Neuer Drei-Chip-Prozessorkomplex auf die Programmiersprache Ada zugeschnitten:

Intel mit 32-Bit-Mikro auf Mainframe-Spuren

20.03.1981

MÜNCHEN (es) - Er war das Glanzstück auf der International Solid State Circuits Conference (ISSCC) in New York: Intels neuer 32-Bit-Mikro "432", ein Drei-Chip-Prozessorkomplex mit "Mainframe-Eigenschaften", der speziell auf die neue Programmiersprache Ada zugeschnitten ist. Mit dem "432" lassen sich Mehrbenutzer- und Mehrfunktions-Anwendungen klar und einfach realisieren, verspricht der Hersteller.

Hauptziel bei der laut Intel seit 1975 laufenden 432-Entwicklung: Ein Mikroprozessorsystem zur Behandlung komplexen, Software-intensiver Anwendungen zu entwerfen, das die bisherigen Lösungen nicht nur in preislicher Hinsicht in den Schatten stellt, sondern auch neue Maßstäbe für die Ausführungsgeschwindigkeit setzen

sollte.

Im Endergebnis kamen dabei drei extrem hoch integrierte Schaltkreise heraus, bei deren Fertigung Intel einen besonderen Halbleiterprozeß, "H-MOS" genannt, anwendet. Außerdem entstand im Zuge dieser Entwicklung einer der ersten Compiler für die vielversprechende neue Programmiersprache Ada, bekanntlich eine vom US-Verteidigungsministerium vorangetriebene, von Pascal abgeleitete Sprache mit großer Flexibilität.

Das neue Prozessor-Trio "iAPX-432" - so die exakte Modellbezeichnung arbeitet mit dem gleichfalls neuen Betriebssystem "iMAX" und gliedert sich in einen Zweichip-General Data Processor (GDP) sowie einen Interface Processor (IP). Der GDP wiederum besteht aus einem Instruction Decoder (Typ 43201) und der Microexecution Unit (43202): ein "pipelined" Paar, wie Intel sagt. Zusammen mit dem IP (43203) eignet es sich besonders für jene Art "kooperativer Multifunktionsanwendungen", wie sie typisch für Distributed Data Processing-Systeme und fortschrittliche Büro-Informationssysteme sind, erläutern die Intel-Mitarbeiter Rattner und Lattin in einem ausführlichen Bericht. Auch für die Automation von Produktionsstätten sowie für CAD-Systeme soll sich Intels neues Prozessor-Dreigestirn sehr gut eignen. Der virtuelle Adreßraum umfasst 2**40 Bytes.

Schlimme Konsequenzen

Die hier anvisierten Multifunktionsanwendungen sind nicht nur umfangreich und erfordern daher mainframeähnliche Leistungsdaten, sie sind auch sehr Software-intensiv und wachsen erfahrungsgemäß mit der Zeit: Hard- und Software sollten sich also modular erweitern lassen. Aber auch der Sicherheitsaspekt gewinnt in dieser Leistungsklasse einen ganz neuen Stellenwert: Versager dieses Computersystems können weit schlimmere Konsequenzen als Fehlfunktionen kleiner Mikroprozessoren nach sich ziehen, und entsprechend zuverlässig müssen Hard- und Software - auch in ihrem Langzeitverhalten - sein.

Diese Leitgedanken vor Augen, versahen die Intel-Entwickler ihr neues Kind mit der Fähigkeit, virtuelle Speichersysteme zu realisieren und Multiprogramming zu unterstützen; auch kann man ein bereits installiertes 432-System im Feld durch einfaches Hinzufügen weiterer GDP- und IP-Chips ausbauen. Die Hardware umfaßt umfangreiche Fehlererkennungssysteme und Software-Schutzmechanismen sorgen dafür, daß auch die Programme gut von Störungen abgeschirmt werden.

Protokoll entlastet Bus

Das System 432 ist so ausgelegt, daß man einer bestehenden Installation Datenprozessoren hinzufügen oder wegnehmen kann, ohne die Software ändern zu müssen; ja, man kann einen Prozessor sogar in jedem beliebigen Moment starten oder stoppen, ohne auch nur ein Stück Software zu beeinträchtigen. Fügt man einem System weitere Prozessoren hinzu, so brauchen weder das Betriebssystem noch die Anwenderprogramme umgeschrieben zu werden, hört man von Intel.

Während herkömmliche Mikrocomputer mit einem standardisierten Bus-System arbeiten, wurde für das System 432 ein "Verbindungs-Protokoll" festgelegt, nach dem alle Prozessoren und die Speicher miteinander verkehren. So kann ein Systementwerfer sogar sein individuelles, kostenoptimiertes Bus-System konzipieren - gleichzeitig entlastet das Protokoll diesen Bus noch weitgehend.

In diesem Protokoll werden Anforderungen und Antworten nämlich zu separaten Paketen variabler Länge, zusammengefaßt; der Bus bleibt also frei, statt von "wartenden Anfragen" blockiert zu werden. Das gibt den anderen Prozessoren die Möglichkeit, zwischenzeitlich selber den Bus zu nutzen. Außerdem verbessert diese Protokoll-Technik die Möglichkeiten zur Kommunikation der einzelnen Prozessoren untereinander.

