Produktion ab 2015

Mini-Leichtwasserreaktor lässt viele Fragen offen

19.06.2009
Von pte pte
Wer dachte, dass er bald sein Rechenzentrum mit einem eigenen Leichtwasserreaktor betreiben kann, muss sich noch ein paar Jahre gedulden. Zudem ist Skepsis angebracht.

Das US-Unternehmen Babcock and Wilcox hat erst vor Kurzem den Bau eines neuartigen Mini-Kernreaktors angekündigt. Das Leichtwasserreaktorsystem B&W mPower soll zur Gänze fabrikgefertigt und mit allen benötigten technischen Komponenten wie etwa dem Steuerungs- und Kontrollsystem ausgeliefert werden. Im Gegensatz zu direkt in Atomkraftwerken (AKW) installierten Reaktoren verschiedener Bauart soll die Leistungskapazität des B&W mPower-Reaktors bei rund 125 Megawatt (MW) liegen. Der Hersteller tat sich in den letzten 50 Jahren schon mit der Entwicklung von Kernreaktoren für die US-Navy hervor. "Die Produktionsdauer wird mit etwa drei Jahren die durchschnittliche Errichtungszeit konventioneller Konstruktionen deutlich unterschreiten", sagt Christofer Mowry, Chief Business Development Officer bei Babcock and Wilcox, in Technology Review.

So etwa soll er aussehen, der modulare Leichtwasserreaktor.
So etwa soll er aussehen, der modulare Leichtwasserreaktor.
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"Das scheint eher eine Sammlung von vagen Ideen zu sein als ein ernsthaftes Projekt. Bisher bekannte Probleme wie Lizenzierung, atomarer Abfall und Unfallgefahr bleiben bestehen", sagt hingegen Heinz Smital, Atomexperte von Greenpeace, gegenüber pressetext. Die Errichtung von AKWs stellte aufgrund von Fertigungskosten in Höhe von rund zehn Milliarden Dollar bisher ein erhebliches finanzielles Risiko für Investoren dar, zumal meist mehr als fünf Jahre vergingen, bevor der Betrieb wirklich aufgenommen werden konnte. Nicht zuletzt wegen zusätzlich anfallender Belastungen von Mensch und Umwelt werden seit Jahrzehnten kaum neue Reaktoren - die im Schnitt Leistungskapazitäten im Ein-Gigawatt-Bereich aufweisen - gestartet.

Der frei skalierbare B&W mPower-Reaktor soll vorwiegend für den Betrieb in Ländern mit wenig entwickelter Netzinfrastruktur in Frage kommen, wenngleich auch mehrere dieser Kompaktreaktoren als Module zusammengeschaltet betrieben werden könnten. "Containment-Technologien sind jedoch in der Regel sehr teuer, weshalb deren Refinanzierung bei geringen Leistungskapazitäten nur schwer geleistet werden kann. Daher ist immer eine gewisse Skepsis angebracht, wenn Hersteller von kleinen Leistungseinheiten sprechen", meint Smital. Grundsätzlich stelle sich die Frage, ob so ein Konzept wärme- wie genehmigungstechnisch überhaupt realisiert werden könne, so der Tenor unter Fachleuten. Die über das Internet bisher verfügbare Information sei für eine seriöse Beurteilung nicht ausreichend, ob und wie das in der Reaktorfertigung übliche gestaffelte Sicherheitskonzept hier umgesetzt werde. Eine Einschätzung seitens eines Lehrstuhls für Reaktortechnik war aufgrund der Neuheit des Konzepts bis Redaktionsschluss daher auch nicht einholbar.

Größe und Konstruktion des Sicherheitsgehäuses des B&W mPower-Reaktors sollen es Angaben des Herstellers zufolge ermöglichen, dass auf eine Zwischenlagerung der Abfallprodukte während der vorgesehenen 60-jährigen Betriebsdauer verzichtet werden kann. Zudem müsse der Brennstoff nur alle fünf statt wie bisher üblich alle zwei Jahre gewechselt werden. "Jedoch ergibt sich bei kompakten Lösungen auch automatisch das Problem der Proliferation. Was tun, wenn so Mini-Reaktor in die falschen Hände kommt", gibt Smital ferner zu bedenken. In Ansehung der Katastrophe von Tschernobyl könnten schon Reaktoren mit Leistungskapazitäten von 50 MW verheerende Kontaminierungen verursachen. (pte)