Mikroeinsatz: Sachbearbeitern droht Ausbildungs-Gap

18.05.1984

Nach dem Einzug der Mikros in die Fachabteilungen droht vielen

Unternehmen ein Ausbildungsengpaß. Was im Bereich der Groß-DV

längst als Standardausbildung angeboten wird, ist nach Meinung von

Hagen Cyrus, Geschäftsführer der Cyrus + Rölke GmbH in Köln, für

Mikros - wenn überhaupt - nur in Ansätzen vorhanden. Um diesem

Mißstand entgegenzuwirken, entschloß sich das Management der Veba Oel AG, Gelsenkirchen, die betroffenen Mitarbeiter in internen

Schulungskursen an den Umgang mit dem Computer zu gewöhnen.

Erklärt Günther Albert, Leiter der kaufmännischen Ausbildung: "Unsere internen Seminare dienen sowohl der Motivation als auch der

Wissensvermittlung". Außerdem seien sie keine soziale Tat, sondern eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit. ih

Günther Albert

Leiter der Kaufmännischen Ausbildung, Veba Oel AG, Gelsenkirchen

Die rasante Entwicklung der DV sowohl in ihren technischen Möglichkeiten als auch in der Erschließung neuer Anwendungsgebiete hat heute vor allem die Verwaltungsbereiche unserer Unternehmen erfaßt. Die Arbeitsabläufe und die Stelleninhalte unserer Verwaltungen werden sich erheblich verändern. Um diese Entwicklung meistern und steuern, sie sinnvoll nutzen und Nachteile ausschalten zu können, ist entsprechendes Bewußtsein und verändertes Wissen erforderlich.

Die zunehmende Bedeutung der Datenverarbeitung für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen bestimmt in wachsendem Maße auch die Integration der DV am Arbeitsplatz des Sachbearbeiters.

Hierzu ist es notwendig, daß der Mitarbeiter die DV nicht als seinen "Feind" empfindet vielmehr müssen ihm die Möglichkeiten an die Hand gegeben werden, sie als Hilfsinstrument in seine Arbeitswelt einzubeziehen.

Deshalb hat die Veba Oel AG das Bildungsprogramm für "angehende" Industriekaufleute, über auch für "gestandene" Mitarbeiter um Inhalte aus dem Bereich der DV erweitert. Dies ist um so wichtiger, als die DV durch die verstärkte Dezentralisierung immer mehr auf kompetente Ansprechpartner in allen Unternehmensbereichen angewiesen ist, die ihre Problemstellungen DV-gerecht artikulieren und teilweise selbständig lösen können.

Eine Umfrage im Herbst des vergangenen Jahres unter den DV-Benutzern unseres Hauses hat ergeben, daß drei Viertel der Befragten interne DV-Schulungen für besonders wichtig und nochmals 15 Prozent für wichtig halten.

Eine Begründung für dieses Interesse ergibt sicherlich die Beantwortung weiterer Fragen. So sagten mehr als 80 Prozent der Befragten aus, daß sie die Datenverarbeitung für wirtschaftlich halten und daß sie ihre Probleme löst. Drei Viertel der Befragten sehen interessantere Arbeiten und Arbeitserleichterung. Hier zeigen sich bereits erste Erfolge der Bildungstätigkeit.

DV spielt deshalb sowohl als theoretisches Grundgerüst als auch in der praktischen Anwendung für betriebliche Abläufe an der im Betrieb vorhandenen Hardware für die Ausbildung unserer Industriekaufleute eine erhebliche Rolle.

In das Programm für unsere angehenden Industriekaufleute wurden deshalb folgende Spezialbausteine aufgenommen:

- dreitägiges Einführungsseminar in die DV zu Beginn der Ausbildungszeit,

- zwei- bis dreimonatiges Praktikum im Rechenzentrum im zweiten Drittel der Ausbildungszeit,

- fünftägiges Abschlußseminar zum Ende der Ausbildungszeit.

Dabei handelt es sich um Maßnahmen, die erheblich über die zwingend vorgeschriebenen Ausbildungsinhalte hinausgehen. Die Erfahrung hat uns zwischenzeitlich gezeigt, daß diese Ausbildungszeiten sinnvolle Investitionen zur Sicherung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unserer zukünftigen Mitarbeiter und unseres Unternehmens bedeutet. Es handelt sich also um keine soziale Tat, sondern diese Ausbildungsinhalte erwachsen aus der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit.

Deshalb haben auch "gestandene" Mitarbeiter bei Veba Oel die Möglichkeit, sich in verschiedenen internen Seminaren mit dem Thema DV zu beschäftigen.

