Hentschel hält Kritik der Gewerkschaften am BDSG für grundlos:Persönlichkeitsschutz deutlich verbessert

29.07.1977

Als Replick zum CW-Interview "DGB: 1984 ist im Grunde bereits Realität" (Ausgabe 26 vom 17. Juni 1977) erhielten wir von Bernd Hentschel folgenden Leserbrief:

Daß das BDSG noch viele Fragen offenläßt, dürfte für jeden Anwender und Begünstigten dieses Gesetzes, der sich mit der Rechtsmaterie des Datenschutzes auseinandersetzt oder auseinandersetzen muß, unstrittig sein.

Datenschutzrecht und dessen Auswirkungen sind Neuland für alle Beteiligten, die ausgelotet und durch Rechtsprechung ausgebildet werden müssen. Dem Gesetzgeber fiel die Aufgabe zu, komplizierte und komplexe Sachverhalte der Informationsverarbeitung zu regeln, ohne das Informationsgebaren der Wirtschaft und Verwaltung so einzuengen und zu beschneiden, daß der Lebensnerv und die Existenz unserer Volkswirtschaft durch Informationsrestriktionen, zuseitzlichen Kostenaufwand und Wettbewerbsnachteilen bedroht werden. Dieser zwingende Interessenausgleich mußte sich zu Lasten eines "perfekten" Gesetzes auswirken.

Die bisherige stürmische Entwicklung der Informationsverarbeitung wird nunmehr durch das BDSG mit dem präventiven Personlichkeitsschutz konfrontiert, der die weitere technische Entwirklung und den Umgang mit personenbezogenen Daten natürlicher Personen in neue Bahnen lenkt. Um die zukünftige Entwicklung aber mit auffangen und adäquaten Regelungen unterwerfen zu können, mußte der Gesetzgeber den Weg der Regelung über Generalklauseln (z. B. schutzwürdige Belange) und unbestimmte Rechtsbegriffe (z. B. berechtigtes Interesse) beschreiten, wobei Einzelregelungen ihre Konkretisierung in den jeweiligen bereichsspezifischen Vorschriften erfahren.

Der Forderung, die materielle Gerechtigkeit dem Spiel der Kräfte zu überlassen, kann nicht gefolgt werden, da eine solche Regelung automatisch zu einer unterschiedlichen Behandlung des Datenschutzes in den einzelnen Anwendungsbereichen führen würde, was contra den im Grundsatz verankerten Persönlichkeitsrechten des einzelnen wäre.

Neu ist die Spielvariante, das BDSG anhand der im Gesetz vorgeschriebenen betrieblichen Selbstkontrolle durch den Datenschutzbeauftragten und dem "mangelnden Problembewußtsein" sowie der "fehlenden Sockel-Qualifikation" der zu bemühenden Richter ad absurdum führen zu wollen.

Gerade die betriebliche Selbstkontrolle ist die einzige richtige Alternative, um am Ort geeignete Maßnahmen einzuleiten und zu gewährleisten. Datenschutz dem "Spiel der Kräfte" zu überlassen oder noch mehr behördliche Kontrolle einzurichten geht an der Wirklichkeit vorbei und gefährdet unsere Wirtschaftsordnung.

Was die Justiz anbetrifft, so hat sie bisher auf dem Boden unserer Rechtsordnung ihre Urteile gefällt, warum dieses anders werden soll, ist nicht einzusehen. Die erforderliche sachliche Qualifikation zur Beurteilung anstehender Tatbestände dürfte auch hier, wie in den anderen Rechtsgebieten, durch Heranziehung qualifizierter Sachverständiger seitens der Richterschaft gewährleistet sein.