In Sprach-Daten-Netzen auf IP-Basis müssen einige Protokolle ineinander greifen

Migrationsfallen bei der Faxintegration

27.08.2004

Auch wenn sich alle Analysten darin einig sind, dass im Business-Umfeld die klassische Telefonie durch VoIP abgelöst wird, eine Altlast der TK-Welt behauptet sich weiterhin: die Faxgeräte. Marktforscher gehen davon aus, dass weltweit rund 112 Millionen Faxmaschinen im Einsatz sind, und selbst in Zeiten von E-Mail und E-Commerce per Web werden jedes Jahr noch rund sechs Millionen Neugeräte verkauft.

Für diese auf den ersten Blick mittlerweile antiquiert anmutende Kommunikationsmethode sprechen neben der einfachen Bedienbarkeit vor allem ihre Echtzeitfähigkeit sowie die Sende- und Empfangsbestätigungen, die zumindest teilweise vor Gerichten Beweiskraft haben. Genügend Gründe also, warum Unternehmen auch im VoIP-Zeitalter an ihren Faxmaschinen festhalten. Problematisch wird dies allerdings, wenn nach einer VoIP-Migration kaum mehr klassische Telefondosen verfügbar sind, denn ein Fax lässt sich nicht wie ein herkömmliches Telefon einfach per Adapter in die IP-Infrastruktur integrieren.

Das Faxprotokoll im Detail

Ursachen für diese Schwierigkeiten bei der Faxintegration in IP sind hauptsächlich die Echtzeitfähigkeit der Faxe kombiniert mit den Sende- und Empfangsbestätigungen, wie sie im ITU-Protokoll T.30 spezifiziert sind. Hierzu definiert es einen relativ komplexen Handshake zwischen sendender und empfangender Maschine. Dabei darf der Verbindungsaufbau teilweise nur wenige Sekunden gestört sein, wenn es nicht zum Abbruch der Kommunikation kommen soll, der wiederum eine langwierige Neuanwahl erfordert. Bei der eigentlichen Faxübertragung kommen dann die ITU-Protokolle T.4 und T.6 ins Spiel, die für die fehlerfreie Übertragung und Überprüfung des Gesendeten verantwortlich sind. Zu guter Letzt sind noch Modemprotokolle wie V.34, V.17, V.29. oder V.21 involviert. Sie definieren, wie die Faxsignale für die Übertragung über das Telefonnetz per Modem in Töne umgewandelt werden.

Dieser komplexe Protokoll-Mischmasch vereitelt letztlich eine einfache Integration der Faxgeräte in die IP-Welt. Zumal das Internet Protocol als verbindungsloses Kommunikationsverfahren durchaus Verzögerungen bei der Datenübertragung und auch einen Paketverlust akzeptiert - Eigenschaften, die im Gegensatz zu den in der ITU-Norm T.30 definierten Mechanismen stehen. Deshalb lässt sich eine Fax-over-IP-Lösung auch nicht dadurch realisieren, dass etwa das T.30-Protokoll einfach durch IP getunnelt wird. Vielmehr ist eine Umwandlung erforderlich. Die Mechanismen hierzu hat die ITU in der Spezifikation T.38 definiert, die gleichzeitig den Echtzeitbetrieb der Faxübertragung in der IP-Welt gewährleisten soll.

Theoretisch wären damit für eine T.38-Implementierung von Fax over IP lediglich an den Schnittstellen zwischen Faxmaschine und IP-Netz sowie am Übergang zum öffentlichen Telefonnetz entsprechende Gateways zur Umwandlung der T.30-Signale in IP-fähige T.38-Pakete und umgekehrt erforderlich.

Was logisch und einfach klingt, birgt in der Praxis jedoch, wie Frank Potocnik, Senior Market Development Manager bei Brooktrout, warnt, einige Fallstricke. So hängt die erfolgreiche Implementierung einer echtzeitfähigen Fax-over-IP-Lösung in seinen Augen sehr stark von der Zuverlässigkeit der darunter liegenden Netzinfrastruktur ab. Zum einen sollte das Netz, so Potocniks Rat, eine möglichst geringe Verzögerungszeit besitzen, zum anderen ist sicherzustellen, dass auch alle involvierten Router das T.38-Protokoll erkennen und korrekt weitertransportieren. Ein Punkt, der dem Brooktrout-Manager zufolge heute noch nicht selbstverständlich ist, da die ITU-Norm T.38 noch relativ jung ist und deshalb etliche Router ein Upgrade benötigen. Zudem kommt auf den Anwender wie bei der IP-Telefonie noch ein Interoperabilitäts-Problem zu: Er benötigt im IP-Netz einen Call-Control-Mechanismus in Form von H.323 oder SIP (Session Initiation Protocol) zum Auf- und Abbau einer TK-Verbindung. Branchenkenner gehen davon, dass sich langfristig SIP als Defacto Standard etabliert.

Neben der T.30-Protokollkonvertierung sollte ein T.38-Gateway zudem das "Fax-Spoofing" beherrschen. Dieser Begriff stammt noch aus der analogen Faxwelt und bezeichnete Mechanismen, die es erlaubten, eine Faxverbindung trotz Störungen auf der Leitung oder Fehlern bei der T.30-Protokoll-Implementierung in dem einen oder anderen Faxgerät aufrechtzuerhalten. In der IP-Welt versteht man nun unter Fax-Spoofing Verfahren, die ein T.38-Gateway in die Lage versetzen, trotz verlorener IP-Pakete oder Verzögerungen eine Faxverbindung stabil zu halten.

Angesichts dieser ganzen Fallstricke warnt Potocnik davor, eine IP-Fax-Migration nur unter Kostenaspekten zu betrachten, denn eine fehlertolerante, zuverlässige Implementierung habe ihren Preis. Für den Aufwand spricht aber letztlich, so der Manager weiter, dass der Anwender danach wirklich nur noch eine konvergente Netzinfrastruktur zu administrieren habe. (hi)

Was zu beachten ist

- Einfaches Tunneling des Faxprotokolls T.30 funktioniert nicht;

- es müssen T.38-Gateways verwendet werden;

- der Anwender muss kurze Verzögerungszeiten in der IP-Infrastruktur sicherstellen;

- Router benötigen eventuell ein Upgrade, um das Protokoll T.38 zu transportieren;

- T.38-Gateways sollten Fax-Spoofing beherrschen, um die Fehlertoleranz zu erhöhen.

Abb: Protokollumwandlung beim Faxen in IP-Netzen

Damit das Faxen über IP-Netze funktioniert, sind komplexe Protokollumwandlungen erforderlich. Quelle: Brooktrout