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Kinderporno-Ermittlungen des FBI waren illegal

10.03.2003

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Die US-amerikanische Bundeskriminalpolizei FBI (Federal Bureau of Investigation) hat US-Richter mit gezielten Desinformationen verleitet, Hausdurchsuchungen in großem Stil zu genehmigen, obwohl diese gegen rechtsstaatliche Prinzipien verstießen. Wie das "Wall Street Journal" berichtet, wurden in zwei Gerichtsverfahren gegen Personen, die sich angeblich der Kinderpornographie schuldig gemacht hatten, nicht nur die Anklagen fallen gelassen. In den Verfahren in New York und St. Louis haben viel mehr beide Richter schwere Vorwürfe gegen das FBI erhoben. Dieses habe durch "rücksichtlose Falschaussagen" die Durchsuchungen in Privathäusern und -wohnungen erst möglich gemacht, urteilte US-Distriktrichterin Catherine Perry in St.Louis. Die Filzaktionen führten zu über 100 Verhaftungen. US-Distriktrichter Denny Chin aus New York sagte, die sicherlich widerlichen Verbrechen im Zusammenhang mit Kinderpornographie rechtfertigten nicht, von der

Verfassung verbriefte Rechte zu brechen.

Das FBI und befasste Staatsanwälte haben mittlerweile zugegeben, Fehler gemacht zu haben. Die beiden Klageabweisungen könnten auf Dutzende von Verfahren Auswirkungen haben. Diese stehen in der Folge einer Anordnung von US-Justizminister John Ashcroft im Zuge einer großangelegten Razzia namens "Operation Candyman" von vor einem Jahr. Seinerzeit wurden Polizisten, Geistliche und Armeeangehörige verhaftet, weil sie sich vorgeblich der Kinderpornographie schuldig gemacht hätten. Im Zuge der Operation Candyman hatte das FBI gezielt Teilnehmer an einer Internet-Diskussionsrunde auf einer Website von Yahoo ins Visier genommen. Eines der Diskussionsforem hieß "Candyman". Gegenüber der Judikative hatte das FBI behauptet, alle Forumsmitglieder, die sich bei "Candyman" einloggten, hätten auch automatisch kinderpornographisches Material zugesandt bekommen. Mit diesem Trick seien Richter überzeugt worden, dass Hausdurchsuchungen im Einklang mit der Verfassung gestanden

hätten. Rechtsanwältin Nicole Armenta, die einen jetzt frei gesprochenen Angeklagten von New York vertrat, sagte dazu, "eine ganze Menge der Dinge, die auf der Candyman-Site abliefen, sind verfassungskonform."

Beide Richter stimmten zudem darin überein, dass Surfer, die sich auf der Candyman-Website einloggten, die Wahl hatten, ob sie per E-Mail Fotos mit Kinderpornographie erhalten wollten oder nicht. Die große Mehrheit der Surfer hätten entschieden, keine Fotos zugesandt zu bekommen. Genau diesen Umstand habe ein FBI-Agent, der die Untersuchungen verantwortete, aber verschwiegen. Richter Chin schrieb in seiner Urteilsbegründung zur Klageabweisung, dass die Eingriffe in die Privatsphäre potenziell von großer Bedeutung waren. "Tausende Privatpersonen waren Gegenstand der Untersuchungen. Ihre Wohnungen wurden durchsucht, ihr Eigentum beschlagnahmt. Dabei haben sie einzig und allein eine E-Mail-Adresse in einer Website angegeben.." Das FBI hat aber nicht nur falsche Angaben über die vermeintlichen Vergehen von US-Bürgern gemacht, um so die Erlaubnis für großangelegte Hausdurchsuchungen zu erhalten. Die Behörde habe sich dabei nicht einmal besondere

Mühe bei der Formulierung unterschiedlicher Begründungen für die richterlich anzuordnenden Durchsuchungen gemacht. Überall in den USA habe man fast identische Erklärungen dafür abgegeben, warum eine Hausdurchsuchung vonnöten sei.

Laut der Meldung des "Wall Street Journal" haben die Staatsanwälte in New York noch nicht entschieden, ob sie gegen das Urteil von Richter Chin Rechtsmittel einlegen werden. Das FBI gab keinen Kommentar ab. (jm)