Weiterbildungsprogramme bei Dienstleistern

Mitarbeiter müssen Spaß am Lernen finden

02.08.1996

Michael Hutner spart nicht mit Kritik, wenn er die Bildungssituation seiner Branche analysiert. Der Inhaber der gleichnamigen Augsburger Firmengruppe, zu der vier Modefilialen, eine Unternehmensberatung, eine Trainingsfirma und eine Agentur gehören, bringt es auf den Punkt: "Lernen im Handel ist problematisch." Zwar wüßten die meisten Chefs, daß die Kompetenz der Mitarbeiter den Betrieben die Zukunft sichere, "sie tun aber trotzdem zuwenig". Begründet werde dies mit der Standardfloskel: Kein Geld, keine Zeit.

Gerade mittelständischen Unternehmen fehle es an einer klaren Zielsetzung, wie sie Training umsetzen sollen. Schulung diene in der Regel noch immer dazu, das Gewissen der Firmenleitungen zu beruhigen.

Nicht viel besser ist nach Hutners Erfahrung auch die Einstellung der Mitarbeiter zum Lernen. Viele würden nach dem Motto arbeiten: "Es reicht aus, was ich kann."

Hutner will nun über den Umweg Computer Based Training (CBT) die Beschäftigten zum Lernen bringen. Die Unternehmer möchte er mit dem Kostenargument und der Flexibilität von seinen Angeboten überzeugen, für die Mitarbeiter verspricht er sich einen Motivationsschub. Allerdings weiß er auch, daß sich das DV- gestützte Lernen nicht von heute auf morgen durchsetzen läßt: "80 Prozent der Mitarbeiter haben noch keinen PC berührt." Ein weiteres Handicap bestehe in der mangelnden technischen Ausrüstung. "Wenn ich an 100 Unternehmen eine CD-ROM schicke, antworten mir 80, daß sie diese nicht benutzen können", so Hutners ernüchterndes Resumee. Der Augsburger Unternehmer ist noch am Anfang und möchte mit Partnern ein Lernzentrum einrichten. Gegenwärtig überlegt er sich CD-ROM-Produktionen zum Thema Warenkunde, die bereits auf Video zur Verfügung stehen.

Auf fast drei Jahre Erfahrung dagegen kann Jürgen Stockfisch mit seinem multimedialen Kurs im Rahmen des Programms "Training für Controlling" (TfC) bei der Deutschen Bahn verweisen. Den Mitarbeitern des Rechnungswesens und der Personalabteilung werde "die Betriebswirtschaft der Bahn praxisnah vermittelt". Die Alternative zu diesem Trainingsprogramm sei gewesen, 3000 Controller einzustellen, denn die Bahn mußte ihre Buchhaltung auf dem Weg von der Behörde zu einem privaten Dienstleister umstellen.

Grundlage der etwa einwöchigen Seminare sei ein pädagogisches Konzept mit einem "ausgewogenen Medienmix" bestehend aus den Elementen: Selbststudium, Lehrgespräche, Gruppenarbeiten, CBT und Multimedia-Training.

Die Bahn hat die Lernprogramme selbst entwickelt. "Was wir auf dem Markt vorfanden, war teuer und langweilig", so Stockfischs hartes Urteil.

Die Entwicklungskosten beziffert er für eine Stunde CBT auf 6000 bis 25000 Mark, für eine Stunde Multimedia-Kurs auf 60000 bis 85000 Mark.

Die Programme durften keine elektronischen Blättermaschinen sein, und es sollte Spaß machen, mit ihnen zu arbeiten, lauteten wichtige Vorgaben. Der Bahn-Manager ist im nachhinein auch deshalb froh, daß die eigenen Mitarbeiter die CBTs erstellten, weil sich die Kursteilnehmer mit den Lernprogrammen identifizieren. Die CBTs enthalten nämlich viele typische Szenen, wie sie im Bahn-Alltag passieren, die eben nur ein Insider kennt.

Bisher haben nach Stockfischs Angaben 19500 Teilnehmer das TfC durchlaufen, 95 Prozent seien mit den CBT-Komponenten zufrieden gewesen. Man habe darauf geachtet, die Trainer richtig auszubilden. Viele Mitarbeiter hatten nämlich keine PC-Erfahrung.