IT dient der Kommunikationsverbesserung SAG-Chef Neumeister: Die Lean-Welle ist keineswegs neu

04.03.1994

MUENCHEN (hv) - Geschaeftsprozess-Orientierung, Business-Re- Engineering, Lean Management: Fuer die radikale Veraenderung von Unternehmenstrukturen gibt es viele Begriffe. Von der Aufbruchstimmung laesst sich jedoch nicht jeder anstecken. So behauptet Romin Neumeister, Vorstandsmitglied der Darmstaedter Software AG (SAG): "Das Thema Lean Management ist nicht neu".

Wie der SAG-Chef in einer Rede vor Unternehmern aus dem sueddeutschen Raum ausfuehrte, hat die Verwendung solcher Schlagworte in Wirtschaftskreisen eine lange Tradition. Aehnlich modisch seien in der juengeren Vergangenheit Begriffe wie "Synergie" oder "Paradigma" gewesen. Gegenwaertig sei der Terminus "lean" in: als Lean Production, Lean Management oder Lean Computing.

Um seine These von der langen Geschichte des Schlankheitsgebotes zu belegen, wagte Neumeister einen Ausflug ins Mittelalter. Bereits die Zuenfte haetten die Eigenverantwortung fuer Qualitaet, eines der zentralen Merkmale des Lean Management, zum Gesetz erhoben. Gruppenarbeit gebe es seit den 40er Jahren dieses Jahrhunderts, die Qualitaetssicherung seit den 60ern. Zwischen 1960 und 1980 haetten sich mit dem Aufstieg der Wirtschaftsnation Japan Verfahren wie Total Quality Management, Just-in-time-Produktion (Kanban) und Simultaneous Engineering etabliert.

Von Lean Production sei erst seit den 80er Jahren die Rede. Anlass sei eine Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) gewesen, in der das Thema theoretisch untermauert worden sei. Zu Beginn dieses Jahrzehnts hat die Schlankheitsthematik laut Neumeister in Management-Kreisen breite Resonanz gefunden.

Was aber steckt wirklich hinter dem Lean-Begriff? Neumeister nannte in seinem Vortrag eine Reihe von Kennzeichen, die die wichtigsten Eigenschaften der neuen Marktentwicklung beschreiben sollen (siehe Kasten). Dabei verzichtet der Darmstaedter darauf, zwischen Lean Management, Business-Process-Re-Engineering oder Geschaeftsprozess-Optimierung zu differenzieren. Es gehe in jedem Fall darum, traditionelle Organisationsformen durch teamorientierte, eigenverantwortliche Struktureinheiten zu ersetzen.

Eine prozessorientierte Organisation, die bedingungslose Kundenorientierung sowie eine rechtliche oder organisatorische Verselbstaendigung von Unternehmensbereichen zaehlen demnach zu den wichtigsten Merkmalen des Lean-Managements. Zentralbereiche muessten abspecken, sie wuerden auf ihre Kernfunktionen zurueckgefuehrt; von nicht-wertschoepfenden Aktivitaeten koennten sich Unternehmen trennen.

Auch zum Thema Outsourcing nahm Neumeister Stellung: "Der enge Zusammenhang zwischen Geschaeftsprozessen und Informationstechnologie ist nicht aufloesbar", lautet seine These. Mit anderen Worten: Die Anzahl der auslagerungsfaehigen DV- Funktionen ist in der Regel auf eine ueberschaubare Menge standardisierbarer Vorgaenge beschraenkt.

Eine Umfrage der Software AG bei rund 1000 Anwendern bestaetigt, dass die Optimierung von Prozessen ohne entsprechende Informationstechnologie nicht vorstellbar ist. So dient fuer 68 Prozent der Befragten die IT in erster Linie der besseren Kommunikation zwischen den Mitarbeitern eines Unternehmens. Rund 60 Prozent nannten auch die Verbesserung der Ablauforganisation als eines der wesentlichen Ziele, die sich mit IT-Hilfe erreichen liessen.

Befragt nach den Auswirkungen der Informationstechnologie auf die Unternehmensziele meinten gar 86 Prozent der Interviewten, die Verkuerzung von Durchlaufzeiten werde ermoeglicht. Zu den am haeufigsten genannten Antworten zaehlten ausserdem die Moeglichkeit, betriebliche Ablaeufe zu rationalisieren (85 Prozent), die schnelle Uebertragung von Daten und Informationen (83 Prozent), die Verbesserung der Entscheidungsqualitaet (81 Prozent) sowie eine optimale Kundenversorgung (70 Prozent).

10 Thesen zum Business Re-Engineering

1. Traditionelle Organisationsformen werden durch flexible, teamorientierte und zunehmend eigenverantwortlich arbeitende Einheiten ersetzt.

2. Geschaeftsprozesse bestimmen die Unternehmensorganisation.

3. Jegliche Organisationsumgestaltung orientiert sich an Kundenbeduerfnissen.

4. Zentralbereiche werden auf ihre Kernfunktion zurueckgefuehrt.

5. Erfolgskritische Leistungen bestimmen alle Strukturen.

6. Unternehmensteilbereiche werden zunehmend rechtlich oder organisatorisch verselbstaendigt.

7. Kundennaehe fordert konsequente Dezentralisierung. 8. Lieferanten werden in die Betriebsprozesse ihrer Abnehmer eingebunden. 9. Mehr noch als IT foerdert Entbuerokratisierung effiziente Geschaeftsablaeufe und schnelle Kommunikation. 10. Anreiz- und ergebnisorientierte Fuehrung ist das Fundament von Motivationsmassnahmen. Quelle: Software AG