Telecom 99/Gerüchte um Verhandlungen zwischen der Telekom und SBC

Management von Global One krempelt die Ärmel hoch

15.10.1999
GENF (CW) - Das Management von Global One gibt Durchhalteparolen aus. Geht es nach Interimschef Michel Huet, hat das Joint-venture von Telekom, France Télécom und Sprint trotz des Zerwürfnisses zwischen den Deutschen und Franzosen sowie der möglichen Übernahme von Sprint durch MCI-Worldcom eine Überlebenschance. Im Extremfall will das Unternehmen im Alleingang weitermachen.

Sind die Tage von Global One gezählt? Eine Antwort auf diese Frage konnten und wollten die Verantwortlichen auf einer mit Spannung erwarteten Pressekonferenz anläßlich der Telecom 99 in Genf nicht geben. Michel Huet, kommissarischer Nachfolger des im Juni überraschend zurückgetretenen Vorstandsvorsitzenden Gary Forsee, sagte lediglich, zumindest einer der Gesellschafter habe zugesichert, an Global One festhalten zu wollen.

Es wirkte fast wie eine Trotzreaktion, als Huet betonte, sein Unternehmen sei unabhängig und könne am Markt auch bestehen, wenn alle drei Eigentümer einen Rückzieher machen. "Wir haben die Hilfe der Gesellschafter vor vier Jahren benötigt, aber jetzt besitzt Global One ein eigenes Netzwerk, eigene Kunden und eine kritische Masse", unterstrich Fred Rucker, Executive Vice-President Sales und Marketing, das Plädoyer von Huet.

Wie Rucker mitteilte, betreut der Service-Provider unterdessen weltweit über 30000 Kunden, 200 davon sind multinationale Konzerne. Einer Statistik der ITU zufolge verbuchte Global One vergangenes Jahr 14,3 Prozent des internationalen Sprach- und Datenverkehrs für sich und belegt damit Rang zwei.

Auszeichnung in der Kategorie "bester Carrier"

Die stark sinkenden Margen im Telefonmarkt zwingen Global One jedoch dazu, seine Geschäftsstrategie zu ändern und zusätzliche Umsatzquellen aufzutun. Demzufolge wird der Dienstleister sein Angebot an IP- und Daten-Services weiter ausbauen. Außerdem plant die Company, mit Softwareherstellern zu kooperieren, um Client-Applikationen anzubieten, die von einer Global-One-Datenbank geladen werden können.

Geht es nach dem Willen von Huet, ist mit Pleiten, Pech und Pannen jetzt Schluß. Die Firma habe in diesem Jahr allein 500 Millionen Dollar in den Ausbau der Infrastruktur gesteckt. Außerdem seien die Servicequalität sowie Produktpalette optimiert und die Kosteneffizienz gesteigert worden. Damit sind nach Meinung des CEO die Weichen in Richtung Profitabilität endgültig gestellt. Dennoch mußte das Management einräumen, daß der Umsatz im ersten Halbjahr rückläufig war und auch weiterhin hohe Verluste anfallen.

Die Zukunft des weltweiten Anbieters von TK-Diensten für multinationale Unternehmen steht also weiter in den Sternen. Eine groteske Situation. Ausgerechnet jetzt, wo Global One auf der Telecom 99 in der Kategorie "Best Carrier" als Sieger prämiert wurde und in Gang zu kommen scheint, droht das Aus. Klar ist aber auch: Mit der bestehenden Gesellschafterkonstellation kann und wird es nicht weitergehen.

Als Global One vor vier Jahren an gleicher Stelle medienwirksam aus der Taufe gehoben wurde, dachten die wenigsten - schon gar nicht die drei Gesellschafter -, das Joint-venture könnte den Bach hinuntergehen. Eifersüchteleien zwischen den Eigentümern, unterschiedliche Netztechniken und ineffiziente Organisationsstrukturen machten das Gemeinschaftsunternehmen jedoch zum Zankapfel und bescherten den Eignern Milliardenverluste.

Die Spannungen hinter den Kulissen gipfelten im März dieses Jahres im offenen Streit zwischen der Telekom und France Télécom, nachdem die Deutschen beabsichtigten, mit der Telecom Italia zu fusionieren. Darüber erbost warf Michel Bon, Chef des französischen Carriers, seinem deutschen Kollegen Ron Sommer den Fehdehandschuh hin und verklagte die Telekom auf Schadenersatz. Der Riß zog sich auch durch Global One, dessen Existenz außerdem durch den Dritten im Bunde, den US-Carrier Sprint, in Frage gestellt wird.

France Télécom signalisiert Interesse an Global One

Sprint, das über die Beteiligung an Global One auch nicht mehr glücklich war, dürfte als Gesellschafter ohnedies bald ausscheiden. Eine Kaufofferte des Konkurrenten MCI-Worldcom in Höhe von 236 Milliarden Mark verbietet aus kartellrechtlichen Gründen den Verbleib der Amerikaner in der Allianz.

Bleiben France Télécom und die Telekom. Trotz ihres Zerwürfnisses haben sich die Spitzen der beiden Konzerne darauf verständigt, gemeinsam so schnell und billig wie möglich die Anteile von Sprint an Global One zu erwerben. Derzeit wird der Gesamtwert des Joint-ventures auf 30 Milliarden Dollar geschätzt.

Wer von beiden Global One dann weiterführen wird, ist noch offen. Das größere Interesse an Global One scheinen die Franzosen zu haben. Bon signalisierte in Genf verhaltenes Interesse und meinte: "Einer der aktuellen Anteilseigner wird bald der alleinige Eigentümer sein." Eine Entscheidung werde vermutlich innerhalb der nächsten zwei Monate fallen.

Eher anti Global One ist hingegen eine Äußerung von Sommer zu interpretieren, der gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Focus" sagte: "Wenn die Franzosen einen guten Preis bieten, können sie Global One komplett haben."

Der Telekom-Chef scheint sich indes, nachdem mit Sprint der bisherige US-Partner verlorengeht, nach einem neuen amerikanischen Kompagnon umzusehen. Gerüchten zufolge soll der Carrier mit SBC Telecommunications in Verhandlungen stehen. Der Umsatz des US-Anbieters wird auf 45 Milliarden Dollar geschätzt. SBC deckt ein Drittel aller amerikanischen Telefonverbindungen ab und ist in 22 Staaten der Welt in Asien, Afrika, Europa sowie Nordamerika vertreten.