Mehrwertdienste: Neuer Faktor der Produktpolitik

13.05.1988

In der Vergangenheit etliche Restriktionen

Der Bereich der Mehrwertdienste ist in den bis 1988 gültigen Telelcommunikationsgesetzen nicht explizit geregelt. Eine zentrale Registrierung oder gar Lizenzierung von Mehrwertdienste-Anbietern existiert nicht. Die regulatorische Behandlung dieser Markte ergibt sich zum einen aus der juristischen Interpretation des Umfanges des Fernmeldealonopols der Deutschen Bundespost, zum anderen aus ihrer Zulassungspraxis von privaten Mehrwertdienste-Anbietern.

Das "Fernmeldemonopol" ist im Paragraph 1 das "Fernmeldeanlagengesetzes" anhand des Begriffs der Fernmeldeanlage definiert. Im nicht-militärischen Bereich steht das Recht, Fernneldeanlagen zu errichten und zu betreiben, ausschließlich der Deutschen Bundespost zu. Nach herrschender juristischer Auffassung folgt hieraus in jedem Fall ein Netzmonopol der Deutschen Bundespost. Inwieweit das Betreiben von Fernmeldeanlagen auch ein Dienstmonopol beinhaltet und insbesondere ob auch das Angebot von Mehrwertdiensten als Betrieb von Fernmeldeanlagen verstanden werden kann, ist in der Vergangenheit nicht eindeutig geklärt worden.

In der Vergangenheit etliche Restriktionen

Da die notwendigen finanziellen Mittel zur Errichtung von Fernmeldenetzen von der DBP letztlich nur durch die Vermarktung von Diensten aufgebracht werden können, wird ihr zumindest ein gewisser Umfang monopolistisch betriebener öffentlicher Telekommunikationsdienste zugestanden. Mehrwertdiensteanbieter, die Angebote für Dritte vermarkten, wurden behandelt wie jeder andere Nutzer von Netzen oder Diensten der DBP auch, es gab also für sie keine speziellen Benutzungsbedingungen, Schnittstellen oder Serviceangebote. Daraus resultierte eine Reihe von Restriktionen für Mehrwertdienste.

Alle Anbieter sind abhängig von der Zulassung durch die DBP, die somit in diesem Markt Konkurrent und Regulierungsbehörde ist. Es existieren aber keine klar normierten Zulassungskriterien, so daß letztlich Einzelfallentscheidungen der zuständigen Stellen der Post getroffen werden. Diese rechtliche Unsicherheit erhöht zum einen das Investitionsrisiko für private Anbieter, die derzeit gültigen Restriktionen beim Zusammenschalten von Mietleitungen und Wählnetzen und bestimmte Vermittlungsverbote erschweren darüber hinaus für VANS sinnvolle Netzkonfigurationen.

Beispielsweise nutzen 42 Prozent aller Dienste-Anbieter Mietleitungen und Wählnetze in Kombinationen. Nur teilweise können die Probleme von Zusammenschaltungsverboten durch Ausweichen in "esotorische" Rechtsformen wie Vereine oder Genossenschaften umgangen werden. Dennoch gibt es im Datenkommunikationsbereich aufgrund der liberden Zulassungspraxis der DBP eine große Vielfalt von Mehrwertdienste-Anbietern, wie an späterer Stelle dargestellt wird. Im Sprachkommunikationsbereich dagegen ist dezent kein privater Mehrwertdienst zugelassen. Die angeführten Probleme machen den Reformbedarf im Mehrwertdienste-Bereich deutlich, der in der Bundesrepublik Deutschland besteht.

Im September 1987 legte eine von der Bundesregierung eingesetzte "Regierungskommission Fernmeldewesen" ihren Abschlußbericht zur "Neuordnung der Telekommunikation" vor, in dem weitreichende Deregulierungs-Empfehlungen enthalten sind. Diese wurden vom Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen aufgegriffen und bis März 1988 mit nur geringfügigen Änderungen in einem Gesetzentwurf zur , Neustrukturierung des Post- und Fernmeldewesens und der Deutschen Bundespost umgesetzt. Es besteht die Aussicht, daß dieser Gesetzentwurf 1988 die parlamentarischen Gremien passiert und 1988 ein neuer Regulierungsrahmen in Kraft treten kann.

Anders als in den USA und in Großbritannien, deren Neustrukturierung der Telekommunikationsmärkte bereits früher begann, hat die Regierungskommission für die Bundesrepublik keine definitorische und ordnungspolitische Unterscheidung von Mehrwertdiensten und Basisdiensten empfohlen. Weder eine Abgrenzung beider Bereiche aufgrund technischer Merkmale noch eine marktorientierte Abgrenzung erschien ihr längerfristig stabil. Im Netzbereich gilt als Grundprinzip das Monopol der Deutschen Bundespost, mit wettbewerblichen Ausnahmebereichen. Im Dienstebereich dagegen gilt als Grundprinzip der Wettbewerb, mit einer wettbewerblichen Ausnahme. Lediglich der Telefondienst (real-time-voice) soll im Monopol der DBP verbleiben. Alle anderen Dienste können im Wettbewerb angeboten werden. Damit könnte eine sinnvolle langfristige Planungsgrundlage für private Dienste-Anbieter entstehen, die die Kurzfristigkeit der USA-Regelungen ( 1971 Computer-I, 1980 Computer-II und 1986 Computer-III Entscheidung) und der britischen Gesetze ( 1982 VAN-Licence und l986 VADS-Licence) vermeidet.

