Die ideale IT-Abteilung/Sparen allein ist keine Strategie

Innovation unter Kostendruck

01.08.2003
Es ist nicht allein der Kostendruck, der CIOs das Leben schwer macht. Im Gegenteil: Cost Cutting ist nur die eine Seite der Medaille. Der CIO muss sich auch als Business-Sparringspartner und Technologie-Trendscout gegenüber dem Vorstand etablieren, um seiner originären Rolle gerecht zu werden. Nur dann schafft er es, dass die IT in der Chefetage wieder ernster genommen wird.Von Hubert Staudt *

Seit drei Jahren befinden sich CIOs bereits in der Defensive. Laut Gartner-Analyst Mark Raskino ist der Anteil der CIOs, die an den Finanzvorstand berichten, in diesen Krisenjahren wieder deutlich angestiegen. In Zeiten des Internet-Booms waren die IT-Chefs oft direkt dem Vorstandsvorsitzenden untergeordnet, weil ihre Leistungen als strategisch galten. Nun aber wird IT vielerorts primär als Kostenfaktor wahrgenommen und nicht als Mehrwert für das Unternehmen. Diese Sicht der Dinge kann der CIO nur verbessern, wenn er aktiv daran arbeitet.

Derzeit sehen sich CIOs massivem Kostendruck ausgesetzt und operieren oft nur noch reaktiv. Nach wie vor sollen sie die IT "managen" und für einen reibungslosen IT-Betrieb, stabile Netze und hohe Datensicherheit sorgen. Das Ganze soll vor allem zu marktgerechten Preisen und mit gleich bleibender oder gesteigerter Servicequalität erfolgen. Häufig schenkt der CIO daher seine ganze Aufmerksamkeit diesen Aufgaben.

Der schiere Fokus auf eine Reduzierung der IT-Kosten reicht jedoch bei weitem nicht aus, um einen langfristigen Erfolg für die IT-Organisation zu verbuchen. Reines Cost Cutting hat sogar zur Folge, dass sich der CIO überflüssig macht und seine Leistungen leichter an externe Anbieter vergeben werden können.

Ausgelöst durch die Kostendiskussion, hat sich das Zusammenspiel zwischen IT und Geschäftsmodell verstärkt. Auch wenn sich der CIO als Kostenkiller profilieren soll, muss er sich parallel dazu mit zukunftsträchtigen Projekten so bewegen, dass seine Bedeutung im Unternehmen steigt und seine Aufgaben als Teil der Wertschöpfung angesehen werden. Voraussetzung hierfür ist, dass der CIO sein Unternehmen tatsächlich wertsteigernd unterstützt. Damit gelten für das Zusammenspiel zwischen CEO, CFO und CIO völlig neue Vorzeichen: Statt einer nur technischen Orientierung müssen IT-Verantwortliche merklich zu den Geschäftsprozessen beitragen, um ernst genommen zu werden.

So ist die Rolle des CIO als IT-Organisator zwar notwendig, aber nicht ausreichend. Er muss gleichermaßen Business-Sparringspartner und Technologie-Trendscout für das Management sein. Als Sparringspartner unterstützt er die Zentralprozesse des Unternehmens und schafft darüber hinaus Mehrwerte mittels IT. Als Trendscout bringt er die Geschäftspotenziale neuer Techniken ins Unternehmen. Dies sind die Grundvoraussetzungen für den internen "Vertrieb" seiner Leistungen.

Routinen definieren

Diese drei unterschiedlichen Anforderungen - IT-Betrieb, Business-Sparringspartner und Trendscout - stellen den CIO vor zweierlei Probleme: Zum einen muss er seine Prioritätenplanung ändern. Zum anderen setzen diese Aufgaben in der Regel ganz unterschiedliche Persönlichkeitsmerkmale und professionelle Fähigkeiten voraus.

Häufig füllen aber die operativen Aufgaben quasi automatisch den Terminkalender. Sinnvoll ist die folgende Aufteilung: 50 Prozent der Zeit für den IT-Betrieb, 40 Prozent als Business-Sparringspartner und zehn Prozent als Technologie-Trendscout. Dazu empfiehlt es sich für den CIO, bereits am Jahresanfang genaue Routinen zu definieren, damit er sich als gleichwertiger Gesprächspartner seiner Management-Kollegen im Unternehmen etabliert. Durch Verschlankung und Qualitätssicherung der Prozesse innerhalb des IT-Bereichs schafft es der CIO, weniger Zeit für den IT-Betrieb zu verplanen. Ein probates Mittel hierzu ist beispielsweise das Regelwerk Itil (IT Infrastructure Library).

CIO als Business-Sparringspartner

Doch wie sehen die Aufgaben des CIO als Business-Sparringspartner aus? Voraussetzung ist zunächst, dass er das Geschäft seines Unternehmens genau kennt und versteht. Nur so vermag er immer wieder Ideen und Vorschläge zu entwickeln, wo IT-Lösungen die Geschäftsprozesse unterstützen können. Entscheidend ist, dass IT einen Mehrwert für das Unternehmen schafft und kein Selbstzweck ist. Der CIO wird damit zum Verkäufer und Multiplikator seiner eigenen Leistungen. Um zu erkennen, wo er Zentralprozesse des Unternehmens unterstützen kann, muss er kontinuierlich in engem Kontakt mit den Geschäftsbereichen stehen. So entwickelt er ein Gespür für die Prozesse seiner Kunden und kann lösungsorientiert agieren.

