E-Learning/E-Learning und Präsenztraining: Erfolg durch Integration

Lernplattformen bilden die technische Basis

01.06.2001
E-Learning kann und wird das Präsenztraining auf absehbare Zeit nicht ersetzen. Aber es wird die klassischen Schulungsmethoden ergänzen und in vielen Bereichen optimieren. Von Don Hernandez und Roger Strathausen*

E-Learning hat derzeit Konjunktur: Messen, Konferenzen und Seminare unter dem Motto "Learning anytime, anywhere" häufen sich, die Angebote für einzelne E-Learning-Bereiche wie Inhalte, Technologien und Dienstleistungen werden immer umfangreicher. Ob synchron oder asynchron, Internet- oder Satelliten-basierend, zentriert auf Lernende oder Lehrer - elektronische Formen des Lernens wie Web-based Training (WBT) und Virtual Classroom erobern sich mehr und mehr ihren festen Platz in den Personal- und Trainingsabteilungen großer und mittlerer Unternehmen. Vorbei sind die Zeiten, in denen der Sinn von E-Learning - auch Online-Lernen oder Technology-based Training - diskutiert wurde. Inzwischen ist allgemein anerkannt, dass E-Learning den Unternehmen den Weg in die Wissensgesellschaft ebnet und die lernende Organisation zur Realität werden lässt. Neue Mitarbeiter können in kürzerer Zeit produktiv arbeiten, die Schulung zu neuen Produkte erfolgt wesentlich schneller, gleichzeitig erreichen das Marketing mehr Kunden, der Vertrieb höhere Umsätze und das Unternehmen insgesamt Wettbewerbsvorteil. All diese Vorteile sind mittlerweile weithin bekannt und reißen keinen Vorstand oder Personalchef mehr vom Hocker.

Der Markt ist jedoch schon einen Schritt weiter. Die Vorträge und Kundenanfragen auf der Learntec 2001 (www.learntec.de), der Karlsruher Fachmesse für E-Learning, haben bewiesen, dass die Zeit der theoretischen Diskussionen vorbei ist und die Unternehmen bereits erste praktische Erfahrungen machen.

Zentraler Aspekt bei diesen Überlegungen ist die Integration von E-Learning und Präsenztraining. Denn ein Blick in die Statistiken (beispielsweise www.idc.com) zeigt: Das Präsenztraining, auch Klassenraum-Training oder Instructor-Led Training ILT genannt, ist in den Unternehmen fest verankert und wird es auch bleiben. So handelt es sich bei der Mehrzahl der Aus- und Weiterbildungsaktivitäten, Arbeitstreffen und Projekt-Workshops um klassische Präsenzveranstaltungen. Nimmt man diese Veranstaltungen näher unter die Lupe, wird das große Potenzial des E-Learning erkennbar: Die Einsparungen im Kostenbereich für Trainer, Reisen, Spesen, Arbeitsausfall und auch Rahmenprogramme sind erheblich. Des Weiteren sind elektronisch basierende Lernmethoden wiederholbar, Tempo, Vorgehen und Zeitpunkte des Lernens können von den Betroffenen flexibel selbst bestimmt werden und sind damit effektiver. Gleichzeitig ist aber auch klar, dass E-Learning trotz seiner rasanten Entwicklung und seines anerkannten Potenzials das Präsenztraining nicht ersetzen wird und auch nicht soll.

Soziale Aspekte überwiegenFür diese Prognose gibt es mehrere Gründe. Zum einen ist Präsenztraining ein wichtiger Bestandteil der Unternehmenskultur. Die Mitarbeiter sind an diese Art des Lernens gewöhnt - und viele von ihnen empfinden es als Belohnung, an einer womöglich noch auswärtigen Schulungsveranstaltung teilnehmen zu dürfen. Zwischen den Meetings bieten sich im informellen Gespräch Möglichkeiten für neue Kontakte und Geschäftsbeziehungen. Diese sozialen Aspekte des Präsenztrainings kann E-Learning nicht ersetzen.

Darüber hinaus sind vor allem kleinere und mittlere Unternehmen aufgrund ihrer technischen Infrastruktur für die Einführung von E-Learning noch nicht bereit. Bislang jedenfalls scheuen sie die damit verbundenen Investitionskosten. Die Verantwortlichen vergessen bei ihrer Entscheidung, dass E-Learning gerade für diese Zielgruppe lukrative Lösungen bietet. Schließlich sind kleinere Unternehmen darauf angewiesen, Lern- und Arbeitsprozesse effizient zu integrieren sowie hohe Reise- und Zusatzkosten durch auswärtige Seminare zu vermeiden.

