Krise am US-IT-Markt gefährdet Open-Source-Shooting-Star

Hohe Verluste führen bei VA Linux zu Entlassungen

02.03.2001
MÜNCHEN (CW) - VA Linux, Anbieter vorkonfigurierter Linux-Systeme, steckt in der Krise. Im zweiten Quartal des Geschäftsjahres 2001 blieb der Umsatz unter den Erwartungen, die Verluste verdoppelten sich, und die Aktie stürzte ab.

Die Absatzkrise der US-amerikanischen IT-Industrie hat dem einstigen Shooting-Star der Open-Source-Szene seinen letzten Glamour genommen. Vor 15 Monaten hatte VA Linux einen Nasdaq-Rekord aufgestellt, als die zu 30 Dollar eingeführte Aktie ihren ersten Handelstag mit 240 Dollar abschloss. Dann ging es bergab. Von April bis Oktober 2000 schwankte der Kurs um 40 Dollar, im letzten Oktober fiel er knapp unter zehn Dollar. Eine schlechte Nachricht reichte, um ihn weiter in den Fünf-Dollar-Keller zu schicken.

VA Linux hat im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahres im operativen Geschäft einen Verlust von 13,4 Millionen Dollar, 28 Cent pro Aktie, gemacht. Im gleichen Quartal des Vorjahres waren es mit 6,3 Millionen Dollar (20 Cent pro Aktie) nicht einmal die Hälfte gewesen. Am 16. Januar hatte das Unternehmen gewarnt, der Verlust könnte sich auf 24 bis 28 Cent pro Aktie belaufen.

Auch in einem anderen Punkt verfehlte das Unternehmen die eigenen Prognosen. Die hatten einen Umsatz von 43 bis 50 Millionen Dollar vorausgesehen, tatsächlich wurden es 42,5 Millionen. Das ist mehr als das Doppelte der 20,2 Millionen Dollar Umsatz im Vergleichsquartal 2000, aber letztlich eine Enttäuschung der Analystenerwartungen.

Die Anleger reagierten prompt mit einem Kursabschlag. Eine Erholung ist nicht absehbar, weil die Linux-Company Inventar für 14 Millionen und weitere 2,5 Millionen Dollar für nicht eintreibbare offene Rechnungen abschreiben muss. Nicht spezifiziert sind die Kosten einer angekündigten Restrukturierung im nächsten Quartal. Das Ziel schwarzer Zahlen soll nicht mehr in diesem Jahr, sondern laut Gründer und Chief Executive Officer Larry Augustin frühestens zum Ende des nächsten Geschäftsjahres erreichbar sein.

Zwei Maßnahmen sind erfolgt: Ein Viertel der Angestellten, im Dezember hatte VA Linux 556, von denen schon einige entlassen sein sollen, bekommen den "Pink Slip", den Kündigungsbrief. Damit soll die Ausgabenseite erleichtert werden. Mit Ali Jenab wurde ein President und Chief Operation Officer benannt. Der war seit August 2000 Senior Vice President und General Manager Systems Division. Damit zieht sich Augustin aus dem Tagesgeschäft zurück, um nach eigenen Worten mehr Zeit für die strategische Ausrichtung des Unternehmens zu bekommen.

Zutiefst persönlich getroffen durch die Entlassungen zeigte sich der Open-Source-Veteran und -Evangelist Eric Raymond in einem Beitrag für den Nachrichtendienst "Linux Today" (www.linuxtoday.com). Der Autor des Kultbuchs "The Cathedral and the Bazaar" sitzt im Aufsichtsrat von VA Linux.

"Es ist ein verrücktes, beklemmendes Gefühl, hier mit Freunden zu sprechen und zu wissen, dass sie gehen müssen, obwohl sie keinen Fehler gemacht haben", schreibt Raymond. Er habe den Entlassungen zugestimmt, "weil ich die mögliche Alternative verstanden habe: keine Firma. Und keine Angestellten." VA Linux steht also auf der Kippe.