Anforderungsprofile gehen über Fachwissen hinaus (Teil 1):

Informationsmanager - mehr als DV-Chef

10.03.1989

Informationstechnologien unterstützen zunehmend den Arbeitsablauf in Unternehmen, Forschung und Verwaltung. Im Zentrum der Entwicklung steht der alte Organisations-/DV-Leiter. Hohen Anforderungen an Qualifikationen stehen teils diffuse Funktionen und unklare innerbetriebliche Position gegenüber. Ist er ein Manager Im üblichen Sinne, oder eher ein noch exotisches Wesen?

Die Behauptung, der Informationsmanager sei ein Manager besonderer Art, ist wohl darauf zurückzuführen, daß sein Aufgaben- und Verantwortungsbereich im wesentlichen durch sein Spezialwissen um die Informationstechnik geprägt wird. Dies trifft auf die Anfangszeit der Datenverarbeitung zu, ist aber wegen der zunehmenden strategischen Bedeutung der Informationsverarbeitung für den Erfolg eines Unternehmens am Markt als These heute nicht mehr haltbar. Das Wissen um den Leistungsumfang der Informationstechnik ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung. Zur Erfüllung der Gesamtaufgabe bedarf es wesentlicher Kriterien, die eine Person überhaupt zum Manager qualifizieren. Die Rollen und Qualifikationskriterien werden im Zusammenhang dargestellt.

DV-Leiter sitzen zwischen vielen Stühlen

Der Einsatz der Daten-/Informationsverarbeitung im Unternehmen befindet sich zur Zeit in einer Krisensituation, die aus der schrittweisen Durchdringung des Unternehmens mit Geräten, Methoden und Verfahren der Informationstechnologie resultiert. Sie manifestiert sich in der heute real vorhandenen Hard- und Softwareversorgung eines Unternehmens und den daraus resultierenden Konflikten der Organisationseinheit Datenverarbeitung mit anderen Fachabteilungen der Unternehmensleitung und der Mitarbeitervertretung.

Im Spannungsfeld seiner durch die rasante technologische Entwicklung hervorgerufenen internen Probleme steht der DV-Leiter

- zwischen Unternehmensleitung und Fachabteilungen,

- zwischen ihm meist nur oberflächlich bekannten Unternehmenszielen und Anwenderanforderungen,

- zwischen Tagesproblemen und Planungsvorhaben,

- zwischen Anwenderanforderungen und Kostenrestriktionen,

- vor Autonomiebestrebungen der Fachabteilung und den damit verbundenen Kompatibilitäts- und Integrationsproblemen,

und versucht mit der Kompetenz seiner aufbauorganisatorischen Stellung, seinem Fachwissen und seinen begrenzten Ressourcen das Unmögliche möglich zu machen.

Transparenz erhöht interne Akzeptanz

Als maßgebliche Ursachen für diese Situation und damit als kritische Erfolgsfaktoren sind festzustellen:

- elementare Verständnis- und Verständigungsschwierigkeiten über den Umgang mit der Technologie,

- unzulängliche Kosten-/Nutzentransparenz der eingesetzten Technologie,

- mangelnde Meinungsführerschaft der Unternehmensleitung in bezug auf den zielgerichteten Einsatz der Informationstechnologie im Rahmen der Unternehmensstrategie und

- mangelhafte Organisation und Bearbeitung von Daten nach ingenieurmäßigen Methoden und Verfahren zur Produktion von Information.

Erschwerend kommt hinzu, daß die Durchdringung des Unternehmens mit Informationstechnologie sich langsamer vollzieht als die technologische Entwicklung. Schon die Spezialisten in der Org./DV-Fachfunktion haben Schwierigkeiten, mit ihrem Wissen auf dem neuesten Stand der Technik zu bleiben. Solange die zielgerichtete Verbreitung des Wissens über den Leistungsumfang der Informationstechnologie im Unternehmen nicht auch den Charakter eines Erfolgsfaktors erlangt, ist die ungebrochene Entwicklungsgeschwindigkeit der Informationstechnologie eine weitere Ursache für die Konfliktsituation der Daten-/Informationsverarbeitung im Unternehmen.

Chefs müssen Bedeutung neuer Technik erkennen

Die Überwindung dieser Situation kann solange nicht erfolgen, wie den im Unternehmen Verantwortlichen das Wissen um die Bedeutung dieser Technologie für den Fortbestand eines Unternehmens am Markt fehlt. Erst dann kann sich Meinungsführerschaft herausbilden.

