Jahr 2000/Vorbeugen ist besser als heilen

Juristischen Notfallplan in Gang setzen

22.10.1999
Von Julia Hilterscheid* So kurz vor dem 1. Januar 2000 fragen sich Benutzer von Computerwaren häufig, ob sich bestimmte Jahr-2000-Fehler durch juristische Maßnahmen noch vollständig vermeiden oder daraus resultierende finanzielle Verluste sich zumindest gering halten lassen.

Ein auf die Y2K-Fähigkeit bezogener Softwarefehler besteht, wenn das gelieferte Produkt Datumsangaben, jenseits des 01.01. 2000, überhaupt nicht oder nur noch mit erheblichen Einschränkungen verarbeitet. Rechtlich betrachtet, ist ein Jahr-2000-Fehler nichts anderes als ein sich aus dem überlassenen Produkt ergebender Softwaremangel, also eine Leistungsstörung des Vertrags - ein häufiges Problem bei Verträgen.

Leistungsstörungen, die, wie bei einem Y2K-Fehler, auf das Produkt zurückzuführen sind, lassen sich, da sie technisch bedingt sind, auch durch die besten Verträge nicht vermeiden. Wohl aber können alle Beteiligten selbst noch kurz vor dem Jahreswechsel durch richtiges Verhalten wirtschaftliche Einbußen vermeiden.

Sind bereits Jahr-2000-Fehler in der Software aufgetreten, so beispielsweise nach einem Testlauf oder weil das Produkt während des Betriebs ein bestimmtes Datum nicht verarbeitet, muß der Auftraggeber den Softwarelieferanten zur Beseitigung dieser Mängel auffordern, will er sich seine Rechte nicht von vornherein beschneiden.

Wichtig: Die Aufforderung zur Mängelbeseitigung

Diese Aufforderung zur Mängelbeseitigung sollte eine genaue Auflistung der einzelnen Mängel enthalten. Außerdem ist es ratsam, eine Aufforderung an den Lieferanten beizufügen, in der er bis zu einem bestimmten Datum verbindlich erklärt, daß er für die angegebenen Mängel einstehen und diese in angemessener Zeit beheben wird. Darüber hinaus muß ihm eine angemessene Frist gesetzt werden, innerhalb der die Mängel vorbehaltlich einer begründeten Gegenvorstellung zu beseitigen sind.

Weiter muß der Auftraggeber ankündigen, daß er die Beseitigung des Mangels nach Fristablauf ablehnt, falls die Erklärung über eine Mängelbeseitigung nicht bis zum ersten Datum abgegeben oder die Mängelbeseitigung selbst nicht bis zum zweiten Datum oder der anderweitig vereinbarten, angemessenen Frist erfolgt sein sollte.

Vielfach kann allerdings davon ausgegangen werden, daß das Produkt Jahr-2000-fähig ist. Auch können die Vertragsparteien die Y2K-Fähigkeit ausdrücklich oder stillschweigend vorausgesetzt haben. Für die noch vor Jahreswechsel abzuschließenden Verträge empfiehlt es sich mit Blick auf bereits in anderem Zusammenhang bekanntgewordene Millennium-Bugs in jedem Fall, diese in einem Vertrag nach Kategorien zu ordnen und hieran bestimmte Rechtsfolgen zu knüpfen.

Welche Mängel sind nicht tolerierbar?

So kann, auch wenn selbstverständlich nicht alle Fehler im Vorfeld katalogisierbar, weil nicht abzusehen sind, doch wenigstens für einige Mängel festgelegt werden, daß sie zum Beispiel eine Abnahme verhindern. Der Vorteil derartiger Verträge besteht für den Kunden darin, daß zumindest für den (möglichst umfassenden) Fehlerkatalog die Rechtsfolgen eindeutig definiert sind.

Der Lieferant hingegen kann sich für den Fall, daß ein nicht im Katalog enthaltener Fehler auftritt, von der Gewährleistung freizeichnen. Letzteres gilt jedoch nur unter der Voraussetzung, daß nicht ohnehin von der Y2K-Fähigkeit des Produkts ausgegangen werden muß oder diese zwischen den Vertragspartnern vorausgesetzt wurde.

Eine Einteilung bereits bekannter, unabhängig vom Y2K-Problem auftretender Fehler ist ohnehin sinnvoll. Auf diese Weise wird - wegen der klar umrissenen Fehler - auch die Arbeit während eines Projekts erleichtert, da die Rechtsfolgen bekannt sind und deshalb unnötige Diskussionen und somit ein Zeit- und Geldverlust verhindert werden. Hinzu kommt, daß ein Y2K-Mangel nicht unbedingt immer (gleich) als solcher erkannt wird und sich demzufolge in Verträgen nicht klar von anderen Mängeln abgegrenzen läßt.

Was das Gesetz sagt

Die im Gesetz festgelegten Verjährungsfristen des Kauf- und des vorrangig auf Computerverträge anzuwendenden Werkvertragsrechts sind mit sechs Monaten Laufzeit ab Lieferung beziehungsweise Abnahme nach einer Erprobungssphase unangemessen kurz. Die komplexen Vorgänge der Hard- und Softwaregestaltung machen es dem Kunden oft unmöglich, Fehler, also auch Millennium-Bugs, vor Ablauf der Verjährung überhaupt zu erkennen.