Die genannten Aus- und Fortbildungsangebote werden vom DV-Bereich und dem Bildungsbereich gemeinsam betreut und in erster Linie von leitenden DV-Mitarbeitern durchgeführt. Sie bieten somit die Möglichkeit, Angestellte des Unternehmens vor Ort praxisbezogene Kenntnisse unseres DV-Systems erlernen zu lassen und die strategische Zielsetzung für den Einsatz der DV zu vermitteln.

Neben dem Erlernen von DV-Wissen wird auch der Diskussion um Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit des Einsatzes von DV-Geräten weiter Raum gegeben. Gerade hier ist es notwendig, die Datenverarbeitung kritisch in Frage zu stellen, um ein ausgewogenes Bewußtsein ohne Angstsyndrom und ohne übersteigerte Euphorie zu erzeugen.

Die Ausbildungsprogramme wurden zum größten Teil im eigenen Hause erstellt, teilweise von den Auszubildenden selbst. Sie erarbeiteten weitgehend selbständig mehrere Handbücher als Begleitmaterial für Seminare und Praktikum, drehten Videofilme über unsere Hardware und über den Betrieb in unserem Rechenzentrum und referierten in den Seminaren.

Dies hat den Vorteil, daß wir aktuelles und individuelles Material zur Verfügung haben. Außerdem führt diese Vorgehensweise zu dem Nebeneffekt (der sich gerade für die gesamte Ausbildung als sehr wesentlich herausstellt), daß die Auszubildenden lernen, Aufgabengebiete selbständig zu durchdenken und zu erarbeiten. Das Arbeitsergebnis trägt dann wesentlich dazu bei, die Motivation der jungen Mitarbeiter zu erhöhen.

Über die vorgenannten Schulungsmaßnahmen hinaus wird in einem Benutzer-Service-Zentrum an Mikrocomputern und Dialogstationen die Möglichkeit geboten, unter Anleitung eines für diesen Bereich zuständigen Mitarbeiters weitere eigene Erfahrungen zu sammeln.

Als Ergebnis all dieser Aktionen können wir eine wachsende Aufnahmebereitschaft der Mitarbeiter des Hauses für Datenverarbeitungsprobleme registrieren. Dies hat sich bei der Einführung von Online-Systemen in unserem Hause als sehr positiv ausgewirkt, so daß der von den Mitarbeitern des Datenverarbeitungsbereichs erbrachte Aufwand für diese Schulungsmaßnahme gerechtfertigt erscheint.

Neben diesen internen DV-Ausbildungs- und Fortbildungsmaßnahmen werden bei der Einführung von neuen Online-Systemen natürlich auch externe Seminare angeboten und besucht. Der Unterschied zwischen dem internen und externen Bildungsangebot besteht im wesentlichen darin, daß die internen Seminare sowohl der Motivation als auch der Wissensvermittlung dienen und darüber hinaus hier die Möglichkeit besteht, das vorhandene Datenverarbeitungssystem und die sich daraus anbietenden zukünftigen Möglichkeiten zu behandeln. Die Beurteilung durch die Teilnehmer hat gezeigt, daß diese Bildungsangebote sehr positiv beurteilt werden.

Hagen Cyrus

Geschäftsführer, GFU, Cyrus + Rölke mbH, Computerservice, Köln

Seit Oktober 1983 sind wir mit einem strukturell gewandelten Markt konfrontiert: Explosionsartig gewachsene Nachfrage, zunehmendes Neukundengeschäft überzogene Erwartungen der "Nicht-DVler", leergefegter DV-Personalmarkt.

Nach neueren Erhebungen sind zur Zeit nicht einmal genügend Ausbildungskräfte verfügbar, um notwendige Schulungen in angemessenem Umfang durchzuführen.

Hinzu kommt, daß viele Menschen noch unter erheblichen Schwellenängsten und Vorbehalten gegenüber dem "Jobkiller" EDV leiden. Der Konflikt DV-Profis gegen DV-Anwender ist quasi vorprogrammiert, da unterschiedliche Systemkenntnisse und verschieden weit reichendes Begriffsverständnis zu erheblichen Schwierigkeiten führen müssen. Letztlich liegt das Grundproblem bei den fehlenden didaktischen Voraussetzungen im personellen und materiellen Bereich.

Mit eben diesen Problemen hatte auch unser Unternehmen zu kämpfen. Anfang dieses Jahres sollten die Aufgabenbereiche Buchhaltung, Werbung und Auslieferung von Lizenzprodukten an neu eingestellte Mitarbeiter übergeben werden.

Die eingerichteten Arbeitsplätze waren selbstverständlich DV-organisiert Akzeptanzprobleme seitens der Mitarbeiter traten gar nicht erst auf. Dennoch blieb die vorübergehende Bindung von Produktionspersonal durch Ausbildungsaufgaben als Problem bestehen.

