Frauen sind in der IT-Branche noch immer Ausnahmeerscheinungen

Image vom Hackerklub erschwert den Einstieg in die IT-Arbeitswelt

07.07.2000
Informatik studieren und danach in der Softwareentwicklung oder der Systemadministration arbeiten - nach den Statistiken zu urteilen ist das für die Mehrzahl der Frauen nicht attraktiv. Schuld daran sind oft falsche Vorstellungen von Arbeitsalltag und Anforderungen. Aber auch der Mangel an weiblichen Vorbildern, die es bereits geschafft haben und die Einsteigerinnen motivieren könnten, macht sich negativ bemerkbar.Von Kristina Ruprecht*

Rund 15 Millionen Frauen in Deutschland sind berufstätig. Der Großteil davon arbeitet im Dienstleistungs-, Bank- und Versicherungswesen oder wählt die traditionell weiblich geprägten Laufbahnen im Handel- und Gastgewerbe. Nahezu jeder zweite Universitätsabsolvent ist weiblich, allerdings haben die meisten davon Fächer abgeschlossen, die auf den ersten Blick wenig Aussichten auf einen gut bezahlten Job bieten. In der IT-Branche landen so die wenigsten - und wenn, dann auf Umwegen.

Vor dem Hintergrund des Personalmangels in dieser Branche wollen Wirtschaft und Politik nun massiv gegensteuern. Im Aktionsprogramm der Bundesregierung "Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts" ist daher die ehrgeizige Forderung zu finden, dass sowohl der Frauenanteil in IT-Berufsausbildungen als auch der Anteil von Studienanfängerinnen in der Informatik bis 2005 auf 40 Prozent gesteigert werden sollten.

Wie das allerdings im Detail erreicht werden soll, darüber schweigt sich das Aktionsprogramm aus. Die Bundesregierung will jedoch "Initiativen starten, um eine gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an der Informationsgesellschaft zu gewährleisten", außerdem soll auch eine "gleichwertige Internet-Beteiligung von Frauen gesichert werden".

Ob diese Vorgaben ausreichen, um mehr Frauen zur Entscheidung für den technischen Beruf zu bewegen, bleibt fraglich. Zu krass ist in vielen Studiengängen das Missverhältnis zwischen der Anzahl der weiblichen und männlichen Teilnehmer. Ingrid Schmidt, studierte Elektrotechnikerin und Projekt-Managerin bei GFT Technologies, einem Anbieter von Komplettlösungen für die Geschäftsabwicklung im Internet, erzählt: "Insgesamt drei Frauen haben in meinem Jahrgang das Elektrotechnikstudium begonnen, nach zwei bis drei Semestern war ich die einzige, die übrig blieb - bis zum Vordiplom. Danach war ich über drei Semester hinweg die einzige Frau in diesem Fachbereich."

Das soll sich nach dem Willen eines Fachausschusses der Gesellschaft für Informatik gründlich ändern. Nach seiner Ansicht begründet sich die geringe Anzahl der Informatikstudentinnen auch in den Studien- und Lehrinhalten der Universitäten. Daher sei es einerseits notwendig, mit den gängigen Vorurteilen aufzuräumen, andererseits müsse auch über Studienpläne und -formen diskutiert werden. Der Fachausschuss fordert beispielsweise, ein Bundesprogramm "Reformstudiengänge Informa-tik für Frauen" einzurichten. Schwerpunkte der Grundstudiengänge sollen Anwendungsorientierung und Interdisziplinarität, Praxisorientierung sowie eine solide fachliche und allgemeinwissenschaftliche Grundlagenausbildung sein. Hierzu ist auch die Gründung neuer Fachbereiche mit Professorinnen, Wissenschaftlerinnen und Technikerinnen Voraussetzung, ebenso wie eine allgemein innovative, frauenfreundliche Studienorganisation.

Viele dieser Forderungen benötigen voraussichtlich noch lange Diskussionen, um angemessen mit Inhalt gefüllt zu werden. Sicher ist jedoch: Das Grundstudium getrennt nach Geschlechtern kann sinnvoll sein, wie Beispiele aus dem schulischen Umfeld bereits belegen. Eine Beobachtung, die auch Ingrid Schmidt gemacht hat: "In der Stadt, in der ich zur Schule gegangen bin, gab es ein Mädchengymnasium. Viele der Schülerinnen wechselten nach der zehnten Klasse auf ein naturwissenschaftlich ausgerichtetes Gymnasium. Sie brachten gerade in Mathematik und den Naturwissenschaften hervorragende Leistungen mit."

