IT in Banken/Zielgruppenbestimmung mit Data-Minig

HBV Direkt: Auf der Suche nach dem willigen Kunden

07.05.1999
Die Hypo-Vereinsbank plant und bewertet ihre werblichen Versandaktionen mit Data-Mining-Tools. Norbert Henkel* berichtet.

Wenn der Versand von Werbung auf genauen Informationen über die Kunden beruht, ergeben sich daraus zweierlei Vorteile. Erstens können Kosten gespart werden, da nur erfolgversprechende Kunden angeschrieben werden und die Antwortquoten überdurchschnittlich hoch sind. Zweitens können sich die Kundenbetreuer einer Bank stärker auf ihre Hauptaufgabe, die Kundenberatung, konzentrieren.

Aus dieser Erkenntnis heraus entschlossen sich Tochterfirmen der beiden Vorläufer der heutigen HypoVereinsbank 1995, eine gemeinsame weitere Tochtergesellschaft zu gründen, die jetzige "HVB Direkt". Dort hat sich Data-Mining zu einem wichtigen Mittel der Vertriebsunterstützung entwickelt. "Im Gegensatz zu anderen Banken haben wir uns bereits sehr früh entschieden, unser Database-Marketing intern auszuwerten. Der Vorteil gegenüber einer Auslagerung ist, daß es das bankspezifische Fachwissen ermöglicht, die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Faktoren zu erkennen", erklärt Michaela Wimmer, Leiterin Marketing-Research bei HVB Direkt.

Um Kunden gezielt ansprechen zu können und dabei Streuverluste möglichst gering zu halten, erstellen die Database-Marketing-Spezialisten der HVB für jedes Produkt ein sogenanntes Reagierer-Profil. Es analysiert die Eigenschaften von "Reagierern" (Käufern) im Vergleich zu "Nicht-Reagierern" und gibt so Aufschluß über Potentiale und Kaufwahrscheinlichkeiten. Auf der Basis eines Reagierer-Profils können die Zielgruppen, bei denen die Kaufwahrscheinlichkeit sehr hoch ist, für die nächsten Aktionen ausgewählt werden.

Einsparungen rechtfertigen hohe Kosten

Für die Untersuchungen verwendet die HVB Direkt als Standardsoftware "SPSS 8.0", ein Analyse-Tool für Data-Mining. Damit stehen sämtliche Algorithmen zur statistischen Analyse zur Verfügung, die für die Auswertungen benötigt werden. Bei der Entscheidung war wesentlich, daß die modulare Software gezielt auf die Datensätze zugeschnitten werden konnte. Diese Flexibilität erhöht den Aussagegehalt der Ergebnisse erheblich.

Im Mittelpunkt der Analyse stehen Daten aus einer früheren Mail-Aktion zum selben Produkt, aus denen Erkenntnisse für zukünftige Aussendungen gewonnen werden können. Vor der eigentlichen Untersuchung der Daten müssen diese zuerst zusammengetragen werden. Dabei ist zu beachten, daß Daten aus den operativen Systemen nicht unbearbeitet in die Analyse einfließen können. Gründe hierfür sind zum Beispiel doppelte Datensätze, Ausreißer, fehlende Werte oder Inkonsistenzen in den Daten, die umfangreiche Änderungen notwendig machen. Dieser erste Schritt nimmt nicht selten 80 Prozent des gesamten Data-Mining-Prozesses in Anspruch. Um die Daten nicht vor jeder Analyse neu sammeln und bereinigen zu müssen, hat die HypoVereinsbank ein auf eine Oracle-Datenbank gestütztes Data-Warehouse aufgebaut. Das ist zwar teuer, rechtfertigt sich aber durch Einsparungen bei den Aussendungen.

Ausgangspunkt ist die Strategie der Versandaktion, die in den Fachabteilungen der Bank konzipiert wird. So kann die Aufgabe etwa lauten, diejenigen Kunden herauszufinden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein Angebot zu einer Immobilienfinanzierung reagieren. Immer wieder geht es um den Zusammenhang zwischen den vorliegenden statistischen Faktoren - wie etwa Alter, Beruf, regionale Herkunft, Bonität, Geschlecht, Familien- und Berufsstand sowie schon genutzte Produktangebote - und den abhängigen Variablen (Reagierer beziehungsweise Nicht-Reagierer auf ein Produkt). Will man dabei auf exakte Ergebnisse kommen, so muß sich die Software auf die Besonderheiten der Daten einstellen können. Fehlt beispielsweise innerhalb der Daten eine überdurchschnittlich hohe Zahl an Werten oder ist der Informationsbestand sehr klein, muß das Analyseverfahren variiert werden. Nur so sind zuverlässige Ergebnisse erzielbar.

