Kurze Innovationszyklen zwingen zu raschen Entscheidungen

Management-Systeme sollen Wettbewerbsvorteile sichern

07.12.1990

* Willy Frings ist Direktor Marketing bei Thorn EMI Software TECS

Die immer kürzeren Produktzyklen setzen das Management vieler Unternehmen unter einen ständig wachsenden Druck. Rasche Entscheidungen werden dadurch zum Schlüsselfaktor im Wettbewerb. Um hier der Gefahr von gefährlichen und folgenschweren Schnellschüssen zu

entgehen, empfiehlt Willy Frings* den Einsatz von Executive-Informationssystemen.

Derzeit findet in europäischen Unternehmen eine Revolution statt. Im wesentlichen handelt es sich dabei um eine kulturelle Revolution. Auch wenn sie in vielerlei Hinsicht nicht offen zutage tritt, werden künftig beträchtliche Wirkungen für die Entscheidungsfindung in Unternehmen von ihr ausgehen.

Grundsätzliche Mängel bei traditionellen Systemen

Namhafte Unternehmen sind dabei, ihre bisherigen Entscheidungsprozesse einer gründlichen Revision zu unterziehen und dabei die Arbeitsweise der Geschäftsführung zu ändern, in dem Bestreben, ihre Wettbewerbsvorteile in immer gesättigteren Märkten zu halten. Eine vor kurzem durchgeführte Studie unter Führungskräften der "Fortune 500"-Unternehmen machte die Probleme deutliche mit denen Unternehmen in dieser Hinsicht konfrontiert werden. Dabei zeigten sich einige grundsätzliche Mängel bei den traditionellen Management-Informationssystemen:

- Zu viele Informationen laufen zu spät ein, um im täglichen Geschäftsbetrieb überhaupt noch von Nutzen sein zu können.

- Die meisten Daten waren im Hinblick auf wichtige Fragen schlicht und einfach irrelevant,

- Soweit den Führungskräften nützliche Informationen zuflossen, lagen diese in unaufbereiteter Form vor, so daß Trends, Verhältniswerte und andere wichtige Kennzahlen schwer auszumachen waren.

- Relevante Rohdaten kamen üblicherweise ohne Kommentar oder Erklärung von jenen Mitarbeitern, die am ehesten in der Lage gewesen wären, sie näher zu beleuchten.

- Neue oder überarbeitete Berichte zu erstellen, dauerte mit den traditionellen Management-Informationssystemen zu lang.

Zu solchen Klagen kam es, weil diese Informationssysteme ausnahmslos eng umrissenen Aufgabenbereichen wie Auftragsabwicklung, Rechnungswesen oder Texterfassung dienen. Diese Spezialisierung hat zur Folge, daß sich derartige Systeme nur seiten als effizientes Kontrollhilfsmittel, für die Geschäftsleitung eignen.

Ein Anzeichen für eine grundlegende Wandlung, zeichnet sich derzeit durch den Einsatz von Executive-Informationssystemen (EIS) auf Geschäftsleitungsebene ab. Ein EIS besteht im wesentlichen aus einer automatisierten Methode, Führungskräften der oberen (und auch mittleren) Managementebene Informationen zuzuführen. Diese sollen so aufbereitet sein, daß sie ohne zusätzlichen Aufwand absorbiert und weiterverwendet werden können. Dazu gehört, daß irrelevante Datenmassen erst gar nicht auf die Chef-Schreibtische kommen.

Ziel der EIS-Systeme ist es, den Managern ein Werkzeug an die Hand zu geben, das ihnen einen möglichst realistischen Überblick über die Lage in ihren Unternehmen gibt. Nur auf dieser Basis können Entscheidungen gefällt werden, die positiv auf die Geschäftsergebnisse durchschlagen.

Im Mittelpunkt des Interesses steht also die Qualität der Geschäftsleitung, Im Gegensatz zum Management der Qualität, bei dem es darum geht, "es besser zu machen", ohne sich unbedingt zu fragen, ob man es überhaupt machen sollte, geht es bei der Qualität des Managements um den großen Überblick und darum, die Geschäftsaktivitäten in ihrer Gesamtheit zu verstehen.

