Informationsgesellschaft verlangt zusaetzliche Qualifikationen

Heutige Informatiker koennen kuenftige Probleme nicht loesen

15.03.1996

Die Marburger Inhaberin des Beratungsunternehmens Baukrowitz & Boes nennt die Gruende, aus denen sich der Informatiker als Dienstleister schwertun werde. Bereits jetzt gehoere es zu seinen Aufgaben, unterschiedliche IT-Systeme zu integrieren, die Probleme und Anforderungen des Anwenders zu kennen und die richtigen Loesungen zu finden. Weiterhin soll der DV-Profi Software entwickeln und integrieren, bei Organisationsproblemen beraten und in Reorganisationsprozessen mitarbeiten. "Diese Aufgaben sind fuer den Techniker schwer zu bewaeltigen," so die nuechterne Analyse der Marburger Beraterin.

Zwar sei schon lange davon die Rede, dass sich der Techniker zum kunden- und anwendungsorientierten Dienstleister mausere. Auch die zunehmenden Qualifizierungsangebote, in denen es um den Erwerb sozialer Kompetenzen gehe, beruecksichtigten diese Entwicklung. Die Bilanz sei laut Baukrowitz indes ernuechternd: "Erwerb wie Vermittlung sozialer Kompetenzen stellten sich letztlich als zuwenig aufgabenbezogen und damit ineffektiv heraus."

Ein Mitarbeiter mit dem Selbstverstaendnis eines Technikers werde eine ihm uebertragene Aufgabe unter dem Blickwinkel eines rein technischen Problems wahrnehmen und entsprechend bearbeiten. "Das Problem besteht fuer IT-Fachkraefte wie fuer die Weiterbildung nicht im Fehlen einiger Kompetenzen, sondern im Auseinanderfallen von beruflicher Rolle und beruflicher Identitaet", meinte Baukrowitz. Sie beschrieb auch die Gefahren, wollte man diese Schwierigkeiten ignorieren:

Verunsicherung, Wagenburgsyndrom und innere Kuendigung. Wer sich nicht mehr zurechtfinde, koenne auch seine Qualifikationen nicht mehr kompetent einbringen, meint Baukrowitz. Mitarbeiter wuerden anfangen "quer zu schiessen" oder sich in ihren Abteilungen zurueckzuziehen.

-mangelnde Lernbereitschaft. "Ein Mensch lernt nur, was er fuer notwendig haelt", warnt die Beraterin. Wer nicht einsehe, warum er soziale Kompetenzen fuer die Bewaeltigung seiner Arbeit benoetigt, der werde auch mit noch so vielen Kursen nicht kommunikativer. Im Gegenteil: Je mehr Trainingsmassnahmen nicht auf Verstaendnis stossen, desto staerker wirkten sie kontraproduktiv und fuehrten zu zurueckgehender Lernbereitschaft.

-Verlust wichtiger Kompetenzen. Die alte Technikeridentitaet reiche nicht aus, um sich in der veraenderten Rolle zurechtzufinden. Ueber Jahre erworbene Qualifikationen koennten daher auch nicht fuer die neue Situation nutzbar gemacht werden. Die Konsequenz sei, dass Qualifikationen der Mitarbeiter "versacken", weil sie nicht erneuert werden.

Fuer die Zukunft reiche es deshalb nicht aus, die Vermittlung bestimmter Qualifikationen durch einzelne Kurse zum Schwerpunkt der Weiterbildung zu machen. Sie muesse vielmehr die Computerfachleute "bei der Bildung einer neuen beruflichen Identitaet unterstuetzen".

Mitarbeiter muessten in ihrer Qualifizierung die Gelegenheit bekommen, sich mit ihrem bisherigen Aufgabenverstaendnis aktiv auseinanderzusetzen, um dann eine neue Auffassung zu entwickeln. Weiterhin empfiehlt Baukrowitz das Training von zusaetzlichen Kompetenzen und eine professionelle Gestaltung der Projektarbeit.

Die Beraterin ist sicher, dass kuenftig nur ganzheitliche Weiterbildungskonzepte den Computerfachleuten weiterhelfen, um die Probleme der Informationsgesellschaft loesen zu koennen. Eine "tiefgreifende Neuorientierung" im Bereich der IT-Weiterbildung sei "unverzichtbar", sonst koennten DV-Profis zum "Haupthemmschuh" von Umstrukturierungen werden.