Auch sind die jeweiligen Lernerfahrungen sehr unterschiedlich. Viele Mitarbeiter vermissen beim Online-Lernen den unmittelbaren Kontakt zum Trainer und zu den anderen Lernenden. Zwar bietet E-Learning verschiedene Formen bi-direktionaler Kommunikation wie Chat oder Application Sharing, aber gerade der für viele Online-Lernende so wichtige Blickkontakt ist über das Internet wegen fehlender Bandbreiten kaum zu verwirklichen und über Satellit sehr teuer. Es ist also wichtig, verstärkt neue Methoden zu entwickeln, um mit den bereits vorhandenen technischen Möglichkeiten effiziente E-Learning-Veranstaltungen anbieten zu können.

Ein sinnvoller und erfolgreicher Weg für Unternehmen ist die Integration von E-Learning und Präsenzveranstaltungen. Diese Kombination vereint die Vorteile beider Lernformen und führt die zu Schulenden Schritt für Schritt in die Techniken und Methoden des E-Learnings ein. Auf der Learntec 2001 haben Anbieter und Kunden bereits über ihre Erfahrungen mit derartigen Integrationsprojekten berichtet.

Den Ausgangspunkt bildet fast immer ein mehrtägiges Präsenztraining, dessen Dauer mit Hilfe eines WBT zum Beispiel von fünf auf drei Tage verkürzt wurde. Da die erste Phase eines Präsenztrainings meist der Einführung dient und vor allem Faktenwissen vermittelt, kann dieser Part ohne Qualitätsverluste durch Online-Kurse ersetzt werden. Auf diese Art und Weise sind die Teilnehmer in der Lage, sich individuell und gezielt vorzubereiten. Der Vorteil liegt auf der Hand: Im Gegensatz zu den Präsenzveranstaltungen verfügen die Teilnehmer zu Seminarbeginn über die gleichen Grundkenntnisse. Folglich kann die gemeinsame Zeit effizienter genutzt werden, beispielsweise für Fragen der Teilnehmer, Diskussionen, Praxisbeispiele und Übungen.

Die technische Voraussetzung für diese Integration sind Lernplattformen, wie sie beispielsweise Docent, Saba, Viviance oder IMC anbieten. Als Komplettlösungen für E-Learning und Wissensaustausch in Unternehmen ermöglichen sie die Planung, Einstufung und Erfolgskontrolle von Schulungsmaßnahmen sowohl für den Präsenzunterricht als auch für elektronische Lerneinheiten. Zudem vereinfacht die elektronisch unterstützte Abwicklung von Anmeldungen oder Zertifikaten die Verwaltung von Schulungsmaßnahmen. Als Internet-basierende Plattformen verbinden diese Systeme Unternehmen mit Anbietern von Lern- und Trainingsinhalten sowie professionelle Communities. Der Umfang einer Lösung lässt sich exakt an den Schulungsbedarf jedes Unternehmens anpassen und ist für steigende Anforderungen skalierbar.

Lebenslanges LernenDie schrittweise Integration von neuen und traditionellen Lernformen ist ein leistungsfähiger Ansatz, der es ermöglicht, dem enormen Bedarf der Unternehmen an intellektuellem Kapital gerecht zu werden und die Entwicklung hin zu lebenslangem Lernen einzuleiten. Gleichzeitig setzen E-Learning-Plattformen Einsparpotenziale frei. Dadurch sind Unternehmen in der Lage, ihr Schulungsangebot für Mitarbeiter zu erweitern und stärker an die individuellen Bedürfnisse anzupassen. Eines ist sicher: Weder Wirtschaftsrezession noch der Einbruch der New Economy können den Durchbruch des E-Learning aufhalten. Im Gegenteil, die derzeitige Marktkonsolidierung führt auch im E-Learning-Sektor dazu, dass die Angebote übersichtlicher werden und sich leistungsfähige Marktführer in den verschiedenen Bereichen herauskristallisieren. Die Integration von E-Learning und Präsenztraining wird damit zum Standard, und ohne "E" wird in wenigen Jahren das Lernen nicht mehr stattfinden. Der lernenden Organisation gehört die Zukunft - sie wird sich im Wettbewerb durchsetzen. Unternehmen, die auch jetzt noch kritisch abwarten, vergeben wertvolle Chancen an die Konkurrenz.

*Don Hernandez ist Geschäftsführer der Docent GmbH in Heidelberg, Dr. Roger Strathausen ist Geschäftsführer von etcon - education and training consulting in Mannheim.