IT im Tourismus/Europcar-Mietwagen im Web

Kundenloyalität mittels Content-Management festigen

02.03.2001
Viele Autovermieter suchen auch über das Web den Weg zum Kunden. Doch Kundenbindung steigt und fällt mit attraktivem Informations-Management - nach innen wie nach außen. Erkannt hat dies auch Europcar. Mittels Content-Management will der Mietwagen-Anbieter die Loyalität seiner Kunden erhöhen. Von Klaus Engelhardt*

Kundenbindung, vor zehn Jahren selbstverständliche Vorgabe für das Management, muss heute in vielen Branchen neu definiert werden. Meist wird einseitig allein das Preisinstrument eingesetzt, gepaart mit aggressiver Werbung. Dies führt meist nur zu kurzfristigen Erfolgen. Ein gutes Beispiel dafür liefert die Branche der Autovermieter. Hier schenkt sich niemand etwas, und vordergründig geht es, besonders für den Gelegenheitskunden, nur um die Mietrate. Doch in Wirklichkeit zählt der Service, denn seit Jahren ist ein stetiger Rückgang der Kundenloyalität zu beobachten. Dies hat damit zu tun, dass der Kunde anspruchsvoller geworden ist: Schnelle Erreichbarkeit von morgens bis abends, kompetente Auskünfte, zeitnahe Erledigung und natürlich eine sympathische Kommunikation sind nicht mehr nur Serviceanforderungen einer so genannten gehobenen Kundschaft.

Kunden weniger nachsichtigFür viele Dienstleister, und dazu gehören auch die Autovermieter, ist es kein leichtes Unterfangen, solchen Kundenwünschen gerecht zu werden. Dazu bedarf es der richtigen Strukturen, Arbeitsabläufe, DV-technischen Ausstattungen und nicht zuletzt motivierter Teams sowie zukunftsorientierter Unternehmensstrategien. Doch nicht alle Anbieter haben bisher Informationsorganisation und Content-Management zur Strategie erhoben oder auch nur die geschäftskritischen Prozesse überdacht. Dabei geht es schon lange nicht mehr darum, nur die hausinternen Informationsprozesse in den Griff zu bekommen, denn mit Globalisierung und Internet kommen immer komplexerer Anforderungen auf die Unternehmen zu - und der Kunde übt immer weniger Nachsicht.

Die Gestaltung des Web-Auftrittes von Europcar gelang so gut, dass mehrfache Auszeichnungen folgten, beispielsweise zur besten Homepage in Gestaltung und Nutzerfreundlichkeit unter den sechs großen Autovermietungen. Doch eine Homepage, mag sie auch über noch so viele Sites verfügen, ist nur ein Anfang und in keinem Falle ein Ersatz für Content-Management.

Denkt man nur drei Jahre zurück, lagen bei Europcar Miet- und Verkaufsverträge, der zugehörige Schriftverkehr, Rechnungen und viele andere Dokumente in Papierform vor. Die Archivräume mussten mit dem Geschäft wachsen, doch die Antwortzeiten bei Kundenanfragen taten dies auch. Hier eine zukunftssichere, papierarme Lösung zu realisieren war der Anstoß für die Planung und Einführung eines Dokumenten-Management-Systems (DMS), beginnend mit dem elektronischen Archiv. Nach Marktrecherchen, Präsentationen und entsprechenden Tests fiel die Grundsatzentscheidung für die Filenet GmbH, Bad Homburg. Dies deshalb, weil das Unternehmen eine Produktpalette vom Archivsystem über klassisches DMS bis hin zum Content-Management-System (CMS) unter Einbindung von Web-Technologien am internationalen Markt aufzuweisen hat. Als Integrator des Archivsystems kam zunächst ein französisches Unternehmen zum Zuge.

Einscannen der DokumenteDer Aufbau des Archivsystem als Basis der künftigen Informationsorganisation sah das Einscannen aller papiergebundenen Dokumente vor, wobei sich eine anfänglich nicht zu bewältigende Hürde auftat: Die Barcodes zur Indizierung der Dokumente werden wegen der sehr großen Mengen mit Matrixdruckern aufgebracht. Im täglichen Betrieb erfolgt das Wechseln der Druckerbänder fast immer im letzten Moment, also wenn der Aufdruck kaum noch wahrnehmbar ist. So lagen große Mengen Dokumente vor, deren Barcode zunächst kaum oder nur fehlerhaft zu lesen war.

An dem Problem einer akzeptablen Erkennungsrate arbeiteten die externen Integratoren lange, ohne Europcar ein wirklich funktionables Archivsystem präsentieren zu können. So schrieb man Anfang 1999 kurzerhand neu aus und erhielt von der DD Synergy AG (DDS), einer Tochter der Popnet Internet AG, Hamburg, ein Angebot, das mutig erschien: DDS sicherte Europcar zu, innerhalb von 14 Tagen mit einer angemessenen Scanlösung und für das elektronische Archivsystem in Produktion zu gehen - Honorierung erfolgsabhängig.

Archivsystem ins Intranet integriertMit einer Kombination aus Hard- und Softwareerkennung gelang es innerhalb dieser Zeit, eine Erkennungsrate von 90 bis 95 Prozent zu realisieren. Der Auftrag gehörte DDS, und diese Partnerschaft wurde auch für die späteren Intranet-Lösungen beibehalten. Für das Einscannen wurden ein Color- und zwei Hochleistungsscanner von Kodak installiert. DDS entwickelte für die Scanlösung eine kundenspezifische Software (Scannen, Imagekontrolle, Nachindizierung), setzte einen Archiv-Server auf, und für das Retrieval programmierte man einen einfachen Viewer auf Basis von Filenet IDM Desktop. Heute sind über sechs mehrseitige Dokumente auf Worm gespeichert (Jukebox HP 660 FX mit 5,4 GB Medien).

