Markt fuer Client-Server-Anwendungen waechst rasant Anwender: "Koexistenz" von Mainframes und C/S-Systemen

14.04.1995

MUENCHEN (CW/IDG) - Das laut IDC weltweit starke Wachstum im Sektor der Client-Server-faehigen Applikationssoftware legt die Vermutung nahe, dass Anwender mit Volldampf ihre Altanwendungen ausmustern und auf verteilte Systeme sowie neue Software setzen. Tatsaechlich halten sich aber zumindest US-Unternehmen noch zurueck. Weil sie an der Verlaesslichkeit von verteilten Systemen zweifeln, verfolgen sie eine Strategie der Koexistenz von Client-Server-Systemen und Mainframes.

Der weltweite Markt fuer Client-Server-faehige Anwendungssoftware wird laut einer Marktstudie der International Data Corp. (IDC) von 1994 bis 1997 um 273 Prozent auf ein Volumen von 16,3 Milliarden Dollar ansteigen. Schon im vergangenen Jahr nahmen diese Anwendungen mit 69 Prozent deutlich staerker zu als die Nicht-C/S- Applikationen, die nur um vier Prozent zulegten. Bis 1999, so IDC, sollen C/S-Applikationen bereits 44 Prozent aller verkauften Anwendungen ausmachen. Dabei verzeichnet das Segment Bildverarbeitung das staerkste Wachstum, gefolgt von kaufmaennischer Software, LAN-E-Mail und Fertigung.

Die drei erfolgreichsten Anbieter von C/S-Produkten sind SAP, Lotus und Oracle. Auch Microsoft, Peoplesoft, Computer Associates und Filenet gehoeren zu den zehn umsatzstaerksten Herstellern. Die C/S-Definition von IDC schliesst im Gegensatz zu frueheren Untersuchungen populaere LAN-Produkte wie cc:Mail und Microsoft Mail mit ein. Ausserdem betrachten die Auguren auch solche Anwendungen als Client-Server-faehig, die am Desktop ueber keine grafische Benutzer-Schnittstelle verfuegen. Folglich seien bei der Studie auch zeichenorientierte Schnittstellen-Produkte auf PC/DOS- Basis beruecksichtigt worden.

Trotz des prognostizierten Marktwachstums loesen amerikanische Anwenderunternehmen ihre Mainframes derzeit nicht durch Client- Server-Systeme ab, sondern fahren Grossrechner- und C/S- Architekturen nebeneinander. Zwar bringt die Koexistenz dieser Welten fuer die DV-Abteilung zusaetzliche Arbeit in Sachen Datensynchronitaet, Schnittstellen-Programmierung und Anwendungsintegration mit sich, aber die Firmen nehmen offenbar lieber den zusaetzlichen Aerger in Kauf, als mit zu umfangreichen Client-Server-Systemen zu scheitern.

"Die Komplexitaet, die das Nebeneinander dieser Welten mit sich bringt, akzeptieren wir, weil wir einen Kaltstart in die Client- Server-Welt fuer ein grosses Risiko halten", erklaert David Klimetz, Manager Accounting Systems bei der Federal Express Corp. in Memphis.

Langsame Migration wird bevorzugt Peter Marton, Vice-President von Technology Partners in Cambridge, Massachusetts, bestaetigt, dass viele Anwender die langsame Migration in die Client-Server-Welt bevorzugen. Angesichts der hohen Investitionen in Grosssysteme, die einen schnellen Wechsel verhinderten, lasse sich diese Strategie nachvollziehen. Andere Anwender setzen seiner Ansicht nach noch nicht voll auf Client-Server-Loesungen, weil sie die dafuer notwendigen organisatorischen Veraenderungen bisher noch nicht vorgenommen haben und die Applikationen auf zentralen Mainframes noch am besten funktionieren. "Nur eines von drei oder vier Unternehmen verfolgt einen revolutionaeren Ansatz, die anderen gehen konservativer an die Sache heran", meint der Berater.

Zur Zeit ist beispielsweise Federal Express dabei, eine selbstentwickelte Finanzanwendung durch eine Client-Server- Software von Dun & Bradstreet zu ersetzen. Allerdings wird das Altsystem, das waehrend der Monatsabschluesse ueber eine Million Transaktionen bewaeltigt, zunaechst weiter auf dem Mainframe laufen. Erst nach dem Abschluss werden die Daten bei Bedarf auf das neue System heruntergeladen.

Erst wenn sichergestellt sei, dass man die Leistungs- und Volumenanforderungen mit einem Client-Server-System erfuellen koenne, werde man komplett umsteigen, bremst Federal- Express-Mann Klimetz. "Heute koennen wir das noch nicht."

Auch Cinda Hallman, Vice-President Global IS von Du Pont, wird in absehbarer Zukunft die Kernprozesse des Unternehmens weiter mit der Mainframe-Software R/2 von SAP unterstuetzen. Die Unix-basierte Client-Server-Software R/3 werde dort eingesetzt, wo eher interaktive und grafisch orientierte Systeme Sinn machten. "Wir glauben, dass wir mit unserem Transaktionsvolumen etwas Verlaesslicheres brauchen", sagt die IT-Managerin.

Die Steelcase Inc., zwei Milliarden Dollar schwerer Hersteller von Bueromoebeln in Michigan, setzt ebenfalls auf Koexistenz. Zwar hat das Unternehmen vor kurzem die Migration von zwei Finanzanwendungen auf SAP R/3 abgeschlossen, faehrt aber bis auf weiteres auch Finanzsoftware auf dem Mainframe. Laut Diane Schwarz, verantwortliche Managerin fuer diese Systeme, nahm das Schreiben von Interfaces, die die Client-Server-Applikationen mit der Mainframe-basierten Software verbinden, die meiste Projektzeit in Anspruch. Kurzfristig bedeute die gleichzeitige Betreuung von Mainframe- und C/S-Systemen eine "Verdoppelung der Kosten". In Kauf genommen wuerden diese zusaetzlichen Aufwendungen, weil ein Big-Bang-Ansatz ein zu grosses Risiko berge.