Nachrichten im Fenster

So, wie ein herkömmlicher Mainframecomputer oft einen Minicomputer für Ein-/Ausgabezwecke sowie die Gerätesteuerung nutzt, so arbeitet der 432 mit Hilfe seines Interface Processor-Chips (IP) mit einem weiteren Mikroprozessor, einem 8086 beispielsweise, bei der Ein- und Ausgabe zusammen. Der IP empfängt von den beiden anderen Chips, also dem GDP, die für das Ein-/Ausgabe-Subsystem bestimmten Nachrichten, stellt sie in einem sogenannten "Fenster" bereit und signalisiert die wartenden Daten per Interrupt dem Subsystem. Intern arbeitet der 432 ohne Interrupts.

In umgekehrter Richtung behandelt das Ein-/Ausgabe-Subsystem den IP wie ein gewöhnliches Peripheriegerät, das mit Daten versorgt wird. Diese Daten werden vom IP in die intern für den 432 gültige Form gebracht, so daß es für die anderen Datenprozessoren des Systems belanglos wird, ob die Information von einem anderen CDP oder dem IP stammt. Übrigens gestattet es das modulare Konzept der Reihe 432, einem System auch mehrere Ein/Ausgabe-Subsysteme vorzusehen.

100 000 Transistoren auf dem Chip

Betrachten wir noch ein bißchen die technischen Einzelheiten der drei Chips, die den 432 ausmachen. Die Prozessoren 43201 und 43202 umfassen pro Chip mehr als 100 000 beziehungsweise 60 000 Transistoren und weitere 65 000 Transistoren bilden den IP. Alle drei Chips sind in 64-Pin-"QUIP"-Gehäusen untergebracht und jeder konsumiert lediglich 2,5 Watt, wobei eine einzige Versorgungsspannung von 5 Volt ausreicht. Der Prozessorkomplex arbeitet mit einem Zweiphasentakt von 8 MHz, das entspricht einer Zykluszeit von 125 Nanosekunden. 80-Bit-Gleitkommazahlen werden in 26 Mikrosekunden multipliziert.

Sowohl der GDP als auch der IP sind mikroprogrammiert, wobei im einen Fall 4 K und im zweiten Fall 2 K ROM (zu je 16 Bit) belegt werden. Das IP-ROM ist besonders kompakt, weil hier eine Technik genutzt wurde, bei der jede ROM-Zelle zwei Bit speichern kann.

Automatische Fehlerkontrolle

Ein großer Teil des Microcode stellt das Betriebssystem dar, das Befehle wie "send message" etc. ausführt. Dieser Befehl wird laut Intel fünfmal schneller als von einem guten Minicomputer- und 20- bis 30mal schneller als von einem guten Mainframe-Betriebssystem ausgeführt. Viele der Funktionen dieses Betriebssystems würden fünf- bis achtmal soviel Bits beanspruchen, wären sie mit den typischen Befehlen eines herkömmlichen Mikroprozessors programmiert worden.

Da viele Basis-Befehle direkt durch einen einzigen Mikrobefehl aus dem Befehlsdekoder des 43201, repräsentiert werden, belegt der Basis-Befehlssatz nur sechs Prozent des gesamten Mikroprogramm-ROMs.

Will man fehlersensible Systeme erstellen, so kann man die Tatsache nutzen, daß jeder 432-Baustein auf zwei Arten betrieben werden kann: im Master- und im Prüfer-Modus. Ein Chip im Prüfer-Modus sendet an, seinen Ausgabe-Pins keine Signale mehr aus, sondern kontrolliert intern die an diesen Pins anstehenden Ausgaben seines parallel im Master-Modus arbeitenden Gegenstücks; weichen die festgestellten Signale von denen ab, die der Chip intern selber für den fraglichen Pin errechnet hat, so wird ein Fehlersignal gegeben und beide Einheiten stellen sofort ihre Arbeit ein.

Das Befehlsformat des 432 ist so konzipiert, daß die häufigsten Statements einer Sprache wie Ada als Einzelbefehle kompiliert werden können. Das betrifft besonders die Art, wie die Operanden adressiert werden.

Sowohl bei der Entwicklung des 432 als auch beim Konzipieren der Sprache Ada stand der Wunsch im Vordergrund, die Produktivität des Programmierers zu steigern, die Software zuverlässiger zu machen und die Software-Kosten (nach Lebensdauer berechnet) zu senken. Deshalb verfügt der 432-Mikro auch über eine spezielle "Objekt-orientierte Architektur", bei der die traditionellen Schranken zwischen Betriebssystem und der Anwendungs-Umgebung teilweise aufgehoben werden. Interessant in diesem Zusammenhang: Ada gestattet direkt den Zugriff auf 432-Maschinenbefehle, doch wird im allgemeinen erwartet, daß 432-Anwender und unter ihnen sogar die Systemprogrammierer, höchst selten dieser Möglichkeit Gebrauch machen, im allgemeinen indes Ada-Programme schreiben. Auf einen 432-Assembler konnte also verzichtet werden.