Ein EIS ist noch kein Allheilmittel

In der Vergangenheit neigte Rank Xerox England dazu, sich auf die Produktdifferenzierung als Hauptfaktor für den Geschäftserfolg zu konzentrieren. Doch der Lebenszyklus "einmaliger" Produkte wird immer kürzer, und so schwindet sehr schnell die Möglichkeit, die Führerschaft auf dem Markt nur auf dieser Grundlage zu erringen und zu halten.

Das Unternehmen sucht daher nach dauerhaften Kriterien. Dazu Chris Bowman, Director of Business Management Systems bei Rank Xerox: "Wir haben uns für ein Executive-Management-Support-System entschieden, das zwar den Computer-orientierten Manager voraussetzt, umgekehrt aber eine große Informationsbreite in leicht verdaulicher Form vermitteln kann.

Bowman will eine ausgedehnte Unternehmensbürokratie vermeiden und eine koordinierte Einsicht in die Zusammenhänge im Gesamtunternehmen fördern. Nur mit abteilungsübergreifendem Wissen ist es möglich, Chancen rechtzeitig zu erkennen.

Unglücklicherweise ist die Einrichtung eines EIS allein noch kein Allheilmittel. Ein vor kurzem erschienener Bericht in "Business Intelligence" sprach von 15 verschiedenen EIS-Systemen auf dem Markt. In vielerlei Hinsicht ist die Entscheidung für ein System ausschlaggebend für den Erfolg oder Mißerfolg. Wer die Installation eines EIS erwägt, muß über das Werbegetöse hinausblicken können, von dem diese Produkte umgeben sind.

Am einen Ende der Skala liegen Systeme, die einer kleinen Zahl von Benutzern einfache Funktionalität bereitstellt. Produkte für dieses Marktsegment sind gewöhnlich kaum mehr als traditionelle Decision-Support-Systeme. Wie zu erwarten, ist deren Auswirkung auf die unternehmerische Entscheidungsfindung minimal, da sie nichts weiter darstellen als eindrucksvollen Hilfsmittel für die Präsentation etwa von Monatsberichten in leicht verdaulicher Form.

Am anderen Ende der Skala liegen Systeme, die mit dem Ziel entwickelt wurden, einer großen Zahl von Benutzern ein breites Spektrum funktioneller Möglichkeiten anzubieten. Sie zeichnen sich durch ein hohes Maß an Flexibilität aus, die es den Benutzern ermöglicht, die Systeme exakt auf ihren Bedarf hin zu konfigurieren.

"Wir benötigten ein flexibles, unkompliziert anzuwendendes System das auf unseren Bedarf hin zugeschnitten und kurzfristig in den Produktiveinsatz gebracht werden konnte", kommentierte Tony Gourlay, zuständiger Senior-Manager für das EIS-Projekt in der Finanzabteilung der Lloyd's Bank. Eine weitere Anforderung war, daß das System datengesteuert sein sollte, um die gelegentlich anfallenden Änderungen in der Organisationsstruktur und im Management-Berichtswesen bewältigen zu können.

EIS als Kern eines Rahmenwerks

Zwar werden die meisten EIS zunächst im kleinen Rahmen auf Vorstands- oder Abteilungsebene implementiert, doch ihr Nutzen hängt letztlich von der Fähigkeit ab, sich zu einem unternehmensübergreifenden EIS zu entwickeln, das Hunderte von Benutzer in einem breiten Spektrum von Themen und Sachgebieten bedienen kann.

Ken Soha von Xerox äußerte sich gegenüber "Business Intelligence" anläßlich des EIS-Reports 1989 dazu folgendermaßen: "Wir haben den Einsatzwert dieser Systeme unterschätzt. Unsere Führungskräfte fanden allein die Erleichterung im Kommunikationsbereich erstaunlich."

