Branche zweifelt am Sinn einer Fusion der ungleichen Minicomputer-Unternehmen, aber:

MAI-Investor Le Bow wagt Offerte für Prime

25.11.1988

MÜNCHEN/NEW YORK (ujf/IDG) - MAI steht nicht mehr zum Verkauf. Statt dessen tritt die Firma nun selbst als Käufer auf. Das Objekt ist CAD/CAM-Marktführer Prime, ein Unternehmen von fast der vierfachen Größe. Der Mann hinter MAI, Wall-Street-Spekulant Bennett S. Le Bow, verweist selbstsicher auf Kreditzusagen in Milliardenhöhe.

Die Nachricht von der totalen Kehrtwendung des MAI-Mehrheitseigners stieß überall auf ungläubiges Staunen: Bennett Le Bow, der gemeinsam mit seinem Partner William Weksel 43 Prozent und über seine Familie weitere 17 Prozent an der MAI Basic Four Inc. im kalifornischen Tustin hält, hatte lange Zeit versucht, seine Anteile an dem Computerhersteller zu versilbern. Nun bietet statt dessen seine MAI jedem Prime-Aktionär, der zum Stichtag 13. Dezember seine Anteile abgibt, 20 Dollar pro Stück - nach derzeitigem Kurs ein gutes Geschäft für den Verkäufer. Der Erwerber muß dafür insgesamt rund 960 Millionen Dollar hinblättern.

Diesen Betrag - der bezogen auf MAI zweieinhalb Jahresumsätzen entspricht oder dem fünffachen Börsenwert - hat Le Bow freilich nicht flüssig. Ein Bankenkonsortium sowie die Hausbank Canadian Imperial Bank of Commerce sicherten Kreditlinien von je 325 Millionen Dollar zu; die New Yorker Investmentbank Drexel Burnham Lambert, gegen deren Management Ermittlungen im Zusammenhang mit der Finanzierung großer Fusionen laufen, erklärte, daß "bis zu 875 Millionen Dollar über Privatplazierungen zur Verfügung gestellt werden können".

Der Kapitalmarkt reagierte zurückhaltend auf das Angebot von Le Bow (dessen Name gelegentlich in einem Atemzug genannt wird mit dem berühmt-berüchtigten Datapoint-Mehrheitseigner Asher Edelman). Denn echte Synergieeffekte zwischen MAI, einem Anbieter von kaufmännisch orientierten Branchenlösungen, und Prime, einem bei Anwendungen in Fertigungsbetrieben führenden Computerkonzern, sehen Analysten kaum. So stieg der Kurs der Prime-Aktie in den Tagen nach der Offerte trotz der gebotenen 20 Dollar nur auf knappe 18 Dollar (siehe auch Kolumne, Seite 9).

Bei den deutschen Töchtern herrscht noch keine Vorstellung, wie eine Fusion, sollte sie tatsächlich zustande kommen, über die Bühne gebracht werden könnte. Während man sich bei MAI bemüht, positive Aspekte herauszuarbeiten, etwa den zu erwartenden flexibleren Kundendienst durch das dann enger gewebte Servicenetz, gibt sich die Prime GmbH in Wiesbaden zugeknöpft. "Kein Kommentar", wiegelt Geschäftsführer Erwin Leonhardi ab. Er dürfe gar nichts sagen, sonst verstieße er gegen amerikanisches Recht.

Auch in der Prime-Zentrale in Natick hält die Funkstille an. Statt dessen kam die Information, daß man sich für AT&Ts Unix-Version entschieden habe. Erst nach der Sitzung des Aufsichtsrats am kommenden Dienstag will sich das Unternehmen äußern - und den Aktionären entweder empfehlen, daß sie verkaufen sollen, oder davon abraten. Eines hat Le Bows Vorstoß aber schon bewirkt: das vorzeitige Ausscheiden von Primes Chief Executive Officer, Joe M. Henson.

Dessen designierter Nachfolger, der Ex-GE-Mann Anthony Craig, verzichtete auf den Rest der Einarbeitungszeit und übernahm sofort das Ruder.