Die ETH Zürich organisiert gezielte Maßnahmen um Frauen das Informatikstudium näher zu bringen. Denn auch in der Schweiz wählen Schülerinnen selten einen technischen Beruf - nur fünf Prozent der Informatikstudierenden an der ETH sind weiblich. Um das zu ändern, wird für Interessierte ein so genanntes "Schnupperstudium Informatik" angeboten. Hier handelt es sich um einen einwöchigen intensiven Einführungskurs in die Informatik und in das Studium während der Semesterferien. Das Interesse ist da, die ersten beiden Kurse im Sommer und Herbst 1999 waren mit je etwa 30 Schülerinnen ausgebucht. Der Unterricht soll Mut machen, Informatik zu studieren, gleichzeitig verlangt er von den Teilnehmerinnen intensive Arbeit, damit sie ihre Fähigkeiten und ihre Motivation auf die Probe stellen können. Die Hälfte der Besucherinnen des Kurses möchte tatsächlich das Studium an der ETH beginnen.

Auch in Deutschland bieten Hochschulen immer mehr monoedukative Studiengänge für Frauen an. An der Fachhochschule Bielefeld können Frauen Elektrotechnik, Energieberatung und Energie-Marketing studieren; an der Fachhochschule Wilhelmshaven wurde der Frauenstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen eingerichtet; Multimedia für Frauen wird an der Fachhochschule Lübeck gelehrt, Technologie-Management und -marketing an der Fachhochschule Kiel und Wirtschaftsingenieurwesen an der Fachhochschule Stralsund. Ein internationaler Frauenstudiengang Informatik wird voraussichtlich ab dem Wintersemester 2000/2001 in Bremen angeboten.

Auch hinsichtlich des Arbeitsalltages in der IT-Branche existieren oft überholte Vorstellungen. "Ich denke, dass es diese Betonung der Technologie in der Vergangenheit war, die viele Frauen davon abgehalten hat, sich in dieser Richtung zu orientieren", meint die Ingenieurin Schmidt. "Wenn man sieht, welche Möglichkeiten die Informationstechnologie bietet - gerade auch im kreativen Bereich -, dann wird es in Zukunft sicher mehr weibliche Mitarbeiter geben", gibt sie sich optimistisch.

Es ist also durchaus eine Frage des Bildes, mit dem sich die Branche nach außen hin präsentiert, denn viele Frauen werden von dem "trockenen" Image nachhaltig abgeschreckt. Um den inhaltlichen Anforderungen gerecht zu werden, sind ohnehin Korrekturen angebracht. Das Bild des Ingenieurs als Macher, Tüftler und Bastler habe ausgedient, erklärte Barbara Schwarze, Leiterin der Koordinierungsstelle für Frauenprojekte an der Fachhochschule Bielefeld, anlässlich einer Konferenz des Arbeitskreises European Women in Science and Technology (Eurowin) in Bonn.

Auch viele Unternehmen forderten inzwischen ein anspruchsvolleres Selbstverständnis von Technikern, das auch die gesellschaftlichen Bezüge ihrer Tätigkeit umfasst. Das Institut für deutsche Wirtschaft in Köln ermittelte ebenfalls in einer Umfrage, dass die Angestellten in technisch orientierten Berufen neben ihrem fachlichen Wissen auch kommunikative und organisatorische Fähigkeiten mitbringen sollten.

Neben den klassischen technischen Funktionen bietet der IT-Bereich jedoch noch eine Vielzahl weiterer Betätigungsmöglichkeiten. Maria Dietz, Mitglied der Geschäftsleitung von GFT: "Die Branche wächst, und es werden immer mehr qualifizierte Leute gebraucht. Jeder könne sowohl im klassischen Sinne Karriere machen als auch sich selbst verwirklichen - eine Chance, die sich Frauen vor allem auf den Gebieten Multimedia, Gestaltung von Internet-Auftritten oder Benutzeroberflächen, aber auch auf den Sektoren Kommunikation und Marketing bietet. Wenn Kooperation gefragt sei, dann arbeiten weibliche Angestellte oft konfliktfreier und damit effizienter.

So gesehen wären Frauen die ideale Besetzung für so manchen Posten. Aber es gibt auch die Kehrseite der Medaille: Im schnelllebigen IT-Geschäft ist permanentes Engagement gefragt. "Die ständige Präsenz ist nicht immer ganz leicht zu bewerkstelligen, wenn man eine Familie hat", hat Dietz die Erfahrung gemacht. Die Frauen gerieten oft an die Grenzen der Belastbarkeit - einerseits durch die Aufgaben in der Familie und andererseits durch die "unglaublich schnelle Neuorientierung von Märkten und Produkten, von Dienstleistungen und Kundenszenarien." Hier helfe nur Energie und die Bereitschaft, sich ständig in neue Dinge einzuarbeiten und so am Ball zu bleiben. Frauen würde dabei eine immense Flexibilität abverlangt - oft ein entscheidendes Hindernis für die effektive Karriereplanung.

*Kristina Ruprecht ist freie Journalistin in Stuttgart.