Ist die strategische Bedeutung der Informationstechnologie erst erkannt, so erhalten Kosten und Nutzen ihres Einsatzes eine andere Qualität, so wird der bisher relativ zufällige Durchdringungsprozeß zu einem zielgerichtet gesteuerten Lernprozeß im Rahmen der langfristigen Unternehmensplanung. Ferner erfolgt die Organisation und Bearbeitung von Daten zwangsläufig nach ingenieurmäßigen Methoden und Verfahren, weil die Produktion von Informationen zum Bestandteil unternehmerischen Handelns werden wird.

Schon seit etwa Mitte der siebziger Jahre existiert in der amerikanischen Fachliteratur der Begriff "Information Manager". Von anderen Autoren aufgegriffen und abgewandelt, existieren heute für das Aufgabenfeld des Leiters einer Organisationseinheit Informationsverarbeitung Begriffe wie

- Information Resource Manager,

- I/S Executive,

- Chief Information Officer,

- Informationsmanager,

- Informationsverarbeitungsmanager,

- Manager für Organisation und Information.

Für Ulrich Busch ist der Begriff Informationsmanager irreführend, da nach seiner Auffassung nicht von dem Managen von Informationen", sondern lediglich von dem Managen von Daten beziehungsweise Nachrichten gesprochen werden kann. Er schlägt als mögliche Alternative für die Tätigkeitsmerkmale der Bereitstellung eines abgestimmten Sprachhaushaltes sowie Medien beziehungsweise Trägersysteme zur Herstellung einer Kommunikation zum Beispiel mit Hilfe von Daten, Text, Sprache und Bild" den Begriff Kommunikationsmanager vor.

Da jedoch die Objekte betrieblicher Kommunikation die Informationen sind, auf denen unternehmerisches Handeln basiert, scheint es sich bei der Definition des Begriffes, der die Tätigkeiten des Leiters einer Organisationseinheit Informationsverarbeitung beschreibt, weniger um ein sachliches, sondern mehr um ein semantisches Problem zu handeln, dessen Lösung nicht so dringlich ist. Entscheidend für die Zukunft eines Unternehmens ist vielmehr der Aufgabeninhalt einer solchen Position und das Anforderungsprofil, das einen Manager für die Aufgabe qualifiziert.

Aufgrund der Schnellebigkeit der Informationstechnologie muß der Informationsmanager in der Lage sein, sich abzeichnende Trends genauso wie Technologien, die keine Zukunft mehr haben, einstufen und beurteilen zu können. "An EDP manager's perception of future opportunities is important, because this is where competitive advantages as well as expensive mistakes with computer technology have been made" (Richard L. Nolan). Neben der Erfahrung als subjektivem Beurteilungsverfahren bieten sich hier technologische Vorhersagen als Hilfsmittel an. Daneben sind stete Beobachtung des relevanten Marktes und die Fähigkeit zur Einschätzung langfristiger Entwicklungslinien für die Investitionsentscheidungen, mit denen hohe Beträge auf lange Zeit festgelegt werden, unerläßlich.

DV-Manager plant Firmenstrategie mit

Die Entwicklung der Informationstechnik beeinflußt die Strategie eines Unternehmens am Markt, wenn der jeweilige Leistungsumfang konsequent evaluiert und umgesetzt wird. Sich abzeichnende Entwicklungstrends müssen daher durch den Informationsmanager auf die Unternehmensstrategie projiziert werden und gegebenenfalls zu einer Korrektur der langfristigen Unternehmensplanung führen. Es gilt also, die technologischen Trends mit den Zielvorstellungen des Unternehmens und den jeweiligen Bedürfnissen der Nutzer der Informationstechnologie in Einklang zu bringen.

