Interims-Manager sind keine Glücksritter

20.10.2005
Von 
Winfried Gertz ist Journalist in München. Er arbeitet in einem Netzwerk von zahlreichen Anbietern kreativer Dienstleistungen. Das Spektrum reicht von redaktioneller Hörfunk- und Fernsehproduktion über professionelle Fotografie bis zu Werbetexten für Industrieunternehmen und Non-Profit-Organisationen.
In voller Fahrt die Pferde wechseln - dass muss manchmal ein Chef auf Zeit, wie das Beispiel von Stefan Weisgerber zeigt.

Dass er als selbstständiger IT-Berater von seinen vielfältigen Berufserfahrungen profitieren würde, lag für Stefan Weisgerber auf der Hand. Dass er mit seinen Kompetenzen auch Aufträge als Interims-Manager bekommen könnte, hatte sich der ehemalige IT-Chef der "Saarbrücker Zeitung" indes nicht träumen lassen. Gleich im ersten Projekt sollte sich zeigen, dass Interims-Management nur etwas für abgeklärte Zeitgenossen ist.

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*57091: Interims-Manager als Troubleshooter;

*45216: Interims-Management als Alternative für Berater;

147834: Studie über Chefs auf Zeit.

Glücksritter haben keine Chance

Der Perspektive klingt vielversprechend: Ein paar Wochen für gutes Geld richtig reinklotzen und sich später ohne sonderliche Verpflichtung wieder vom Acker machen. Tatsächlich sind diese Glücksritter-Phantasien weit verbreitet, wie Jürgen Wagner bestätigt. Der Personalleiter der Mannheimer Transmedia Verlagsgesellschaft GmbH hat bereits einige "schwarze Schafe" kennen gelernt. "Wer keine einschlägigen Referenzen als Fach- und Führungskraft vorweisen kann oder lediglich von seiner Beschäftigungslosigkeit ablenken will, braucht sich definitiv keine Chancen auszurechnen."

Gute Karten hatte hingegen Weisgerber. Transmedia suchte einen erfahrenen IT-Profi, der ein komplexes Datenbanksystem inklusive Interfaces überarbeiten und das vorhandene Qualitäts-Management nach strengen Vorgaben umkrempelt sollte. Ferner sprach für Weisgerber, dass er mit zahlreichen Redaktionssystemen vertraut war sowie die IT- und Management-Themen der Verlagsbranche aus dem Effeff beherrschte.

Vermittelt wurde Weisgerber von Zetesis (www.zetesis.de), einer Starnberger Unternehmensberatung, die einen Pool aus Interims-Managern für Personal- und IT-Projekte unterhält. Laut Geschäftsführer Achim Rhode nehmen die Anfragen aus der Wirtschaft seit etwa zwei Jahren sprunghaft zu: "Für kritische Projekte und um Engpässe zu überbrücken, rekrutieren Unternehmen lieber externe, unabhängige Führungskräfte als Mitarbeiter aus den eigenen Reihen." Interims-Management sei anspruchsvoll: Nur Fach- und Führungskräfte seien geeignet, die Projekte nach kurzer Einarbeitungszeit mit körperlichem und mentalem Stehvermögen zu Ende führen können.

Aus der Krise lernen

Doch Projekte nehmen oft eine unvorhersehbare Wendung. Kurz nachdem Weisgerber seine auf fünf Monate begrenzte Aufgabe angepackt hatte, sah er sich unvermittelt mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Weil ein langjähriger Kundenvertrag nicht mehr verlängert werden konnte, entschied sich Transmedia, Ende Juni etwa 140 Mitarbeiter zu entlassen. Weisgerber: "In voller Fahrt musste ich die Pferde wechseln."

Statt wie geplant als Leiter des Kompetenzzentrums mangelnder Effizienz zu Leibe zu rücken und interne Abläufe zu reorganisieren, "wälzte ich Personalakten, betrieb Bewerbertrainings und hielt Leute bei Laune", blickt der IT-Experte zurück. Dank beruflicher Stationen bei der SAP SI AG sowie der IDS Scheer AG, wo Weisgerber als Beratungs- und Entwicklungsleiter auch Personalverantwortung trug, lief er nicht ins offene Messer. Ganz im Gegenteil: Wie Transmedia-Personalleiter Wagner bestätigt, ist es offensichtlich auf Weisgerbers Verhandlungs- und Motivationsgeschick zurückzuführen, dass die überwiegende Zahl der Mitarbeiter trotz der unbestreitbar prekären Situation ihrer Firma bis zuletzt die Stange hielt. (hk)