Kunden führt zudem zu einer Verlagerung der Wertschöpfung. Neben dem Preis entscheiden Inhalte über den Erfolg. Die Dienste lassen sich unabhängig von der Netznutzungsart verteilen (Breitband über DSL, UMTS, WiFi und Kabel), und die Konvergenz von Telefonie, Internet und TV schreitet voran. Immer mehr Festnetzanschlüsse werden durch Handy-Verträge ersetzt - wenn auch langsamer als erwartet. Die Technik verliert an Bedeutung. Die Attraktivität der Dienste entscheidet über quantitatives (Kundenzahl) und qualitatives (Nutzungsintensität) Wachstum.

Was machen T-Mobile und Co?

Die Verlagerung des Umsatzes von Sprache und Messaging hin zu multimedialen Funktionen wie etwa mobiles TV wird kommen, obwohl erfolgreiche Communities wie sie etwa die Kooperationspartner YouTube und Vodafone betreiben, auch der Mobiltelefonie nützen.

Hoffnungsträger Datendienste

Der deutsche Mobilfunkmarkt hat 2006 bereits eine Penetration von 100 Prozent überschritten: Es gibt schon jetzt mehr Handys als Benutzer. Für das Jahr 2010 erwarten Marktforscher, dass mehr als 100 Millionen SIM-Karten im Umlauf sind. Die Einnahmen beliefen sich im vergangenen Jahr auf 29,2 Milliarden Euro, sie werden bis zum Jahr 2010 um durchschnittlich fünf Prozent wachsen. Wenig Zuwachsmöglichkeiten bieten die Sprachdienste, sie sollen in dem betrachteten Zeitraum um lediglich 0,5 Prozent pro Jahr zulegen. Große Hoffnungen setzen Marktforscher und Anbieter dagegen in die mobilen Daten- und Internet-Dienste. Sie werden mit einer Zunahme von 15 bis 20 Prozent pro Jahr Wachstumstreiber für das gesamte Mobilfunkgeschäft sein. Das wird auch dem Monatsumsatz pro Kunde (Average Revenue Per User = Arpu) zugute kommen. Er ist seit den Anfängen der digitalen mobilen Kommunikation permanent rückläufig gewesen und von 75 Euro im Jahr 1995 auf 21 Euro im letzten Jahr geschrumpft. Die neuen Dienste sollen die Rate bis 2010 auf 30 bis 35 Euro steigen lassen.

Aus diesen Trends ergeben sich für die Anbieter im Mobilfunkmarkt eine Reihe von unmittelbaren Konsequenzen:

  • Der Preisverfall führt bei den traditionellen Carriern einerseits zur Kostenreduktion, zum Beispiel durch Outsourcing von IT oder auch des Mobilfunknetzes. Andererseits entstehen neue Angebote mit hohem Kundennutzen zur Steigerung des durchschnittlichen Monatsumsatzes pro Kunde.

  • Der Preisdruck zwingt die virtuellen Netzbetreiber zu Kostensenkungen beim Einkauf der benötigten IT-Services und TK-Produkte. Sie müssen ihre Angebote schneller auf den Markt bringen sowie intensiver neuartige und zielgruppenorientierte Tarifmodelle finden.

Darüber hinaus werden sich alle Anbieter die Frage nach ihrer grundsätzlichen Ausrichtung stellen. Eine Diversifizierung des in der Vergangenheit von klassischen Telcos dominierten Marktes könnte so aussehen:

  • Netcos, die Netzinfrastruktur und -technik betreiben, weiterentwickeln und Netzkapazitäten verkaufen. Die Rolle könnten die klassischen Carrier übernehmen, aber auch TK-Ausrüster wie Ericsson und Alcatel-Lucent.

  • Servcos besitzen keine Netzinfrastruktur, entwickeln und bieten aber eigene Mobilfunkprodukte an. Dazu gehören etwa Debitel, Mobilcom und Talkline.

  • Salescos kaufen die Mobilfunkprodukte ein, bereiten sie für ihre Zielgruppen auf. Ihnen obliegt zudem die Vermarktung sowie die Kundenbetreuung (smobil, Tchibo).

Vor diesem Hintergrund ist jeder Anbieter gefordert, seinen strategischen Fokus zu formulieren und seine künftige Stellung im Markt zu suchen. Aktuelle Entwicklungen weisen darauf hin, dass der Prozess auch unter den klassischen Carriern im vollen Gange ist: E-Plus lagert den Netzbetrieb an Alcatel-Lucent aus und die Deutsche Telekom schickt eine eigene Billigmarke an den Start.

Es wird spannend sein zu beobachten sein, wie sich der Markt und seine Anbieter entwickeln. Die Vermarktung von Mobilfunk in Verbindung mit anderen Produkten zumeist Content wird das Wachstum bestimmen. Da Inhalt und Technik zusammenwachsen, wird es für die Anbieter schwer werden, alles aus einer Hand zu bieten. Die Versorgung und Bindung der Kunden über konvergente Festnetz-, Mobil- und TV-Kanäle mit Inhalten unterschiedlichster Ausrichtung wird auch dem leistungsfähigsten Anbieter schwerfallen. Wer Angebote über die ganze Wertschöpfungskette bieten will, tut dies in der Regel künftig über Beteiligungen und Partnerschaften.