Zunächst gilt es für den CIO, Mentoren im Unternehmen aufzubauen. CIO und Mentor stehen im regelmäßigen und geplanten Austausch, der am Jahresanfang festgelegt wird. Als Mentoren eignen sich die Manager der Bereiche im Unternehmen, die den wesentlichen Umsatz generieren oder besonderes Wachstum versprechen. Im Einzelhandel sind dies beispielsweise Verkauf und Einkauf. In der Industrie sind es häufig Produktion und Beschaffung, in denen Optimierungspotenziale brachliegen. Die Prozesse in diesen Bereichen muss der CIO kennen. Nur dann kann er zielgerichtet beispielsweise eine E-Procurement-, Supply-Chain-Management- oder Portallösung empfehlen. "Visit and Listen" gehört damit zu den wesentlichen Aufgaben als Business-Sparringspartner. Gemeinsam mit dem Mentor können so Pilotprojekte betrieben werden, die sich danach auf andere Bereiche übertragen lassen.

Der CIO muss ein genaues Verständnis dafür entwickeln, warum sein Unternehmen erfolgreich ist und wo die Vorteile gegenüber dem Wettbewerb liegen. Im zweiten Schritt bricht er diese Erkenntnisse auf die IT herunter. Dazu benötigt er Branchen-Know-how und Fachprozesswissen. Er sollte die Stärken des Unternehmens fördern, also die Bereiche des Kerngeschäfts, die einen hohen Umsatz und Ge-winn erzielen. Regelmäßig bietet er Leistungsberichte darüber an, welche Prozesse wie funktionieren und verbessert werden können - auch über die Grenzen einzelner Geschäftsprozesse hinaus.

Manche Wettbewerbsvorteile sind ohne IT undenkbar

Beispiele für ein gutes Zusammenspiel von IT und Kerngeschäftsprozessen sind General Motors und General Electric: In beiden Firmen haben sich Produktentwicklungszyklen durch den Einsatz von IT verkürzt. Bei der RWE sorgt das Projekt "Fast Close" dafür, dass sich Berichtszyklen drastisch verringert haben. Ein weiteres Beispiel ist Home Depot, der Marktführer unter den Heimwerkermärkten in Amerika. Das Unternehmen bietet seinen Kunden unter anderem Renovierungspläne im Internet an. Damit kann der Interessent die Verschönerung seines Heims direkt über das Netz planen. Die Web-Seite bietet eine Reihe weiterer ähnlicher Kundenservices an. In diesen Firmen wurden Wettbewerbsvorteile erreicht, die ohne IT undenkbar wären.

Darüber hinaus muss der CIO als Trendscout unterwegs sein, den IT-Markt kennen und die Relevanz von Innovationen einschätzen können. Er sollte technische Neuerungen dort erkennen, wo sie einen Mehrwert für das Unternehmen bringen können. All dies erfolgt immer unter den Gesichtspunkten der Kostenoptimierung. Dabei hilft die Entwicklung von Methoden, mit denen sich prüfen lässt, wie relevant neue Techniken sind. Dies lässt sich beispielsweise mit kleineren Pilotprojekten umsetzen, in denen dann Vor- und Nachteile zutage treten. Fällt das Gesamturteil negativ aus, wird das Thema zunächst von der Tagesordnung gestrichen und kann gegebenenfalls nach einem bestimmten Zeitraum noch einmal näher betrachtet werden. Erweist sich beispielsweise Sales Force Automation im Rahmen eines CRM-Projekts als nicht unternehmensförderlich, muss die Entscheidung für den CIO folglich lauten, dieses Modul nicht zu implementieren.

Dieses Wissen erlangt der IT-Leiter nur, wenn er "nach draußen" geht, also nicht nur sein Büro, sondern auch sein Unternehmen verlässt. Der CIO sollte wissen, welche IT-Strategien andere Unternehmen verfolgen und welche Resultate sie damit erzielen. Auch Techniktage helfen weiter. Der intensive Austausch mit Technologiefirmen und Lieferanten jenseits des Tagesgeschäfts ist für den CIO Pflicht. Hierzu muss er sich ein Netzwerk an Lieferanten, Partnern und Kollegen aufbauen. Technologielieferanten kann er regelmäßig in die Pflicht nehmen, zukunftsorientierte Themen zu präsentieren. (rg)

*Hubert Staudt ist Leiter Strategie und Marketing, Business Unit Information bei der Materna GmbH in Dortmund.

Angeklickt

Um langfristig erfolgreich zu sein, dürfen CIOs nicht nur ihre Pflichtrolle als guter IT-Organisator erfüllen. Sie müssen sich auch gegenüber dem Vorstand als Business-Sparringspartner und Technologie-Trendscout etablieren. Schnelle Kostensenkung ist nur eines von vielen Mitteln zum langfristigen Erfolg einer IT-Organisation.

Abb: Multitasking ist ein Muss für CIOs

Neben seiner Rolle als IT-Organisator sollte sich der CIO beim Management als Business-Sparringspartner und Technologie-Trendscout positionieren. Quelle: Materna GmbH