Die Erhebung einer Klage unterbricht den Lauf der Verjährung. Um sich jedoch nicht in einen möglicherweise von beiden Seiten ungewollten Prozeß mit für alle Beteiligten ungewissem Ausgang zwingen zu lassen, sollte deshalb vertraglich eine Verlängerung der Verjährungsfrist auf beispielsweise zwölf Monate vereinbart werden. Hierbei kann man sich an der Regelung der besonderen Vertragsbedingungen der öffentlichen Hand (BVB) orientieren. Der Lieferant hat unter Umständen an einer Verjährungsvereinbarung ein ebenso großes Interesse wie der Anwender, wenn er diesen nicht für die Zukunft an einen anderen Lieferanten verlieren will.

Ist eine Frist jedoch erst einmal abgelaufen, wird sie auch durch eine nachträglich getroffene Vereinbarung nicht neu eröffnet. Der Endpunkt der Verjährung ist demzufolge auch der Zeitpunkt, bis zu dem sich eine Verjährungsverlängerung spätestens vereinbaren läßt.

Nicht prozessieren - lieber vorbeugend verhandeln

Angesichts der in der Vergangenheit aufgrund fehlerhafter Software gezahlten enormen Summen sollte der Schwerpunkt der juristischen beziehungsweise der unternehmensberaterischen Tätigkeit im Interesse des Kunden in der Prozeßvermeidung liegen. Erfahrungsgemäß verursachen Gerichtsverfahren, die sich unter Umständen über mehrere Instanzen hinziehen, nur unnötig Kosten und bewirken einen vor allem in der freien Wirtschaft nicht zu unterschätzenden Zeit- und Prestigeverlust.

Die Hardware überlebt den Prozeßabschluß nicht

Hinzu kommt, daß sie oft mit einem Vergleich enden, den man, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Anwälten, im Vorfeld auch hätte kostengünstiger erzielen können. Auch ist der technologische Generationswechsel zumindest der Hardware mit Sicherheit schon vor Prozeßende vollzogen. Denn die bei Rückgewähr eines Vertrags zurückzugebende Hardware "überlebt" aufgrund des technischen Fortschritts meist schon das Ende der ersten Instanz nicht mehr.

Wenn der Auftraggeber einen vertraglich vereinbarten oder, nach Werkvertrag, gesetzlichen Anspruch auf Nachbesserung der Software hat, kann der Lieferant das Vorhandensein von Y2K-Mängeln bestreiten und folglich deren Beseitigung ablehnen oder dem Behebungsverlangen des Kunden nachkommen.

Von seinem Verhalten hängt entscheidend der Ausgang eines etwaigen Prozesses ab. Stellt sich während eines Prozesses heraus, daß tatsächlich ein Jahr-2000-Fehler vorlag, hat der Softwarelieferant dessen Behebung aber abgelehnt, kann er sich in einer vom Kunden erhobenen Klage auf Wandelung, also Rückgewähr, nicht mehr darauf berufen, daß der Y2K-Fehler leicht behebbar sei. Denn dadurch, daß er das Vorhandensein von Fehlern abgestritten hat, hat er auch deren Beseitigung endgültig verweigert.

Wenn der Lieferant hingegen "nachbessert", obwohl sich anschließend herausstellt, daß gar kein Y2K-Fehler (sondern etwa ein Bedienungsfehler) vorlag, wird das Nachbesserungsverlangen des Kunden als neuer, d.h. zu vergütender Auftrag gewertet. Der Lieferant sollte daher auch eventuell unberechtigte Y2K-Mängelrügen aufgreifen und dem Nachbesserungsverlangen des Kunden nachkommen.

Da jedoch keiner der Vertragspartner genau weiß, ob und, wenn ja, wann welche Fehler im Rahmen des Jahr-2000-Problems am überlassenen Produkt auftreten, sollten Anwender und Hersteller, eventuell unter Mithilfe von Juristen, ein Notfallpaket schnüren, das - unabhängig von bestehenden Haftungen des Lieferanten - gegebenenfalls zum Tragen kommt. Ein Jahr-2000-GAU läßt sich dadurch zwar nicht verhindern. Die Parteien können aber versuchen, über das vertragliche Notfallpaket Schlimmeres zu verhüten.

Lieferant und Anwender sollten sich dabei über das für eine bestimmte Zeit abzustellende Wartungspersonal einigen. Dieses sollte sich natürlich an der Schwere des Mangels ausrichten. Auch über die Bereitstellung der zu erwartenden Kosten sollte im Vorfeld Einigkeit herrschen.

Das liegt zum einen im Interesse des Lieferanten, der mit dem Anwender einen neuen kostenpflichtigen Auftrag abschließt, sofern er für den Fehler nicht ohnehin aufgrund seiner Haftung einzustehen hat.

Der Anwender hingegen sichert sich bereits im Vorfeld die Kapazitäten des Lieferanten und sorgt dadurch im Fall des Zusammenbruchs des Systems auf optimale Weise vor.

Angeklickt

Geben DV-Systeme am 1. Januar 2000 wegen Y2K-Problemen bei der Software ihren Geist auf, ist nicht nur guter Rat teuer. Dann erhebt sich die Frage, wer hat Schuld an dem möglicherweise folgenschweren Desaster? Um vielleicht gar existenzgefährdende Probleme in Unternehmen im Vorfeld abzuwehren und sich auch vor dem Gesetz abzusichern, gibt es einen sozusagen "juristischen Notfallplan", den Firmen jetzt in Gang setzen sollten. Ein gangbarer Weg, um mit Herstellern von DV-technischem Gerät schon im Vorfeld Einigung über später auftretende Schäden zu erzielen, stellt die Mediation dar.

*Julia Hilterscheid ist Rechtsanwältin und hauptsächlich auf dem Gebiet des DV-Rechts tätig. Sie ist gleichzeitig geschäftsführende Gesellschafterin der Dfaz & Hilterscheid Unternehmensberatung GmbH in Berlin.