Nichts lag folglich näher als der Versuch, für die Grundausbildung der "Neuen" eine externe Ausbildungsmöglichkeit zu suchen. Was jedoch im Bereich der Groß-DV längst schon als Standardausbildung von den verschiedensten Einrichtungen angeboten wird, ist für die Mikrocomputer, wenn überhaupt, nur in Ansätzen vorhanden. Kenntnisse in den Bereichen Textverarbeitung, Betriebssysteme CP/M, MS-DOS sowie in den Programmiersprachen Cobol und Basic werden zwar überall verwendet, ein entsprechendes Ausbildungsangebot existiert aber praktisch erst ansatzweise.

Im Gegensatz zu den Erfahrungen im eigenen Hause beobachten wir demzufolge im Kreise unserer Kunden des öfteren sehr problematische Entwicklungen. Wegen der bislang fehlenden externen Ausbildung wird der einzelne Mitarbeiter im Extremfall vor die Alternative gestellt, seinen Arbeitsplatz zu verlassen oder sich selbständig in DV-Anwendungen einzuarbeiten.

Wenn der Sachbearbeiter Glück hat, wird ihm zu Beginn eine gewisse Schonfrist eingeräumt, innerhalb der er mit dem Gerät und den Programmen "spielerisch" üben kann. Trotzdem ist in der Regel nicht zu erwarten, daß sich die wesentlichen Grundlagen im Alleingang erwerben lassen. Immer wird aktives DV-Personal zur Ausbildung herangezogen werden müssen. Damit taucht sogleich das nächste Problem auf: Die DV-Profis beherrschen zwar ihr Gerät und alle dazugehörenden Komponenten, doch können die wenigsten dieses Wissen in angemessener Form vermitteln. Die Fülle anwendungsspezifischer Details verdeckt über kurz oder lang die zu beschreibenden Strukturen, der EDV-"Lehrling" versinkt in der Flut der Informationen. Zum Lehren braucht man eben Profis für EDV und Didaktik.

Bei der Durchsicht der Ausbildungsangebote gab es nur wenige Alternativen. Lediglich bei Basic war das Angebot ausreichend, für den eigenen Bedarf jedoch nicht verwendbar. Aus Gründen der Portabilität unserer Software zwischen Mikros, Minis und Mainframes waren wir hauptsächlich an Cobol interessiert. Nach intensivem Bemühen gelang es uns, ein Ausbildungsinstitut in Frankfurt davon zu überzeugen, daß für Schulungskurse in Personal Cobol auf Mikrocomputern ein erheblicher Bedarf besteht.

Neben der zu erwartenden Qualitätssteigerung hat diese Art der Externausbildung noch weitere Vorzüge. Entweder finden Ausbildungsseminare für mehrere Mitarbeiter gleichzeitig statt, oder man besucht Seminare, deren Kosten von mehreren Nutzern gemeinsam getragen werden. In beiden Fällen kommt man relativ kostengünstig zu qualitativ besseren Ergebnissen.

Die ersten Mitarbeiter unseres Unternehmens werden in Kürze ihre externe Grundschulung in Frankfurt erhalten. Die anschließende hausinterne Weiterbildung wird sich auf Schulungsmaterial stützen, welches speziell für unseren Bedarf von Didaktikern in Spezialfirmen erarbeitet wird.

Horst-Walter Bleicher

Technische Akademie Wuppertal

Einige existenzielle Probleme kommen bei der Betrachtung der Arbeitsplatzcomputer und ihres Umfeldes hoch. So etwa das Problem "Wildwuchs" der Mikros. Entsprechend sensibel ist das Thema der Fortbildung in diesem Bereich. Fortbildung wird leicht - insbesondere in konjunkturschwachen Zeiten - "administriert". Verwaltungstechnisch wird gefragt: "Wer ist Fachmann" und infolgedessen: "Wer darf?". Ähnlich zurückhaltend pflegen Verwaltungen nach der Zahl der Fortbildungsaspiranten zu fragen. Sie kommen bei zunehmender Bildschirmdichte schnell zu der Diagnose: schlecht für Geldbeutel und Abteilungspräsenz. Andererseits sind die vielen Mikros und Terminals da und stellen ihre Aufgaben. Sie bieten sowohl als PCs wie als vernetzte Mikros oder als intelligente Terminals zunehmend mehr Möglichkeiten, als gemeinhin ausgenutzt werden. Soll man also Leistungspotential verschenken? Oder aus dem Blickwinkel der EDV: Möge Gott verhindern, daß die Fachabteilung etwas anderes vom Computer will als nur ihre Standardsoftware.

Die Frage nach der adäquaten Fortbildung der Benutzer muß die Szenerie in einige Teilschauplätze aufteilen.

