Mobil mit Tablet PCs

Mobil mit Tablet PCs

17.01.2007
Der Hamburger Mobility-Berater Russell Green hat früher für Microsoft gearbeitet. Dort half er, das damals neue Tablet PC zu vermarkten. Heute berät er als herstellerunabhängiger Consultant Firmen, wie sie ihre Mitarbeiter mobiler machen können. Seine Schwerpunkte: Mobile Konferenzen, der Einsatz von Tablet PCs und eine verbesserte Meeting-Kultur.

Computerwoche: Sie beraten Firmen zum Thema Mobilty. Worum geht es Ihnen dabei?

Russell Green: Beim Thema Mobility dreht sich alles darum, den Mitarbeitern die größtmögliche Flexibilität zu geben, damit sie von überall aus arbeiten können. Das bedeutet auch, dass sie nicht zwingend an einem Ort sein müssen, um an einer Besprechung oder an einer Konferenz teilzunehmen. Natürlich müssen die Mitarbeiter dazu mit den entsprechenden technischen Möglichkeiten ausgestattet sein. Dann erlauben diese aber eine Kommunikation, die mehr ist, als die vom Telefon ermöglichte. Bei diesem Interview sehen Sie auf Ihrem Monitor zum Beispiel gleichzeitig, was ich auf meinem sehe. In der konventionellen Welt würde das bedeuten, dass wir beide in einem Raum sitzen, und ich würde ein Flipchart benutzen. Für den Einsatz bei Web-Konferenzen sind Mobility-Lösungen ideal. Zudem benutze ich gerne visualisierende Mittel der Darstellung, ich arbeite etwa sehr viel mit Mindmaps.

Computerwoche: Was haben Sie bei Microsoft gemacht?

Green: Bei Microsoft war ich für den Bereich Realtime Communication zuständig. Heute heißt er Unified Communication, was so viel wie Konvergenz bedeutet. Pocket PCs, Laptops und PCs bekommen immer mehr übergreifende Funktionalitäten. Sie können damit telefonieren, Videos machen und Sprache aufzeichnen. Es geht sehr stark um eine Synchronisation dieser ganzen Themen. Sie können heute je nach Produkt 16 Menschen zu einer Web-Konferenz einladen oder auch Hunderte zu einem Online-Seminar. Bei Online-Konferenzen kann ich meine Anwendungen frei wählen. Jede meiner Mausbewegungen wird übertragen, und ich bin der Lage die Sessionsaufzuzeichnen. Teilnehmer, die nicht dabei sein konnten, können sich so hinterher die komplette Konferenz später anhören und ansehen.

Computerwoche: Welche Technologien empfehlen Sie?

Green: Ich benutze vor allem Tablet PCs, die es mir erlauben, handschriftliche Notizen zu machen und elektronische Whiteboards zu nutzen – und zwar auch und gerade in Situationen, wo Sie diese normalerweise nicht nutzen können oder würden. Ich kann hier etwa irgendeinen handschriftlichen Text anklicken und bin in der Lage, diese so umzuwandeln, dass ihn der Computer umwandeln und weiter verarbeiten kann. Bei Interactive Whiteboards wird das Flipchart abgelöst. Es besteht dann auch keine Notwendigkeit mehr, hinterher alles noch einmal manuell zu erfassen.

Computerwoche: Was unterscheidet Sie vom Marketing der Hersteller?

Green: Ich vertreibe selbst keine Produkte, sondern ich sorge dafür, dass die Produkte der Hersteller auch sinnvoll beim Kunden eingesetzt werden. Ich habe erkannt, dass der Kunde oft nicht weiß, was es für vielfältige Möglichkeiten gibt, die ihn dabei unterstützen, effektiver zu arbeiten. Wenn man ein Produkt gekauft hat, ist es oft keine Frage der Installation sondern eine Frage der Anwendung. Hier sind wir beim Intimsten, was Menschen haben, nämlich dem menschlichen Bedürfnis, sich mitzuteilen zu können, der Kommunikation. Deshalb geht es mir darum, das Produkt live erlebbar zu machen.

Computerwoche: Ihnen geht es nicht so sehr um die Produkte, sondern um die Prozesse?

Green: Die Produktfunktionalitäten sollen das Arbeiten erleichtern. Ich habe verstanden, dass es hierbei um Prozesse geht. Ich habe das Thema produktorientierte Besprechung genannt. Denn es gibt in vielen Firmen jeden Tag viele davon. Und viele sind damit unzufrieden. Ich versuche diese Themen zu adressieren – aber nicht nur mit technischen Dingen. Es geht auch darum, die Konferenzen besser vorzubereiten und durchzuführen. Meine Beratung fängt deswegen beim Prüfen der Meetingkultur an. Wie ist das beim Kunden; wie sind die Erwartungen und die Ergebnisse? Ich mache auch Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen. Wie hoch sind die Kosten einer Web-Conferencing-Lösung oder wenn die Mitarbeiter im Außendienst Formulare mobil erfassen und an die Zentrale schicken. In einem Pilotprojekt kann man dann die alte und die neue Kultur vergleichen. Und es geht darum, die Mitarbeiter dazu zu befähigen, die Technologien richtig zu nutzen. Denn hier bestehen immer noch große Hürden.