Ausgangsbasis jeglichen weitergehenden Informations-Managements ist das elektronischem Archiv, eingebunden in ein DMS. Mit diesem System konnten die Antwortzeiten bei Kundenanfragen zu Verträgen, Schadenmeldungen und vielen anderen Anliegen nicht nur drastisch verkürzt werden - üblich ist die abschließende Auskunft beim ersten Kundenkontakt - sondern auch entsprechendes Personal für andere Aufgaben eingesetzt werden, das zuvor für Recherchen in den papierbasierenden Archiven zur Verfügung stehen musste. Damit nicht genug: Das Archivsystem wurde in eine Intranet-Lösung integriert. Je nach Zugriffsberechtigung und Ausbaustand sind nun über das Archivsystem Einsichten möglich, beispielsweise in Miet-, Sales-, Dienstleister- und Agenturverträge, den zugehörigen und gesonderten Schriftverkehr sowie in viele andere Dokumentenarten.

Der Zugriff auf die bei nahezu allen Geschäftsprozessen generierten Dokumente wurde weltweit in den vergangenen eineinhalb Jahren bereichsweise ausgebaut. Die Aufbereitung und Einstellung weiterer Inhalte in eine umfassende Intranet-Lösung stießen anfänglich an technische und organisatorische Grenzen.

So kam die erste Intranet-Version bezüglich der optischen Gestaltung, der damit verbundenen Navigation, dem Umfang der integrierten Dienste und der Aktualität in der Testphase bei den eigenen Mitarbeitern nicht gut genug an - die Tester machten konkrete Änderungsvorschläge. Anfänglich mussten die vorgesehenen Inhalte durch einen Web-Administrator manuell im HTML-Format gepflegt werden, was auch auf die Verlinkung innerhalb der Dokumente zutraf, und derselbe Administrator war zudem für die Pflege des gesamten Netzes zuständig - eine Aufgabenbündelung, die so nicht funktionieren konnte.

Anfänglich manuelle PflegeEs zeigt sich in der Praxis (und darüber berichteten noch keine Lehrbücher), dass alleine eine professionelle, umfangreiche und aktuelle Intranet-Lösung einen ganz erheblichen Pflege- und Administrationseinsatz verlangt. Also setzte das Europcar-Team dafür ausreichende Personalkapazität ein und realisierte inzwischen gemeinsam mit den externen Partnern wesentliche Bestandteile eines dynamischen Content-Managements. Die Softwarebasis bildeten die Produkte Filenet Content Services, Web Services und Panagon Web Publisher.

Seit einigen Wochen kann der Anwender Dokumente auf Basis von MS-Office-Produkten, beispielsweise Word, erstellen. Abhängig von entsprechenden Berechtigungen und Statusinformationen werden diese Dokumente automatisch in das HTML-Format konvergiert (Panagon Web Publisher) und im System abgelegt, nutzbar für alle Berechtigten. Greift ein Anwender via Intranet zu, werden die Dokumenteninhalte dynamisch im Browser angezeigt. So sind auch spezielle Informationsbereiche organisiert. Die Versionskontrolle von Dokumenten (Check in/Check out) ist ebenso gesichert wie ein komfortables Retrieval einschließlich Volltextsuche.

Kürzerer Weg zum KundenIn der heutigen, in Weiterentwicklung befindlichen Ausbaustufe bietet das Intranet-basierende CMS den Mitarbeitern von Europcar neben Diskussionsforen und Schwarzem Brett (interaktiv) auch die Buchung von Besprechungsräumen an. Verschiedene Abteilungen haben redaktionelle Zugriffsrechte und stellen unterschiedlichste Inhalte zur Nutzung zur Verfügung: Marketing (Kampagnenmotive, Preisspecials), Presse/PR (Pressemitteilungen, News und interne Kommunikation mit einer Mitarbeiterzeitung), Flotte (aktuelle Flottenlisten mit Modellbeschreibungen, Ausstattung, Anzahl, Zeitpunkt), Operations (Stationseröffnungen) und Geschäftsführung mit Unternehmensinformationen.

Insgesamt ist der Weg zum Kunden bedeutend kürzer geworden. Durch die schnellen Reaktionszeiten mit erheblich verbesserter Auskunftsqualität und mit speziellen Informationsforen identifizieren sich ganz besonders die Mehrfachkunden mit den Services des Unternehmens.

Besondere Bedeutung für die internen Arbeitsabläufe hatte die Einführung des Intranet für das Call-Center von Europcar. Hier ist es von großer Wichtigkeit, dass die Mitarbeiter aktuell und zeitnah Zugriff auf alle neuesten Informationen erhalten, um kompetenten und schnellen Kundenservice bieten zu können.

Auf Basis der offenen Systemarchitektur wurde eine praxisgerechte Benutzerverwaltung (Rechte) auch beim Web-Zugriff verwirklicht, so dass nun daran gearbeitet wird, für Inter-, Intra- und Extranet-Auftritte eine einzige Plattform zu nutzen. Damit ist auch die Weiterentwicklung der bisherigen Lösung zu einem umfassenden Enterprise-Portal möglich, einschließlich umfangreicher Datenbankinhalte, kommunikativer und auch transaktionsorientierter Teilsysteme - und dies über einen zentralen Einstiegspunkt, den "Single Point of Access". Weiteres Ziel ist es, das Portal später über einen Web-Browser auch für die Steuerung und Abwicklung unternehmensinterner Geschäftsprozesse zu nutzen.

*Dr. Klaus Engelhardt ist Fachautor und IT-Spezialist in Sprockhövel