Erfahrungen mit einem fliegenden Hotspot

Im WLAN arbeiten über den Wolken

26.03.2004
MÜNCHEN (hi) - An Hotspots auf Messen und an Flughäfen haben wir uns gewöhnt. Ab April hält das Wireless LAN auch im Flugzeug Einzug. Die CW konnte den Flying Hotspot auf einem Probeflug testen.

"Die Zeiten, in denen ich auf einem langen Flug ein gutes Buch lesen konnte, sind wohl vorbei", bekannte der ehemalige Kanzlerberater Horst Teltschik und heutige Deutschland-Präsident von Boeing angesichts der Markteinführung von "Connexion". Unter diesem Namen vertreibt der Flugzeugbauer eine Komplettlösung, die das drahtlose Surfen im Internet via WLAN und Satellitenverbindung auf Schiffen und in Flugzeugen ermöglicht.

Auf einem Testflug mit der Connexion One, einer zum Erprobungsflugzeug umgebauten Boeing 737-400, konnte die CW den WLAN-Hotspot über den Wolken ausprobieren. Um es vorwegzunehmen, die Idee ist zwar faszinierend, hat aber noch einige Detailschwächen und überzeugte nicht auf ganzer Linie.

Anmeldung via Satellit

Doch der Reihe nach. Das Anmelden am Hotspot ist genauso einfach wie am Boden. Haben das Notebook oder der PDA den Access Point gefunden, gibt der Benutzer einfach eine Web-Adresse ein. Die URL-Redirection leitet ihn dann automatisch an das Connexion-Authentifizierungssystem weiter. Dieses basiert auf einem Radius-Server, der sich allerdings nicht an Bord befindet, sondern in Seattle steht, womit die Anmeldung bereits via Satellit erfolgt. Ansonsten ist der Anmeldevorgang vergleichbar mit denen in anderen Hotspots. Lediglich bei der Anzeige der Tarife dürfte mancher Benutzer große Augen bekommen: Wer während eines Transatlantikfluges die ganze Zeit online arbeiten will, bezahlt dafür fast 30 Dollar. Oder er bucht eine Stunde für zehn Dollar. Wobei Boeing hier für die Stunde nicht automatisch komplett kassiert, wie es viele Hotspot-Betreiber praktizieren, sondern minutengenau abrechnet und die Aufsplittung auf mehrere Flüge erlaubt. Zum kurzen Abrufen und Versenden von E-Mails ist der Stundentarif akzeptabel.

Schwächen zeigte im Test der Authentifizierungs-Server, der die Benutzer-ID nach einer Session nicht mehr freigab. Als der User nach der Arbeit mit dem PDA das Notebook nutzen wollte, erhielt er nur die Fehlermeldung, dass der Benutzer bereits eingeloggt sei.

Sieht man von diesem Malheur ab, zeigte sich beim Surfen in der Luft kein Unterschied zum Boden. Die Geschwindigkeit, mit der die Seiten aufgebaut wurden, war etwa mit einer ISDN-Verbindung vergleichbar, bei der beide B-Kanäle aktiv sind. Beim Datei-Download schaffte der Internet Explorer um die 20 KB/s. Kein Problem stellte auch das Online-Hören von MP3-Files dar. Denkbar ist künftig auch das Telefonieren im fliegenden Hotspot per Voice over IP over Wireless LAN, was zumindest im Probebetrieb bereits funktioniert. Das Betrachten von Videos war dagegen nur bedingt ein Vergnügen, da sie doch sehr stark ruckelten.

Überzeugte der Hotspot über den Wolken bislang, so enttäuschte er bei dem Versuch, remote mit den eigenen Unternehmensanwendungen zu arbeiten. Zwar klappte die Anmeldung auf dem Citrix-Metaframe-Server noch, doch eine Nutzung der Applikationen war nicht möglich, da die Sessions laufend zusammenbrachen. Per VPN konnte dagegen erfolgreich auf das Unternehmensnetz zugegriffen werden. Vermutlich, so ein Erklärungsversuch der begleitenden Boeing-Techniker, waren die Latenzzeiten der Satellitenverbindung zu groß für die Citrix-Sessions. Wer also über den Wolken remote arbeiten will, ist gut beraten, Anwendungen einzusetzen, die latenz- und fehlertolerant sind. Zumal im fliegenden Hotspot auch einmal für Sekunden die Internet-Anbindung ausfällt, wenn das Flugzeug eine enge Schleife fliegt. Dann verliert die Antenne nämlich die Verbindung zum Satelliten.

Letztlich ist der fliegende Hotspot zum Surfen, um schnell die neuesten Nachrichten online zu lesen, oder E-Mails abzurufen ein brauchbares Tool. Möglichkeiten hierzu hat der Reisende laut Teltschik noch in diesem Jahr auf den Langstreckenflügen von Lufthansa, SAS, Japan Airlines und All Nippon Airlines. Doch für den Traum vom remoten Online-Office über den Wolken ist noch etwas Feinarbeit erforderlich.

Pro und Kontra

+ Jederzeit online;

+ per E-Mail erreichbar;

+ Zugriff auf das Internet;

+ Videokonferenzen und IP-Telefonie möglich;

+ auf Schiffen etwa E-Learning für die Mannschaft;

+ Übertragung von Systemdaten der Schiffe und Flugzeuge für die Wartung.

- Hoher Preis für Online-Nutzung;

- Latenzzeit der Satellitenverbindung;

- teilweise Verbindungsabbrüche;

- Probleme mit zeitkritischen Applikationen.

Steckbrief Technik

Mit Connexion hat Boeing weder den Hotspot noch das Surfen per Satellit neu erfunden. Das Kunststück der Ingenieure ist vielmehr, vorhandene Technologien wie WLAN, Satellitenübertragung etc. zu einem Lösungspaket zusammenzuschnüren, das auch unter schwierigsten Bedingungen funktioniert. Die größte Herausforderung war dabei die Inbetriebnahme der Satellitenantenne, die sich in einer Dom-ähnlichen Kuppel oben auf dem Flugzeugrumpf befindet. Die Schwierigkeit hierbei ist, dass die Antenne aufgrund der Fortbewegung des Flugzeugs ständig nachjustiert werden muss, um Verbindung zum Satelliten zu halten. Zudem muss sie eventuelle Schräglagen des Fliegers in Sekundenbruchteilen ausgleichen. Hier haben die Boeing-Techniker im Vergleich zum Lufthansa-Pilotversuch (Frühjahr 2003) deutlich nachgebessert und meistern nun 57 Grad. Sehen lassen kann sich auch die Übertragungsleistung der Antenne, die im Downlink bis zu 7,5 Mbit/s und im Uplink 256 Kbit/s überträgt.

Ansonsten befanden sich an Bord des Erprobungsflugzeugs nur Netzstandard-Komponenten wie etwa ein Cisco Access Point sowie ein handelsüblicher Router. Ergänzend ist noch ein Server für Multimedia-Angebote oder eigenen Content installierbar, der zudem als Proxy dienen kann. Ferner erlaubt das System, entsprechende Receiver vorausgesetzt, auch den Empfang von Satellitenfernsehen.

Der eigentliche Internet-Zugang sowie die Authentifizierung via Radius-Server finden am Boden in Seattle statt. Hier befindet sich die erdgebundene Satelliten-Kopfstation, welche die Daten aus dem Flieger verarbeitet und ins Internet weiterleitet.