Vista an Bord

Konzerne planen einheitliches Betriebssystem für Autos

11.12.2007
Von Handelsblatt 
Moderne Autos sind bis unter den Dachhimmel mit Elektronik vollgestopft. Jede Software wird für sich genommen zwar immer schneller, preiswerter und sicherer, die Integration aber immer schwieriger. Forscher und Autofirmen arbeiten daher an Softwarestandards für künftige Fahrzeuge. Dafür wird es auch höchste Zeit.

BERLIN. Abstandshalter, Bremshilfen wie ESP, geschwindigkeitsabhängige Servolenkung - stürzt die Software eines Autos ab, ist es mit einem Neustart wie am heimischen PC nicht getan. Blockieren bei 200 Stundenkilometer plötzlich die elektronisch gebremsten Räder, weil das Steuergerät spinnt, kann das für den Fahrer schlimm enden.

In einer Limousine der Oberklasse befinden sich bis zu 80 Steuergeräte mit jeweils eigener Software. "Das kann man sich vorstellen wie ein Netz mit 80 heterogenen Rechnern", verdeutlicht Martin Große-Rhode von der Abteilung Verlässliche technische Systeme des Fraunhofer-Instituts für Software und Systemtechnik (ISST) das Problem. Diese einzelnen System zu vernetzen, sei die eigentliche Herausforderung.

Jede Software im Auto werde für sich genommen zwar immer schneller, preiswerter und sicherer, aber die Integration werde immer schwieriger, sagt Große-Rhode. Bisher mangelt es an einem übergreifenden Standard. Forscher und Autohersteller arbeiten an deren Entwicklung. Dafür wird es auch höchste Zeit: Nach einer Studie der Managementberatung Mercer Management Consulting werden in den nächsten 15 Jahre Autos doppelt so viel Software an Bord haben wie heute.

Im Auftrag von BMW entwickeln die Fraunhofer-Forscher beispielsweise eine Gesamtarchitektur, eine Art Betriebssystem für alle elektronischen Komponenten im Auto. Auf der Internationalen Automobilausstellung IAA in Frankfurt wurden Anfang September die letzten Ergebnisse präsentiert - bereits im kommenden Jahr will BMW erste Steuergeräte mit standardisierter Software auf den Markt bringen.

"Das Ziel ist, zunächst alle Fahrzeugfunktionen plattformunabhängig zu beschreiben und miteinander zu koppeln - was bisher nicht der Fall ist", erklärt Große-Rhode. Erst dann werden die Funktionen den jeweiligen Steuergeräten zugeordnet. Die eigentliche Informationsverarbeitung findet auf dem übergeordneten Autosar-Virtual Functional Bus statt - so kommt Struktur in die Architektur.

"Letztlich werden auf diese Weise auch die Funktionen der Software besser ausgenutzt", sagt der Fraunhofer-Forscher. So könnten ohnehin vorhandene Informationen etwa über den Verschleiß der Bremsklötze, der Zündkerzen und der Viskosität des Öls zusammengeführt werden, womit zielgenauer über eine erforderliche Inspektion informiert werden kann. Bislang flackert die Anzeige unabhängig von der Fahrweise nach einem starr festgelegten Intervall auf.

Bevor die Steuerungs-Software im Auto verbaut wird, muss sie getestet werden. Forscher vom Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering IESE haben dafür ein neues Verfahren entwickelt, das sie an einem Modellfahrzeug mit Motor im Maßstab 1:5 getestet haben. Untersucht wurde nicht nur die eigentliche Software, sondern es wurde auch eine Risikoanalyse durchgeführt, die klärt, was die Software leisten muss, um Gefahren abzuwenden.

Das Projekt mobilSoft geht das Problem der Softwareverknüpfung noch grundlegender an. Zusammen mit Ingenieuren von Audi, Siemens VDO und dem Zulieferer ESG hat die Fraunhofer-Einrichtung für Systeme der Kommunikationstechnik ESK einen Softwarestandard entworfen, mit dem bereits die Entwicklung erfolgen soll, so dass verschiedene Hersteller und Zulieferer von der ersten Sekunde an die gleiche Sprache sprechen.

"Das Datenformat ermöglicht einen einheitlichen Informationsaustausch. Das spart nicht nur Kosten bei Neuentwicklungen, sondern reduziert auch die Anzahl der individuelle Funktionen", sagt ESK-Entwickler Mike Heidrich. Es werde noch dauern, bis alle denkbaren Varianten stabil laufen. "Wenn sich dann durch den neuen Standard diverse Services einfach in vorhandene Bordrechner integrieren lassen, senkt das Kosten und hebt die Funktionssicherheit", sagt Heidrich. Der Vorteil für den Kunden: Zusatzfunktionen können künftig für einen geringen Aufpreis angeboten werden, da keine weiteren Steuergeräte nachgerüstet werden müssen.

Damit die zahlreichen Bemühungen fruchten, müssen künftig nur noch alle Autohersteller und Zulieferer an einem Strang ziehen - möglichst weltweit. Doch das erweist sich dann doch immer noch als schwierig. Ein weltumspannendes Betriebssystem, eine Art Vista fürs Vehikel, wird es wohl so schnell nicht geben. Zumindest die Japaner basteln zurzeit noch unter dem Namen Jaspar (Japan Automotive Software Platform and Architecture) an einem eigenen Standard.