Die Abbildung zeigt die vorgesehene neue Aufbauorganisation des zukünftigen Unternehmensbereichs Deutsche Bundespost - Telekom.

Vorgeschlagen ist eine Trennung von hoheitlichen und unternehmerischen Funktionen, wobei die Hoheitsfunktionen vom Ministerium für Post und Telekommunikation (BMPT) wahrgenommen werden. Hoheitsfunktionen sind internationale Standardisierung, Vorbereitung der Gesetzgebung, Frequenzverwaltung, Zulassung und Aufsicht über die Unternehmen.

Auf der Unternehmensebene werden drei Unternehmen mit eigenem Vorstand geschaffen, die für Postendienste, Bankdienste und Telekomunikation zuständig sind. Die Aufsicht über die Unternehmen wird in wesentlichen die Tarife im Monopolbereich betreffen, die Einhaltung von Infrastrukturanflagen und die Verhinderung wettbewerbsverzerrender Subventionen.

Innerhalb der Telekom können sach ordnungspolitischen Gesichtspunkten drei Bereiche unterschieden werden:

- der Monopolbereich mit den Übertragungsleistungen der öffentlichen Netze und dem Telefondienst,

- der Pflichtletstungsbereich, der angeboten werden muß und dem Infrastrukturauflagen gemacht werden können,

- der freie Leistungsbereich, dem die Mehrzahl der Mehrwertdienste und das Endgerätegeschäft zuzuordnen sind.

Netzmonopol ist nicht mehr uneingeschränkt

Das Netzmonopol beinhaltet nicht die Vermittlungseinrichtungen, denn jeder Dienste-Anbieter im Telekomunikationsbereich benötigt zumindest eine eigene Vermittlung,

wenn er seine Angebote vermarkten will. Ebenfalls nicht vom Netzmonopol erfaßt wird die Satellitenkommunikation mit Geschwindigkeiten unterhalb von 15 KBit/s je Übertragungskanal. Im Bereich der Mobilfunk-Kommunikation sind ebenfalls Ausnahmen vom Netzmonopol vorgesehen. So soll im Bereich des digitalen Funktelefonnetzes D ein zweiter Netzbetreiber lizenziert werden, bei öffentlichen Funkrufdiensten (Eurosignal) sollen weitere Anbieter zugelassen werden und beim Betriebsfunk (zum Beispiel Taxifunk) dürfen zukünftig ebenfalls private Dienstleistungsunternehmen in Konkurrenz zur Telekom Funkdienste für Dritte anbieten.

Im "Pflichtleistungsbereich" und im "freien Leistungsbereich" tritt die Telekcom in Wettbewerb zu privaten Anbietern. Letztere werden lediglich als Diensteanbieter registriert und unterliegen ansonsten keinen regulatorischen Auflagen. Die Telekom dagegen wird im Pflichtleistungsbereich politische Auflagen erhalten, das heißt ein Teil der Telekommunikationsdienste wird asymmetrisch reguliert.

Aus regulatorischen Überlegungen wird die Telekom zumindest in zwei getrennte Erfahrungsbereiche (Profil-Center), nämlich den Monopol- und den Wettbewerbsbereich, untergegliedert werden müssen.

Telekom-intern könnten ein Reihe weiterer Profit-Center gebildet werden, um eine sinnvolle, nach Absatzmarktsegmenten gegliederte Aufbauorganisation zu verwirklichen. Insgesamt könnte mit dieser Struktur die Telekom zu einem stärkeren Wettbewerber werden, als es der Fernmeldebereich der Post zur Zeit darstellt. Eine weitere wesentliche Verbesserung wäre dadurch zu erreichen, daß das System politischer Direkteingriffe in unternehmerische Entscheidungen abgelöst wird durch einen politischen Zielrahmen, innerhalb dessen betriebswirtschaftlich geführt wird.

Auch im ablauforganisatorischen Bereich lassen

die Reformentwürfe Spielräume zur Effizienzsteigerung bei der Telekom erkennen. Im Bereich der freien Leistungen werden auch der Post neue Möglichkeiten erschlossen.

Post kann auf neuen Feldern aktiv werden

Weltweit ist ein Trend zur horizontalen und vertikalen Integration von EDV, Telekommunikationsdiensten, Endgeräten und Bürokommunikation zu beobachten. Aufgrund der bisherigen Auslegung des Subsidiaritätsprinzips war die DBP bei Durchführung einer entsprechenden Produktpolitik jedoch behindert, vor allem bei einem Engagement im Bereich der Softwareentwicklung, bei Bürokommunikationsmitteln, EDV Einrichtungen und Mehrwertdiensten, die keinen sehr hohen Telekommunikationsanteil haben. In Zukunft wird ihr hier eine größere Freiheit zugebilligt werden müssen.

Da der freie Bereich auch keinen Infrastrukturauflagen unterliegt wird eine marktwirtschaftlich orientierte Preis- und Konditionenpolitik sowie eine effiziente Absatzkanalwahl möglich. Auch die personalpolitischen Vorschläge der Regierungskommission mit mehr Leistungsanreizen im Besoldungs- und Laufbahnrecht sowie die Möglichkeit der Einstellung erfahrener Privatwirtschaftsmanager in Führungspositionen kann zu einer Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit der Telekom führen.