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Heftige Proteste bremsen Softwarepatente

02.09.2003

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Der Streit um die Einführung von Softwarepatenten spitzt sich zu. Nach heftigen Protesten und internen Querelen in den Parteien musste das Europäische Parlament die Abstimmung über einen Gesetzesvorschlag verschieben. Kritiker warnen vor den Folgen einer unbegrenzten Patentierbarkeit von Geschäftsmethoden und Algorithmen.

Nach dem ursprünglichen Zeitplan sollte das Europäische Parlament gestern über den Richtlinienvorschlag entscheiden. Doch schon Monate vorher formierte sich der Widerstand verschiedener Interessengruppen. Vor allem die der Open-Source-Gemeinde nahestehende Eurolinux-Allianz und der Förderverein für eine freie informationelle Infrastruktur (FFII) wehren sich. Selbst in einigen EU-Parteifraktionen kam es zu Auseinandersetzungen.

Am 27. August protestierten einige hundert Patentgegner in Brüssel gegen den von der britischen Europaparlamentarierin Arlene McCarthy formulierten Gesetzentwurf. Auf Initiative von Eurolinux und FFII sperrten rund 600 Organisationen ihre Websites vorübergehend, um auf die ihrer Meinung nach gravierenden Auswirkungen von Softwarepatenten aufmerksam zu machen. "Der von Arlene McCarthy vorbereitete Richtlinienvorschlag würde die grenzenlose Patentierbarkeit von Algorithmen und Geschäftsmethoden wie Amazon One Click Shopping in Europa durchsetzen", monierte etwa Benjamin Henrion, Leiter eines lokalen Organisationsteams.

Kritik regt sich indes nicht nur im Lager der Open-Source-Protagonisten. So hat sich auch die Fraktion der Grünen im Europaparlament klar gegen den Gesetzentwurf ausgesprochen. Sie sieht vor allem kleinere Softwareunternehmen bedroht, wenn mächtige IT-Konzerne in großem Stil Patente anmelden und daraus entstehende Ansprüche anmelden. Auch etliche sozialdemokratische Europabgeordnete stehen dem Richtlinienvorschlag ablehnend gegenüber, ist aus EU-Kreisen zu hören. Dass die Parlamentsentscheidung um mehrere Wochen verschoben werden musste, ist diesen Quellen zufolge auch auf interne Auseinandersetzungen in der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas zurückzuführen, zu der auch die britische Labour-Abgeordnete McCarthy gehört.

Unter ihrer Leitung hatte sich der Ausschuss für Recht und Binnenmarkt im Brüsseler EU-Paralament schon im Juni für die Patentregelung ausgesprochen. Neben einer europaweiten Vereinheitlichung einschlägiger Vorschriften führte das Gremium eine "Verbesserung der Wettbewerbsposition der europäischen Wirtschaft im Vergleich zu ihren wichtigsten Handelspartnern" als Argument ins Feld. In den USA etwa sind Patente auf Software seit langem gängige Praxis.

Erst vergangene Woche schaltete sich auch der Hamburger Chaos Computer Club (CCC) in die Diskussion ein. (Computerwoche online berichtete) Er nahm ein vom Online-Buchhändler Amazon.com beim Europäischen Patentamt (EPA) eingereichtes Patent zum Anlass, auf die Folgen des Gesetzentwurfs hinzuweisen. Das Beispiel Amazons könnte letztlich nur ein Vorgeschmack auf weitere "Trivialpatente", sein, warnen die Hanseaten. Diese dienten nicht der Innovationsförderung und dem Fortschritt, sondern lediglich dazu, Wettbewerber mit unfairen Mitteln aus dem Markt zu drängen. "Es kann nicht angehen, dass einfachste Tätigkeiten des menschlichen Lebens unter dem Vorwand des gewerblichen Rechtsschutzes kommerzialisiert werden", bringt CCC-Sprecher Andy Müller-Maguhn die Kritik auf den Punkt. "Es steht zu hoffen, dass die Volksvertreter im Europäischen Parlament sich wenigstens ein

Mindestmaß an gesundem Menschenverstand erhalten haben, um gegen die Patentierbarkeit von Geschäftsmethoden und Software zu stimmen."

Nach Angaben eines EU-Parlamamentssprechers soll die Debatte über den Gesetzesvorschlag nun in der Woche ab 22. September beginnen. Sofern keine weiteren Hindernisse auftauchten, könne eine Entscheidung dann binnen zwei bis drei Tagen fallen. (wh)