Supercomputing Europe Conference London

Massiv parallel wird mit der Zeit immer salonfähiger

26.01.1990

LONDON (CW) - Die überraschend gut besuchte Konferenzmesse Supercomputing Europe '90 bot nicht nur Intels Enthüllung der 860-Maschine mit 128 Prozessoren. Mit auf den Weg gab es die Botschaft, daß in Sachen Entwicklung von Systemsoftware und Sprachen für massiv parallele Architekturen ernst gemacht wird. Trend im Set der Anwender-Gemeinde: Zu Wort melden sich vermehrt User aus dem Finanzbereich.

Die Anwender unter den gut 200 Teilnehmern bekamen es direkt oder indirekt - deutlich zu hören: Wenn man für das Jahr 2000 Maschinen mit hunderten Tera-Flops erwarte, dann gehe dies nur über massiv parallele Architekturen mit zigtausenden von Prozessoren.

Das Problem ist die Software-Seite. Bislang galten diese parallele Architekturen als Exoten: Systeme etwa mit 64K Knoten entwickeln zwar an die hundert Giga-Flops, doch nutzbar gemacht wurde diese Peak-Performance nur im Falle sehr spezifischer Anwendungsalgorithmen, die vorwiegend im universitären Feld anzutreffen waren. Worauf man sich nun konzentrieren will, ist ein allgemeines Betriebssystem, das Anwendungen mit parallelen Prozessen das Laufen auf verschiedenartigsten Hardware-Umgebungen erlaubt. Überdies sollen Giga-Flops bereits in sehr naher Zukunft auch auf dem Desktop nutzbar werden, was einen hohen Bedarf an Applikationsentwicklung bedeutet.

Der Weg dorthin könnte über die Programmierung "Abstrakter Maschinen" gehen, was von Problemen wie dem Timing paralleler Prozesse und der Knoten-Kommunikation befreit.

Intel trägt nun ein gutes Stück dazu bei, daß die einstige Exoten-Gattung - vom "Inmos" Transputer über Meiko-Scientific und N-Cube bis zu Thinking Machines - rapide salonfähig wird. Insbesondere zeigten Evaluationsberichte von Häusern wie Serc Labs und Ncar (US-Atmospheric Research), daß die Parallel-Maschinen IPSC/2 (386er) und IPSC/860 im Vergleich zu Cray-XMPs und -YMPs sehr respektable Leistungen bringen und wohl auch nicht so schwer zu programmieren sind.

Indessen konnte die breite User-Gemeinde, die auf traditionelle Architekturen (Shared Memory) setzt, vernehmen, daß zumindest für die nächsten Jahre noch ein Performance-Spielraum bleibt. So versuchte Cray seine Klientel mit der Vision eines YMP-Nachfolgers noch in diesem Jahr bei Laune zu halten, der 16 Prozessoren, doppelte Vector-Geschwindigkeit und -Länge, ein Vierfaches an Memory und ein mächtigeres I/O-System haben wird. An einer weiteren Maschine mit noch mehr Prozessoren (GaAs) würde gearbeitet.

Die Zeit drängt jedoch: Was die schnellste Single-Prozessor-Maschine betrifft, so hat heute ohnehin NEC die Nase vorn. Bewundernde Anerkennung fand Tadashi Natawabe mit der Erläuterung seines neuen Kindes SX-3: Mit 5.5 Gigaflops leistet jeder der vier Prozessoren dreimal soviel wie die acht Prozessoren einer YMP zusammen. In Sachen Marketing will NEC jedenfalls vieles besser machen als bisher - und von April an in den nächsten drei Jahren stattliche 120 Maschinen unterbringen. Daß Cray Research indessen schon sehr bald ins Geschäft der tiefpreisigeren Luftgekühlten einsteigen wird auch das vernahm der Teilnehmer definitiv.