Filmstudios machen Druck auf die Hardwarehersteller

Im Streit um die DVD ist noch kein Ende in Sicht

13.09.1996

In den vergangenen Monaten waren in der Branche wiederholt Gerüchte und Meldungen aufgetaucht, wonach die Filmproduzenten ein einheitliches DVD-Format verhindern wollten. Die Hardwarehersteller sollten nach diesen Informationen dazu verpflichtet werden, regional unterschiedliche DVD-Drives anzubieten. Damit könnte beispielsweise ein auf einer amerikanischen DVD gespeicherter Film nicht von einem europäischen DVD-Player gelesen werden. Hintergrund ist die gängige Geschäftspraktik der Filmstudios, die Vermarktung neuer Filme weltweit zeitlich zu staffeln. Durch ein einheitliches DVD-Format könnten Filme entgegen den Plänen zeitgleich in Europa und den USA auf den Markt kommen. Mehrere diesbezügliche Anfragen der COMPUTERWOCHE bei Filmproduzenten in Hollywood blieben unbeantwortet.

Die DVD-Technologie ist nicht nur für Filmproduzenten interessant, sondern für die gesamte DV-Branche. Zwar ähnelt die Digital Versatile Disk ihrem Vorgänger, der Compact Disk (CD) mit 120 Millimeter Durchmesser und 1,2 Millimeter Dicke, wie ein Ei dem anderen. Sie bietet aber eine erheblich größere Speicherkapazität. Schon das kleinste der vier standardisierten DVD-Formate, DVD-5, kann mit 4,7 GB etwa siebenmal soviel Daten aufnehmen wie eine bisherige CD. Diese Steigerung konnte durch eine Halbierung der Spurweite von 1,6 auf 0,74 Millimeter und eine Verkleinerung der eingeprägten Strukturen von 0,83 auf 0,4 Mikrometer erreicht werden.

Nach Ansicht von Ralf Hansen, Marketingleiter Video bei der Panasonic Deutschland GmbH (Vertriebstochter des japanischen Matsushita-Konzerns), entstehen durch die Forderungen der Filmproduzenten in erster Linie Probleme auf der Softwareseite. Die Filmanbieter wollten auf der Software einen Regionalcode aufbringen, der von den DVD-Playern ausgelesen wird. Je nach Code könnten die Geräte dann den Film abspielen oder nicht. Unklar bleibt aber weiterhin, ob das Abspielen ausländischer Filmproduktionen auch hardwareseitig verhindert wird. Ohne eine regionale Anpassung der DVD-Player durch die Hardwarehersteller scheint dies kaum möglich.

Für Josef Brauner, Vorsitzender der Geschäftsführung der Sony Deutschland GmbH, ist klar, daß es auch bei der Hardware regionale Unterschiede geben wird. "Wie die Anpassung erfolgt, ist aber auch für mich schleierhaft." Der Manager geht allerdings davon aus, daß es in wenigen Wochen zu einer Einigung zwischen Hardware- und Softwareanbietern kommen wird.

Die jüngste Verschiebung der DVD-Markteinführung durch Sony hängt nach Darstellung Brauners in erster Linie mit den fehlenden Spezifikationen zum Kopierschutz in den DVD-Systemen zusammen.

Die Forderung nach einem Mechanismus gegen ein mehrmaliges Kopieren der DVDs kommt ebenfalls von den großen US-Filmstudios, die eine unkontrollierte Vervielfältigung ihrer Spielfilme fürchten.

Laut Brauner ist für Sony aber auch die Art und Weise entscheidend, wie ein Produkt auf dem Markt eingeführt wird. "Hier hat sich die UE (Unterhaltungselektronik) in den letzten Jahren nicht mit Ruhm bekleckert", sagt der Manager. Die Beispiele Minidisk oder CD-ROM hätten gezeigt, daß sich neue Hardware ohne ausreichend Software - in diesem Fall in Form von Musiktiteln -nur zögerlich durchsetzen könnte. Er fürchte, daß Konkurrenten wie Panasonic jetzt wieder Geräte auf den Markt werfen, ohne daß genügend Softwaretitel verfügbar sind. Wenn dann die Verkaufszahlen hinter den Erwartungen zurückblieben, würden Marktschreier erneut Unsicherheit bei den Konsumenten verbreiten. Brauner: "Einige Hersteller spekulieren mit der DVD noch immer auf das Weihnachtsgeschäft. Das ist genau der falsche Weg. Man kann das nur zusammen mit der Software machen." Sony werde seine DVD-Systeme auf den Markt bringen, wenn genügend Software vorhanden sei. Mit der Markteinführung in Japan und Amerika sei im Frühjahr zu rechnen in Europa würden die Systeme voraussichtlich zur Internationalen Funkausstellung verfügbar sein, die Ende August beginnt.

Deutlich früher will dagegen der japanische Pioneer-Konzern mit seinen DVD-Playern auf den Markt kommen. Nach der Einführung in Japan und Amerika sollen noch im Januar 1997 die ersten Geräte in Europa ausgeliefert werden. Takafumi Asano, Chef der deutschen Pioneer-Tochter, erwartet entgegen der Einschätzung Brauners von Anfang an hohe Verkaufszahlen in Deutschland.

DVD-Technik

Die ursprüngliche Kapazität der DVD (4,7 GB) läßt sich durch eine zusätzliche Schicht fast verdoppeln (8,5 GB, Format DVD-9). Dabei besteht die Scheibe aus zwei Schichten, von denen eine halb durchlässig ist und die jeweils eigene, unterschiedliche Daten tragen. Die Abtastung erfolgt über einen Laser mit doppeltem Fokus. Jeder Fokus erfaßt genau eine der beiden Schichten.

Dieses Prinzip läßt sich durch doppelseitige Medien mit dann insgesamt vier datentragenden Schichten nochmals erweitern. Die DVD-10 hat auf beiden Seiten je eine Schicht und kommt damit auf zweimal 4,7 gleich 9,4 GB Fassungsvermögen. Die Speerspitze bildet schließlich die DVD-18 mit zwei Seiten zu je zwei Schichten und 17 GB Kapazität.

Die Speicherung bewegter Bilder in TV-Qualität wird aber auch bei dieser Größenordnung erst durch Kompression der Daten möglich. Eine 4,7-GB-DVD kann unkomprimiert etwa vier Minuten Digitalvideo aufnehmen. Durch MPEG-2-Kompression passen aber problemlos Spielfilme auf eine solche Scheibe, ohne daß ein Qualitätsverlust wahrnehmbar wäre. Die Kompression beruht im Wesentlichen darauf, daß nicht jeweils die kompletten Informationen für ein neues Bild gespeichert werden, sondern nur diejenigen Daten, die sich im Vergleich zur letzten Darstellung geändert haben. Damit läßt sich die Datenmenge im Schnitt um etwa 95 Prozent reduzieren.

Als Speichermedium im Computerumfeld dürfte die DVD allerdings erst dann richtig interessant werden, wenn sie auch beschreibbar ist. Takafumi Asano von Pioneer Deutschland erwartet erste einfach beschreibbare DVDs für Ende 1998. Beliebig häufig wiederbespielbare Scheiben, sogenannte DVD-RAMs, gibt es nach Asanos Ansicht erst im kommenden Jahrtausend.