Ein EIS sollte den Kern eines Rahmenwerks für ein Execute-Support-System bilden, statt sich als Spitze über die klassische Informationshierarchie zu stülpen" Dafür muß es sich gänzlich in die MIS-Umgebung sowie in die Finanz- und Marketing-Supportsysteme des Unternehmens integrieren lassen. Dasselbe gilt für die Einbindung in die Bürosysteme des Unternehmens (Textverarbeitung, Telefax, E-Mail). Nützlich wäre auch die Fähigkeit, Daten von "Value Added Networks" und externen Nachrichtendiensten wie Newsfile, Reuters und FT-Profile übernehmen zu können.

Erfahrungsgemäß kommt der Anstoß für die Einführung und Implementation eines EIS von einer Führungskraft. Dies kann der MIS-Manager, der Finanzdirektor oder auch der Vorstandsvorsitzende sein. Um de n Nutzen von EIS von zu entfalten, müssen sich individuelle Wünsche den unternehmensweiten Anforderungen unterordnen. Die Entscheidung über die nötigen Features sollte bei einem Team liegen.

So stellte sich bei Cofadel, dem Geschäftsbereich Unterhaltungselektronik bei Thomson, heraus, daß ein EIS gebraucht wurde, das vor allem Marketing-Entscheidungen unterstützt. Überschwemmt mit Verkaufszahlen von Konkurrenzunternehmen, die aus einer Vielzahl von Quellen stammten, benötigte das Management eine Möglichkeit, diese Daten in einer Form darzustellen, die leicht zu verstehen und gleichzeitig aktuell und genau war.

Eines der Leistungsmerkmale, auf die die Geschäftsführung von Cofadel besonderen Wert legte, war die Fähigkeit, Texte und numerische Daten aus verschiedenen Quellen in einer leicht verwendbaren Form zu verwalten und miteinander zu verbinden. Drei Gründe sprachen für diese Forderung. Erstens benötigen Führungskräfte gut präsentierte Übersichtsdaten, anhand derer für das Unternehmen wichtige Erfolgsfaktoren erkannt und verfolgt werden können.

Zweitens muß das System intuitiv und unkompliziert zu bedienen sein und die Führungskräfte in die Lage versetzen, aus dem gesamten System Informationen in beliebiger, für erforderlich erachteter Detailtiefe zu beziehen, ohne sich erst um umfangreiche neue Bedienungskenntnisse bemühen zu müssen. Entscheidend war jedoch die Gewährleistung der Datenintegrität.

Die Unterstützung von Echtzeit-Daten ist ein weiterer Aspekt, von dem abhängt, ob die Benutzer ein EIS akzeptieren oder nicht. Ein Hauptgrund dafür, daß ein solches Projekt fehlschlägt, liegt darin, daß die Verantwortlichen nur Monats-, Quartals- oder gar Jahresdaten

eingeben.

Die Zeitspannen haben sich für jeden verkürzt: Die Techniker müssen Produkte schneller zur Marktreife bringen, das Marketing muß rascher auf die Konkurrenz und auf Änderungen im Kaufverhalten reagieren, und die Führungskräfte müssen ihre Fähigkeit steigern, all diese sich beschleunigenden Vorgänge unter Kontrolle zu halten. Anwender, die sich daher auf wirklich neue Daten stützen wollen, verlieren da schnell das Interesse, wenn sie nur historische Daten abrufen können. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, die Informationen täglich zu aktualisieren.

Die EIS-Technologie kann die Entscheidungen zugunsten besserer Geschäftsergebnisse auf folgende Weise beeinflussen:

- Indem es die Führungskräfte in die Lage versetzt, ihre Aufmerksamkeit auf die quantifizierbaren Tätigkeiten in allen Bereichen des Unternehmens zu richten, gewährleistet ein EIS, daß die Messungen in konkrete Aktionen umgesetzt werden können.

- Dem Management wird ein Werkzeug an die Hand gegeben, das es ihnen ermöglicht, auch weniger offensichtliche Mängel zu entdecken und zu beseitigen.

- Durch Bereitstellung und gemeinsame Nutzung aus einer zentralen Datenbank wird sichergestellt, daß alle Führungskräfte auf exakt den gleichen Informationsstand zugreifen können.