Manpower-Klemme

09.01.1981

In ihren Antworten auf eine CW-Erhebung zum Jahreswechsel (In der Computerwelt herrscht "Friede, Freude, Eierkuchen", Seite 16 und 17) weichen fünf DV-Manager der wichtigsten Frage nicht aus, der Frage, wie der Personal-Engpaß in der Datenverarbeitung beseitigt werden kann.

Die Empfehlungen reichen von "bessere Grundausbildung" und "zusätzlich breiter Einsatz von Seminaren im Hause" über "Verwendung von Standard-Software" bis zu "stärkere Motivation für den Job des DV-Spezialisten" - freilich immer verbunden mit der resignierenden Feststellung, daß sich an der bestehenden Manpower-Klemme so bald nichts ändern werde.

Die befragten CW-Leser, allesamt keine Wunderknaben der Zunft, treffen damit genau ins Schwarze: Für die nächsten Jahre sind keine wesentlichen Veränderungen der Arbeitsmarktlage auf dem DV-Sektor zu erwarten. Einer merklichen Entspannung stehen Tatsachen entgegen, die der Computerbenutzer allein nicht überwinden kann:

- Die angebotenen Software-Werkzeuge (Compiler, Generatoren etc.) sind für eine Vorgehensweise, wie sie bei Entwurf, Implementierung und Pflege von DB/DG-Programmen gefordert wird, nur bedingt tauglich.

- Die Anforderungen der Fachabteilungen wachsen .

- Die Ausbildungs-lnstitutionen können den steigenden Nachwuchsbedarf nicht decken.

Nehmen wir das Ausbildungsproblem: Es ist sicher richtig, für eine praxisnähere DV-Ausbildung an Grundschulen, Oberschulen und Fachschulen zu plädieren - dort liegt gewiß manches im argen.

Nur sollte man sich nicht der Illusion hingeben, mit einer verbesserten Grundausbildung sei das Personalproblem, das in erster Linie ein Qualifikationsproblem ist, aus der Welt geschafft. Grund- beziehungsweise Erstausbildung - beim Hersteller, bei privaten oder öffentlichen Einrichtungen - bringt vielleicht 30 Prozent der für die Profession und die Tätigkeit des DV-Spezialisten erforderlichen Qualifikation. Der Rest ist "training on the job".

Es ist demnach müßig, über die praxisferne Ausbildung an Fachschulen, Fachhochschulen und privaten Ausbildungsstätten zu jammern. Einem nackten Mann kann man nun mal nicht in die Tasche fassen - wohl aber einem Finanzboß, der im Unternehmen - unter anderem - für die Datenverarbeitung zuständig ist. Will sagen: Was hilft es, wenn die Notwendigkeit innerbetrieblicher Ausbildung am Computer zwar vom DV-Chef erkannt, dem Top-Management jedoch nicht so plausibel gemacht wird, daß die nötigen Gelder fließen.

Berufsanfänger, ob sie nun von der Schulbank oder aus der Fachabteilung kommen, sind eine Zeit lang "nicht produktiv", wie es im Branchenjargon heißt. Sie belasten das DV-Budget. Sollte es nicht möglich sein, diese DV-Ausbildungsinvestitionen vor der Geschäftsleitung zu rechtfertigen? Diese Frage berührt das Verhältnis von DV und Top-Management. Und das ist immer noch gestört.

Zugegeben: Die Computerleute haben heute weniger Freiheiten als früher. Selbstherrlichkeit ist nicht mehr gefragt. Aber läßt die Unzufriedenheit vieler Bosse mit "ihrer" DV darauf schließen, daß "ganz oben" bereits Know-how existiert, die Computerei als Informationsbeschaffung zu verstehen? Dies behaupten wohl nur die Hersteller. Aus gutem Grund: Computer-lnvestitionen eines uninformierten Top-Managements resultieren aus "ln-der-Masse-stirbt's-sich-leichter"-Entscheidungen.

Man kann nur hoffen, daß es genug DV-Spezialisten gibt, die diesen Hokuspokus durchschauen.