Kein Venture-Capital fuer Software, denn sie ist nichts wert

27.01.1995

Eberhard Faerber, Geschaeftsfuehrer der Ixos Software GmbH, Muenchen Informationstechnik erhaelt ihren "Geist" durch Software, und die ist derart vielfaeltig, dass es kaum denkbar ist, dass sie zur Gaenze aus den USA gekauft oder innerhalb der anwendenden Unternehmen entwickelt wird. Deshalb ist auch hierzulande eine spezielle Branche entstanden, die einmal als Software-Industrie, ein anderes Mal als Softwarehandwerk auftritt und Entscheidendes zum allgemeinen Fortschritt beitraegt. In vielen - allerdings meist amerikanischen - Faellen brachte sie hochprofitable Unternehmen hervor.

Dass Bill Gates mit Microsoft der reichste Mann Amerikas geworden ist und dass sein noch nicht einmal 20 Jahre junges Unternehmen an der Boerse hoeher bewertet wird als der Siemens-Konzern, ist nur wenigen Zeitgenossen bekannt.

Und dass die ebenfalls erst vor gut 20 Jahren gegruendete SAP AG mit einem Boersenwert von acht Milliarden Mark so manchen deutschen Grosskonzern vom Typ Thyssen oder MAN uebertrifft, das sollten sich alle die bewusstmachen, die in der IT nur rote Zahlen erwarten.

Waehrend sich die deutschen Branchenstars SAP und Software AG im Jahr 1993 in der Groessenordnung von um die eine Milliarde Mark Umsatz bewegten, liegt Ploenzke als naechstgroesstes deutsches, konzernunabhaengiges Software-Unternehmen gerade bei einem Viertel davon. Danach gibt es sieben eher als "mittelstaendisch" einzustufende Firmen mit Umsaetzen zwischen 100 und 170 Millionen Mark.

Die Luenendonk-Liste sieht also deutlich anders aus, wenn man - etwa bei Ueberlegungen zur Finanzierung von Software-Unternehmen - die auslaendischen und/oder konzernabhaengigen Anbieter ausklammert. Von den ersten 25 der Liste fiele dann rund die Haelfte weg, darunter solche Groessen wie Microsoft, Cap Debis, Novell und Softlab; diese haben keine oder zumindest deutlich andersartige Finanzierungsprobleme als die hier interessierende Gruppe der "deutschen Unabhaengigen".

Jede, wirklich jede Untersuchung seit Jahren bestaetigt es: Die Hauptschwierigkeiten der deutschen Software-Unternehmen liegen in Vertrieb/Marketing und in der Finanzierung.

Die Reihenfolge ist dabei vertauschbar, weil sich beides gegenseitig bedingt. Seit der Krise der IT in den letzten beiden Jahren hat sich das Finanzierungsproblem noch dramatisch verschaerft, weil Banken die deutschen Softwarefirmen als hoechstes denkbares Risiko einstufen.

Die Aktivierung von selbsterstellter Software, von sogenannten immateriellen Wirtschaftsguetern, in der Bilanz ist laut deutschem Recht nicht zulaessig. Also ist Software nichts wert und nicht beleihbar, deshalb gibt es auch keine Finanzierung.

Dies ist das Denkschema der (meisten) Banken. Und man kann es ihnen auch nur teilweise uebelnehmen. Fragt sich jedoch, warum sind all die immateriellen Wirtschaftsgueter von zum Beispiel Herrn Kirch finanziert worden? Sind Filmlizenzen mehr wert als Softwarelizenzen? Doch wohl nicht.

Es geht um die Beurteilung des gesamten "Business-Case", es geht um all die Einflussgroessen, die in einem ordentlichen Geschaeftsplan enthalten sind. Und sei es die dabei erkennbare Persoenlichkeit des Unternehmers.

In den USA gibt es keine Finanzierung, schon gar nicht eine Eigenkapitalfinanzierung, ohne Business-Plan, der das Immaterielle sozusagen fassbar machen soll. In Deutschland existiert leider bislang keine Kultur des Geschaeftsplanes. Und - vielleicht auch deshalb - (fast) kein Venture-Capital (VC) fuer High-Tech- Unternehmen oder gar Start-up-Gruendungen. Dabei waere dies dringend erforderlich. Denn Software-Unternehmen brauchen Eigenkapital, intelligentes Kapital, das es nur in einem VC-Umfeld geben kann.

Dass es nach einem Aufbluehen der VC-Branche ab etwa dem Jahre 1985 inzwischen nur noch drei fuer Softwarefinanzierung in Frage kommende echt aktive VCs (Atlas, Technologieholding, TVM) gibt, das ist eine Katastrophe nicht nur fuer die Softwarebranche, sondern auch fuer die ganze Volkswirtschaft. Deshalb ist jede Anstrengung zu unternehmen, um zu einer Wiederbelebung von Aktivitaeten mit Chancenkapital zu kommen. Denn jedes "venture" bietet Chancen, gerade in der Softwarebranche, wie zum Beispiel der Fall SAP zeigt.

Speziell in Bayern gibt es derzeit einen vielverprechenden Ansatz: 150 Millionen Mark sind im Rahmen des Programmes "Offensive Zukunft Bayern" fuer eine Risikokapitalgesellschaft vorgesehen. Hiervon koennte ein neuer Impuls ausgehen, wenn es richtig gemacht wird. Skeptisch stimmt jedoch die nur politisch erklaerbare Festlegung auf den Standort Landshut und der offensichtliche Einfluss der Landesanstalt fuer Aufbaufinanzierung (LfA), die sich bislang unter anderem mit Zonenrandfoerderung befasste. Nur ein sich nach amerikanischem Vorbild richtendes und unternehmerisch gepraegtes Konzept waere der Impuls, der so dringend noetig ist.