Leserbrief/Mehr Angst als Freude

05.05.1995

Betrifft CW Nr. 8 vom 24. Februar 1995, Seite 57: "Praesenz im Web bringt mehr fuer's Image als in die Kasse"

Stefanie Schneider schreibt in ihrem Artikel: "Abschreckend wirkt fuer viele Privatanwender (...) der Preis, der in Deutschland um ein Vielfaches hoeher liegt als in den USA. (...) Mit am guenstigsten ist (...) Muc e.V., der fuer volle Internet-Dienste via SLIP (...) 55 Mark pro Monat berechnet."

Ich habe hier eine Liste aller dem IN (Individual Network e. V.) angehoerigen Vereine, aus der hervorgeht, dass mit 55 Mark pro Monat der Muc e. V. einer der teureren ist. Ich beispielsweise bin Mitglied im KNF (Kommunikationsnetz Franken e. V.) und bezahle dort fuer Internet via SLIP nur 30 Mark pro Monat. Vor allem ist es bei Vereinen des IN in der Regel ueblich, dass keine Volumengebuehr erhoben wird, was gerade Privatleute ansprechen duerfte. Wenn Sie Interesse an dieser Liste haben, kann ich sie Ihnen gerne zusenden, allerdings nicht per Fax, da sie doch etwas laenger ist. Am liebsten waere mir ein Versand per E-Mail, sofern Sie ueber eine solche Adresse verfuegen (es handelt sich um ein zirka 30 KB grosses File).

Ich weiss von interessierten Kollegen, dass derartige Artikel, in denen beschrieben wird, das Internet sei fuer Privatleute kostenmaessig nicht tragbar, nur abschrecken vom Netz der Netze. Dass dies nicht sein muss, hoffe ich mit der Liste der Vereine gezeigt zu haben.

Was ich an Ihren Artikeln bezueglich des Internet im allgemeinen schade finde, ist, dass in den allerwenigsten Faellen darauf hingewiesen wird, wie sehr die Netzbelastung durch WWW zunimmt. Zugegeben, es ist fuer jedermann sehr einfach, WWW-Browser wie Mosaic zu benutzen, aber ein Anfaenger ist sich niemals bewusst, was er tut, wenn er irgend etwas anklickt, was ihm gefaellt. Er weiss nicht, was passiert, wenn er (und vielleicht gleichzeitig seine drei Freunde an Nachbarterminals!) MPEG-Filme ansehen will, nur weil er etwas ueber Filme gelesen hat, die ihn gerade interessieren. Dass in dem Augenblick zahlreiche User aus demselben Netz (von der Universitaet zum Beispiel) in Mitleidenschaft gezogen werden, ist dem Neuling meist gar nicht klar. Ein derart verbreiteter Einsatz des WWW, wie er offensichtlich bevorsteht, macht mir als langjaehrigem Internet-Benutzer (seit 1989) augenblicklich eher Angst als Freude.

Martin Friedrich, 91006 Erlangen