Mit der Umsetzung des auf informationstechnologischen Geräten, Methoden und Verfahren basierenden Teils der Unternehmensstrategie in taktische und operative Maßnahmen werden gewachsene Strukturen, Arbeitsabläufe, ja sogar Produkte verändert. Der Informationsmanager muß die Möglichkeiten, die die Technologie eröffnet, nicht nur ahnen und beurteilen (Futurist) beziehungsweise in die Unternehmensstrategie einfließen lassen, er muß sie auch aktiv im Unternehmen umsetzen. "This means seeking out opportunities for applying technology to the solution of business problems. In a reactive approach, one says: 'What can we do for you'? In a proactive approach, one says: 'Here's what we can do for you'!" (William R. Synnott/William H. Gruber). Dieser Ansatz aber bedeutet, daß, trotz des allgemein vorherrschenden Anwendungsstaus, das Heft des Handelns wieder auf den Leiter der Informationsverarbeitung übergehen muß. Insofern muß er auch in der Lage sein, die hierfür notwendige Kapazität verfügbar zu machen, die wiederum von der langfristigen Unternehmensplanung abhängt.

Neues Denken mit Fachwissen verknüpfen

Sich schnell verändernde technische Gegebenheiten und zunehmender Einfluß der Informationstechnologie auf die langfristige Unternehmensplanung, dem jedoch zur Zeit noch erhebliche Entwicklungszeiträume für neue Anwendungsgebiete gegenüberstehen, erfordern nicht nur eine Betonung der Planung im Verantwortungsbereich Informationsverarbeitung selbst, sondern auch die Einbeziehung des Informationsmanagers in die Erarbeitung der Unternehmensstrategie. "If technology will be a prime factor affecting how corporations are managed in the 1980's, information managers will have to become the catalysts for planning in the organization, taking the initiative to do business information planning, to participate in corporate planning, and even to become part in the corporate planning team - a new and logical role for information managers in an age when information will play an increasingly important part in management decision making" (Synnott/Gruber).

Die Rolle des Informationsmanagers als Planer setzt voraus, daß er nicht in technischen Kategorien denkt und handelt, sondern sich als Unternehmerpersönlichkeit qualifiziert. Um diese Rolle auszufüllen, müssen sich die Org./DV-Chefs von heute von ihrem technikbestimmten Image befreien, nicht von ihrem Fachwissen.

Integration von Technik und Mensch

When three-quarters of new information managers at large corporations are coming from the business side of the house, the message is clear- Top management wants business managers who are effektive at solving business problems more than they want technical managers who are effizient at solving technical problems. The successful information manager will integrate well with users and senior management groups, not because they will understand computers, but because the information manager will understand their business" (Synnott/Gruber).

Nicht zuletzt ist der Informationsmanager als Leiter einer Organisationseinheit im, Unternehmen auch ein Vorgesetzter von Mitarbeitern, also Manager. In dieser Rolle muß er Sachkompetenz demonstrieren, um von seinen Mitarbeitern nicht nur aufgrund seiner Funktion, sondern auch fachlich akzeptiert zu werden. Schließlich erwarten Mitarbeiter und Unternehmen auch eine fachlich-inhaltliche Führung. Als Vorgesetzter ist der Informationsmanager verantwortlich für

- das Erreichen bereichsspezifischer Ziele auf der Basis kritischer Erfolgsfaktoren,

- die optimale Nutzung von Maschinen, Geräten, Methoden und Verfahren,

- die erfolgreiche Abwicklung von Projekten,

- ausgezeichnete Beziehungen zu den Nutzern,

- die zielkonforme Umsetzung von Investitionen in die Informationstechnologie und

- nicht zuletzt seine Mitarbeiter.

In seiner Funktion als Manager ist der Informationsmanager aber auch Politiker, der mit Fingerspitzengefühl Einfluß auf die bestehende Unternehmenskultur nehmen muß, indem er durch Integration von Technologie und Menschen Organisationsentwicklung betreibt. In dieser Funktion ist er schließlich auch Controller, dessen Tätigkeit in alle Bereiche des Unternehmens hineinreicht.

Exercising the three C's of control - coordination, consistency and compatibility - to ensure efficiency and effectiveness in the use of information resources distributed throughout the firm" (Synnott/Gruber).

Vergleicht man die hier genannten Aufgaben des Verantwortungsbereichs Informationsverarbeitung mit den Managementfunktionen anderer Bereiche eines Unternehmens, so ist festzustellen, daß sie sich nicht grundlegend voneinander unterscheiden. Der wesentliche Unterschied besteht darin, daß die Auswirkungen der Tätigkeit eines Informationsmanagers alle Bereiche eines Unternehmens tangieren.

wird fortgesetzt

* Lutz Martiny ist Leiter der Kommerziellen DV-Systementwicklung der Schering AG, Berlin