Nehmen wir den Fall, daß eine Abteilung per Terminals und Software an die DV "angeschlossen" wird. Der Fall dieser Integration wird oft in der Weise abgewickelt, daß ab dem Planungsstadium Fachleute aus Organisation und Fachabteilung beraten, prüfen und beschließen. Meist geht alles am "Endverbraucher" vorbei. Die Mitarbeiter, die später auf DV "umgestellt" werden (Verwaltungsjargon: "Die Beplanten"), erfahren über Gerüchte und "Buschtrommel" vom Vorhaben, sind irritiert oder gar verängstigt. Von jetzt an bis zum Einführungstermin fehlt Verständnis und selbstverständlich auch die Motivation. In dieser Situation nun bieten sich Beratungsunternehmen an, die "genau das richtige" haben: Einen Standardkurs zur Einführung in die DV. Zielgruppe sind Mitarbeiter, deren Abteilungen auf Dialogbetrieb umgestellt werden. Ein geschickter Zug - ein guter Markt.

Allerdings sind die seriösen Wege allgemein bekannt. Sie liegen in Offenheit, Information und Beteiligung. Dem Organisationsprogrammierer der einen Seite sollte von der Fachabteilung der EDV-Fachkoordinator beigestellt werden. Seine Aufgabe ist es EDV-Fachabteilung-Mensch aus der Sicht der Fachabteilung betreuen, zwischen ihnen vermitteln.

Der EDV-Fachkoordinator ist naturgemäß zunächst weder EDV-Spezialist noch Organisator oder Führer. Ihn zu trainieren ist daher entscheidend, besser jedenfalls, als die ganze Fachabteilung einem Standardseminar auszuliefern. Ein Sprecher der SCS-Akademie soll gesagt haben: "Endbenutzerausbildung muß eine projektbegleitende Maßnahme werden". Und Fritz R. Müller von Diebold kürzlich: "Identifikation mit den Lösungen ist nur durch aktive Mitgestaltung der Fachbereiche herzustellen". Der kostengünstigste Weg liegt im EDV-Fachkoordinator. Für ihn gibt es je nach Vorkenntnis auch Kurse.

Ein anderer Fall: Isolierte Mikros stehen in den Abteilungen, die für spezielle Anwendungen mit Software gekauft wurden. Welches Fortbildungsproblem stellt sich hier? Professor Manfred Bues von der Fachhochschule Furtwangen beschreibt den Fall, daß die firmeneigenen EDV-Profis freigestellt werden, um die Abteilungsmikros wieder flottzumachen. So sehr das schmerzt: Diese Profis sollten sich fragen, ob es nicht ökonomischer ist, der Fachabteilung umfangreiche Fortbildung für einen oder wenige Mikros zu ersparen, und statt dessen - als Informatiker sowieso vorgebildet - mit weniger Aufwand das Mikrowissen auszubauen.

Erweitern wir den Fall der Mikros noch um die Betrachtung der kürzlich auf den Markt gekommenen Standardpakete wie die "Calc" und "Plan"-Programme oder Textsoftware. Es kann sinnvoll sein, die Abteilungen hiermit zu versorgen oder sie wenigstens gewähren zu lassen. Wenn die Unternehmung hinter ihren Mitarbeitern steht so ergibt sich automatisch eine Reihe von kurzen hausinternen Trainings. Ein externes Training wird wohl nur dem "Pionier" im Hause zugestanden werden.

Gleiches gilt wohl auch für die Grundlegung des "ad-hoc-Programmierens" in Basic, also die einfachen Kurzprogramme. Allerdings kann es durchaus sinnvoll sein, einen Mitarbeiter etwas intensiver extern schulen zu lassen. Bei alldem, was hier in den Abteilungen probiert und eingesetzt wird, kann man in Anlehnung an Bues feststellen, daß der Einsatz von Mikros und spezieller Software in den Abteilungen in kürzester Zeit Informationsprobleme vom Tisch gebracht hat, die die zentrale EDV in mehr als einem Jahrzehnt nicht zu lösen vermochte. Daher darf die Fortbildung zumindest jetzt nicht zum Engpaß werden.

Dann gibt es noch die letzte Kategorie von Sachbearbeitern am Arbeitsplatzcomputer: den "Bastler"/Tüftler. Um ihn brauchen wir uns vermutlich keine Gedanken zu machen. Er schafft es nachts oder am Wochenende.

Entscheidend ist:

- Daß die Einrichtung des DV-Fachkoordinators sichergestellt wird,

- daß viele DV-Motivationskurse/DV-Einführungskurse überflüssig werden,

- daß in vernünftigem Maße der Fortbildung von Pionieren aus Abteilungen der Weg geebnet wird,

- daß Fortbildung in vernünftigem Maße substituiert wird durch Kenntnis und Unterstützung im DV-Bereich.