Anwenderbericht Internationale Schuh-Moden Heinrich Krämer, Lippstadt.

MDT-Anlage war eine Schuhnummer zu klein

27.04.1979

Hohe Lieferbereitschaft ist eine Starken der Firmen Internationale Schuh-Moden Heinrich Krämer in Lippstadt-Rixbeck. Wenn ein Auftrag bis Mittag telefonisch geordnet ist, geht die Ware noch am gleichen Tag hinaus. Diese Schnelligkeit setzt eine äußerst flexible interne Ablauforganisation voraus. Das Unternehmen arbeitet mit einem Magnetplattensystem 8870/2 von Nixdorf .Clou des Ganzen: Von den monatlich rund 5000 Mark Hardwardwaremiete kommen zwischen 2000 Mark und 2200 Mark allein durch Portoersparnis wieder herein, da die täglich rund 150 Rechnungen den Lieferungen beigepackt werden kommen. Das gilt auch für Sofortaufträge. Jeden Tag sind so für etwa 90 Mark Briefmarken weniger zu kaufen.

Das Unternehmen Heinrich Krämer wurde 1939 von dem damals 29jährigen gleichnamig heutigen Seniorchef als Großhandlung für Schuhnmacherbedarf und Schuhwaren gegründet. Gut 40 Jahre später ist das Unternehmen ein Schuhgroßvertrieb und Importeur von Schuhwerk vor allem aus Italien, Spanien Jugoslawien und Fernost. Der Sortimentsschwerpunkt liegt bei modischen Sport- und Freizeitschuhen. Seit rund fünf Jahren werden - vor allem im Ausland - auch exklusive Modelle nach Entwürfen des Hauses gefertigt, die inzwischen einen Umsatzanteil zwischen 20. und 30 Prozent erreicht haben.

Heinrich Krämer ist Vertragslieferant mehrerer Einkaufsvereinigungen des Einzelhandels. Sie beschäftigt 40 Mitarbeiter, davon acht Reisende, die den Schuhfachhandel - vorwiegend in Nordrhein-Westfalen - besuchen. Zweimal jährlich wird ein farbiger Katalog mit den Neuheiten der Saison aufgelegt und an die Kunden versandt. Pro Saison werden rund 350 000 Paar Schuhe verkauft, davon über 50 Prozent über die Vororder. Eigene Lieferfahrzeuge bedienen ein Gebiet im Radius von etwa 100 Kilometern um den Standort Lippstadt-Rixbeck. Der Umsatz betrugt 1978 rund 15 Millionen Mark. Er hat sich seit 1971 verdreifacht. Der Datenanfall ist in dieser Zeit überproportional gestiegen.

Die EDV-Historie des Unternehmens ist typisch für einen rasch wachsenden mittelständischen Betrieb. Bis 1974 beschränkte sich die DV-Technik auf Fakturier- und Buchungsautomat. Dann kam ein Magnetkontencomputer 820/15 von Nixdorf ins Haus, auf dem die Finanzbuchhaltung und die Lohn- und Gehaltsabrechnung gefahren wurden. Die Auftragsbearbeitung und die Warenbewirtschaftung erledigte man weiterhin manuell, da hierfür der organisatorische Spielraum des MKC nicht ausreichte. Die einschlägigen Arbeitsabläufe waren sehr zeitaufwendig. Das galt vor allem für die Vororder (das sind jene Aufträge, die disponiert werden, bevor die Modelle lieferbar sind). Diese Vorabbestellungen wurden in Form einer Strichliste auf ehe Dispositionskarte übertragen und dann manuell addiert, um die jeweilige Gesamtbestellmenge zu ermitteln. Nach der Fakturierung war die Liefermenge pro Kunde abzutragen und die Gesamtliefermenge je Größe zu berichtigen. Übertragungsfehler traten relativ häufig auf. Eine Mitarbeiterin verbrachte den ganzen Tag mit dieser Arbeit. Ehe weitere hatte die Hälfte ihrer Arbeitszeit damit zu tun, die Erlösschmälerungen beim Verkauf von älteren Modellen statistisch für die Inventurbewertung festzuhalten, da das Finanzamt diesen Nachweis verlangt (für Wertberichtigungen).

Probleme bei der Fakturierung

Probleme gab es auch bei der Fakturierung. Ein mechanischer Automat schaffte die Arbeit nicht mehr. Das Haus wäre so gezwungen gewesen, sich eine zweite Fakturiermaschine zuzulegen, wenn sie nicht auf ein höherwertiges EDV-System umgestiegen wäre. Der Entschluß zu diesem Schritt fiel dem Unternehmen wegen der sich abzeichnenden Vorteile leicht. Aufgrund der mit dem Hersteller des Magnetkontencomputer gemachten guten Erfahrungen verzichtete man auf eine gründliche Marktsondierung (beim Kauf des MKC hatte man das getan) und vertraute als EDV-Aufsteiger ganz auf die Hardware und die organisatorische Lösung der Paderborner.

Organisationsberater Manfred Elsner riet zu einem dialogorientierten Magnetplattensystem, da nur eine solche Anlage aufgrund des Mengengerüsts und der qualitativen Wünsche an die Datenauswertung den notwendigen organisatorischen Spielraum bieten konnte. Krämer befolgte diesen Rat.

Es wurde folgende Konfiguration des Magnetplattensystems 8870/2 installiert:

- Zentraleinheit mit 72 KB Hauptspeicher;

- 3 Bildschirmarbeitsplätze (960 Zeichen) mit integrierter Tastatur;

- Magnetplattenstation mit 2 Laufwerken (Gesamtkapazität 12 MB)

- 2 Nadeldrucker (150 Zeichen/Sekunde).