Computerwoche: Können Sie das näher erläutern?

Green: Ich denke, vieles braucht seine Zeit. Weil menschliche Aspekte eine große Rolle spielen. Es ist immer noch normaler, zum Telefonhörer zu greifen, statt eine Webkonferenz zu organisieren. Oder eine E-Mail zu verschicken, statt Instant Messaging zu nutzen. Sehen und erleben schafft aber Akzeptanz. Man muss selbst einmal so ein Gerät in der Hand gehabt haben und es anwenden. Dabei ist auch der Formfaktor wichtig. Beim Telefonieren über den Rechner gibt es noch viele Vorbehalte Viele sträuben sich, mit ihrem Computer zu kommunizieren. Deswegen ist es auch wichtig, dass man vom Telefon bekannte Funktionen und Formen vorsieht.

Computerwoche: Können Sie Beispiele für mobile Szenarien nennen?

Der Geschäftsführer möchte eine Präsentation zur Lage der Nation halten. Doch dazu alle Mitarbeiter einladen? Aus Kostengründen ist dass keine gute Idee. Im Zeitalter von Globalisierung und Outsourcing müssen zunehmend Externe, Partner, Kunden, Lieferanten eingebunden werden, die weltweit verteilt sind. Man kann frei entscheiden, ob man vom Hotelzimmer aus, abends an einer Konferenz teilnehmen will, auch wenn man gar nicht in der Stadt ist. Das Ganze wird auch dadurch vorangetrieben, dass inzwischen die dafür notwendige Infrastruktur wie Breitband-DSL inklusive Flatrates flächendeckend zur Verfügung steht.

Computerwoche: Was empfehlen Sie, um den Einsatz der Technik zu unterstützen?

Microsoft nutzt selbst diese Produkte und ist in diesem Bereich auch sehr innovativ. Trotzdem heißt das nicht, dass es auch wirklich jeder nutzt. Auch dort musste die Nutzung von oben verordnet werden. Es ist ein Top-Down von Seiten der Unternehmensführung notwendig. Man muss sagen: Für eine halbstündige Präsentation ist es nicht nötig, stundenlang in die Bahn oder in das Flugzeug zu steigen. Aus Kostengründen geht das heute nicht mehr. Erfahrungsgemäß, das können viele Analysten bestätigen, können Firmen durch den Einsatz moderner Kommunikationslösungen eine Kostenersparnis zwischen 20 und 30 Prozent erreichen. Als Ergänzung natürlich zu konventioneller Vis-a-Vis-Kommunikation. Wir wollen diese ja nicht abschaffen. Socialising wird auf lange Sicht nur über menschliche Kommunikation stattfinden. Ein Großteil der Besprechungen kann man aber auch anders gestalten.

Computerwoche: Wie sieht die Zukunft aus?

2003 drückte mir mein Chef bei Microsoft einen Tablet PC in die Hand. Ich fragte ihn: Was ist das? Ein Tablet PC. Was kann man damit machen, fragte ich. Seine Antwort lautete: Genau das sollst Du mir sagen. Ich dachte damals, dass es sich wie geschnitten Brot verkaufen würde. Dem war aber nicht so. Das lag an der falschen Vermarktung. Man hat sie nämlich einfach neben normale Laptops gestellt. Und die Verkäufer wussten auch nicht, was man damit alles machen kann. Es fehlen innovative Lösungen für bestimmte Branchen. Im Klinikum Ingolstadt sind alle Stationsärzte mit Tablet PCs ausgestattet. Statt eines Clipboards mit den Formularen und der Patientenakte, hat der Arzt auf Visite nur noch seinen flachen, leichten Bildschirm dabei. Alle Formulare erscheinen dort elektronisch. In gewohnter Handschrift kann er alles Notwendige aufnehmen. Alles ist digital erfasst und kann auf Knopfdruck weiter geleitet werden. Und bei Air Berlin haben die Piloten für Start und Landung nicht mehr papierbasierte Anfahrtspläne dabei, sondern nutzen einen Tablet PC, auf dem alle relevanten Daten komplett vorhanden sind. Vorteil. Der Pilot bekommt immer die aktuellen Daten auf sein Gerät übertragen und braucht dafür kein Papier mehr.

Computerwoche: Es gab ja viele Vorbehalte gegenüber den Geräten.

Green: Ja, es gab Vorurteile, dass Tablet PCs nicht an die Performance von Laptops heranreichen. Zudem wurden die Batterielaufzeiten kritisiert. Und die Geräte waren teurer als ein vergleichbares Notebook. Das überwog die Vorteile einer solchen Technologie. Mittlerweile sind sie sie aber genauso leistungsstark für viele Anwendungen, und sie halten den ganzen Tag durch. Außerdem kosten die Lösungen nur wenig mehr als ein Notebook. Früher musste man eine vierstellige Summe bezahlen. Der heutige Preisverfall bei gleichzeitigem Leistungszugewinn führt in Zukunft zu einer höheren Akzeptanz. Was fehlt, ist aber immer noch die Killerapplikation für den Tablet PC. Für viele ist es immer noch eine Would-be-nice-to-have-Funktionalität. Aber es ist endlich einmal ein sinnvoller Umgang mit Technologie. Das sagen sehr viele, denen ich es vorführe.