Personalabbau und Ausstieg aus dem ASP-Geschäft geplant

J.D. Edwards zieht die Notbremse

26.05.2000
MÜNCHEN (CW) - Weitere Hiobsbotschaften beim Standardsoftware-Anbieter J.D. Edwards, Denver: Nach dem Rücktritt von Chief Executive Officer Doug Massingill Ende April und einer Anfang Mai bekannt gegebenen Gewinnwarnung kündigte das Unternehmen nun eine Restrukturierungan. Seine einstmals ambitionierten Pläne als Application-Service-Provider (ASP) gibt der Anbieter auf.

Von seinen derzeit rund 5400 Angestellten weltweit wird J.D. Edwards rund 800 oder 13 Prozent entlassen, um in Verbindung mit einer gleichzeitigen Reduzierung seiner Bürofläche Kosten zu sparen. Allein 240 Entlassungen finden am und um den Hauptsitz des Unternehmens in Colorado statt, betroffen sind dabei vornehmlich Schulungszentren. "Dies war eine schmerzliche, aber notwendige Entscheidung", erklärte der alte und neue Unternehmenschef und Firmengründer Edward McVaney. Ihm sei rasch klar geworden, dass "der Schlüssel zu unserem Erfolg Internet und E-Business heißt".

Besonders unzufrieden ist die Company offenbar mit der Geschäftsentwicklung in Deutschland und Japan. Das "Wall Street Journal" zitiert Chief Operating Officer (COO) Dave Girard mit der Aussage, man werde dort die Mannstärke "signifikant zurückschrauben". Stephan Vanberg, bei der deutschen Niederlassung für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, erklärte in einer ersten Stellungnahme, in Deutschland und Zentraleuropa sollten 31 von bislang rund 150 Stellen gestrichen werden, also prozentual etwas mehr als im weltweiten Durchschnitt. "Wir haben in diesem Jahr bei unseren Partnern weit mehr Beraterkapazität aufgebaut, als wir nun wieder entlassen müssen", betont der PR-Mann. "Das hiesige Geschäft insgesamt ist also gestärkt - und das ist keine Durchhalteparole."

Da mutet es allerdings eigenartig an, dass der bisherige General Manager Central Europe, Klaus-Peter Franz, seines Amtes enthoben wurde. Zu seinem Nachfolger bestellte die US-Zentrale den bisherigen Schweiz-Chef Peter Landolt. Der zeigte sich wenig überrascht von der Umstrukturierung: "Ich hätte die entsprechende Ankündigung eigentlich schon früher erwartet."

Das ursprüngliche Vorhaben, künftig verstärkt als ASP die eigenen Anwendungen übers Netz zu vermieten, hat J.D. Edwards fallen gelassen. "Das ist einfach nicht unser Geschäft", erklärte CEO McVaney. Stattdessen werde man Business-to-Business-Kunden "ausgereifte gemeinsame Geschäftsprozesse mit einem hohen Grad an Zusammenarbeit" offerieren.

Landolt hält diese Meldung für eine Ente. "Ich kann mir nur vorstellen, dass es sich hier um ein Missverständnis handelt. Zumindest in Zentraleuropa ist ASP für uns ein wichtiges Thema, ob uns das gefällt oder nicht - die Kunden erwarten es einfach von uns." Überdies seien noch längst nicht alle Einzelheiten der neuen Strategie und Produkte bekannt. Landolt erwartet, dass spätestens zur Anwenderkonferenz "Focus", die ab dem 19. Juni stattfindet, die Details mitgeteilt werden.