Ein Bildschirmterminal kam in die Buchhaltung, es übt dort zugleich Konsolfunktionen aus, das zweite hat seinen Standort im Versand und das dritte im Einkauf. Die beiden Drucker stehen in der Buchhaltung und im Versand. In vorstehender Ausbaustufe zahlt der Anwender für die Hardware inklusive Lizenzgebühr für das Betriebssystem und technischen Kundendienst bei einem Fünf-Jahres-Vertrag monatlich 5000 Mark. Hinzu kamen einmalig für die Anwendersoftware und die Einweisung der Mitarbeiter rund 30 000 Mark.

Da die von Internationale Schuhmoden gewünschten individuellen Arbeitsabläufe der Auftragsbearbeitung und der Lagerbewirtschaftung in keinem Standardpaket von Nixdorf enthalten waren, mußte dieser Programmkomplex (in Cobol oder Degas für die Erfassungsmasken) neu geschrieben werden. Diese Arbeit übernahm der Hardwarelieferant. Für die Finanzbuchhaltung und die Lohn- und Gehaltsabrechnung konnten dagegen Standardapplikationen von Nixdorf (Kompass) eingesetzt werden, da hier keine branchenspezifischen Besonderheiten zu berücksichtigen waren.

"Die Mitarbeiter meuterten etwas"

Das Magnetplattensystem 8870/2 wurde Ende Oktober 1978 installiert. Zwei Monate benötigte der Anwender um die Stammdaten auf Platte zu haben. Unter anderem galt es, die Vororder von einer Saison und den Artikelbestand zweier Saisonen zu erfassen. Die notwendigen innerbetrieblichen Umstellungen für eine magnetplattenorientierte EDV-Organisation würden von langer Hand vorbereitet. Schon etwa ein Jahr vorher begann Krämer, computergerechte Nummernschlüssel aufzubauen und den Artikelbestand nach Warengruppen (unter anderem für die Erlösrechnung) zu ordnen. Anfangs meuterten die Mitarbeiter etwas und meinten, die neue Systematik werde nicht funktionieren, doch als der Computer dann kam, hatte man sich schon längst an die neue Organisation gewöhnt. So waren zu Beginn dieses Jahres, als die praktische Arbeit mit der 8870/2 begann, kaum mehr psychologische Widerstände der Betroffenen zu verspüren. Es machte sich bezahlt, daß der Anwender nicht Knall auf Fall an die Sache herangegangen war. Störungen im täglichen Arbeitsablauf traten während der Umstellungsphase nicht auf.

Durch den Computer konnten in der Auftragsbearbeitung und in der Lagerbestandsführung die Arbeitsabläufe wesentlich rationalisiert und die Datentransparenz dieser Bereiche erhöht werden. Die Artikeldateien sind so aufgebaut, daß eine Lagerbestandsführung nach Artikeln und innerhalb dieser nach Größen möglich ist. Es gibt sechs verschiedene Größenraster. Für den Verkauf kompletter Sortimente ist auf einer Datei festgehalten, wieviel Paar Schuhe von jeder Größe zu einem Sortiment gehören und welche Preisabstufungen bestehen.

Die Auftragsbearbeitung besteht aus folgenden Programmen:

- Vororder mit Reservierung (Vororderbewirtschaftung);

- Bestelldisposition

- Auftragsbearbeitung (für Lieferungen ab Lager);

- Fakturierung mit Vertreterprovisionsabrechnung;

- Debitorensollstellung;

- Statistiken.

Jeder Auftrag wird vom Urbeleg über einen Bildschirmarbeitsplatz direkt erfaßt. Nach Eingabe der Kundennummer erscheinen zur visuellen Kontrolle auf dem Display die Stammdaten und Konditionen des Kunden. Die Kopfdaten sind um Verkäufernummer, Versandart und Liefertermin zu ergänzen. Als nächster Schritt ist die Artikelnummer einzugeben. Modellbezeichnung, Farbe, Preisstaffel und das Größenraster werden auf dem Bildschirm eingeblendet. Durch logische und formelle über das Programm gesteuerte Plausibilitätskontrollen ist bei der Vororderabwicklung die Fehlerrate wesentlich geringer als bei dem vorherigen manuellen Verfahren.

Mehr dispositive Daten

Die Firma Heinrich Krämer konnte durch den Einsatz eines Magnetplattensystems nicht nur die Arbeitsabläufe in den verkaufsorientierten Bereichen rationalisieren, sie bekommt auch wesentlich mehr dispositive Daten als früher. So liegt jetzt täglich eine Roherlösauswertung nach diversen Kriterien vor. Mittels aktueller Bestandslisten können durch die Sonderaktionen weniger gut gehende Artikel werblich besonders hervorgehoben werden, bevor sie den Status eines "Ladenhüters" annehmen. Durch die Dialogverarbeitung stehen alle gespeicherten Daten im Direktzugriff. Mit der 8870/2 wurde auch ein für die Branche besonders schwieriges Problem gelöst, die lückenlose Erfassung des Lagerbestandes nach Größen. Die Applikationen des Lippstädter Anwenders sind übertragbar auf Betriebe vergleichbarer Struktur, auch in anderen Branchen, zum Beispiel in der Textilwirtschaft.

*Ulf Bauernfeind ist freier EDV-Fachjournalist.