Die Zahl der gewonnenen Faktoren hängt von dem Produkt und der jeweiligen Zielgruppe ab. Ist diese homogen, ergeben sich um die fünf bis zehn Faktoren, die den potentiellen Reagierer kennzeichnen. Besteht die Menge der Reagierer jedoch aus vielen heterogenen Gruppen, braucht man unter Umständen auch mehr als zehn Faktoren.

Die Analyse dauert zirka zwei Wochen. Anschließend werden die ersten Ergebnisse mit dem verantwortlichen Fachbereich durchgesprochen und die endgültigen Zielgruppen anhand des Profils sowie der einfließenden Rahmenbedingungen festgelegt. Dabei handelt es sich beispielsweise um das vorhandene Budget oder um die Vorgabe, daß gewisse Kunden nicht in die Mailing-Aktion einbezogen werden sollen. Ein Beispiel: Man berücksichtigt bei einem Kreditangebot die Rückzahlungsmoral der eventuell anzuschreibenden Kunden.

Liegen die Analyseergebnisse vor, wird die Kampagne entwickelt. Durch das gewonnene Reagierer-Profil und eventuell vorliegende soziodemografische Merkmale können die eingesetzten Marketing-Mittel auf die Zielgruppe zugeschnitten werden. Beispielsweise wird bei einem jungen Publikum eine andere Sprache und Illustration gewählt als bei "gediegenen" Altkunden. Insgesamt vergehen von der ersten Analyse bis zum Versand der Mailings nicht selten einige Monate. Dafür treffen die Aussendungen wesentlich genauer die Zielgruppe, und weil weniger Briefe verschickt werden, wird es billiger. Bei einer Verkaufsaktion zum Privatkredit auf der Basis eines Reagierer-Profils wurden im Vergleich zum Vorjahr 70 Prozent der Kosten eingespart.

Die fünf Schritte des Data-Mining

1. Assess

"Assess" bedeutet, innere Zusammenhänge der Daten zu verstehen. In dieser Phase wird bestimmt, welche Daten im Hinblick auf Ziele, Strategien und Prozesse gesammelt und bereinigt werden müssen.

2. Access

Zum Sammeln und Wiedergewinnen von Daten bedarf es effektiver technischer Unterstützung. Wichtig ist der Zugriff auf sämtliche Daten, egal, ob diese in Data-Warehouses, Data-Marts, Datenbanken, Altsystemen, Spreadsheets oder extern vorliegen.

3. Analyze

Eine Möglichkeit, die Investition in Warehouses auszunutzen, ist die gründliche Analyse von verborgenen Trends und Mustern in Daten. Mit diesem Schritt wird aus Daten wertvolles Wissen. Software-Tools sollten die gängigsten Algorithmen für sämtliche wichtigen Analysetechniken anbieten.

4. Act

Nach der Datenanalyse werden die Ergebnisse den jeweiligen Entscheidern vorgestellt. Je übersichtlicher die Reports, desto besser verstehen auch Nichtstatistiker die zentralen Aussagen.

5. Automate

Wiederkehrende Prozesse, bei denen mit jeweils neuen Daten ein und dieselbe Analyse betrieben wird, sollten automatisiert sein. Das spart Zeit.

Quelle: SPSS GmbH

Tips zum Data-Mining

Antworten per Knopfdruck:

Trotz der Benutzerfreundlichkeit von Data-Mining-Tools geht es nicht ohne statistisches Know-how. Von der Bewertung der Daten über die Wahl der Algorithmen bis hin zur Interpretation der Ergebnisse ist Fachwissen unumgänglich. Die Softwarehersteller bieten in der Regel Beratung und Training an.

Einbinden in Gesamtstrategie:

Data-Mining beginnt nicht erst mit der Datenauswertung. Wichtig ist, daß bereits beim Sammeln von Daten bekannt ist, welche Analysen erstellt werden sollen. Nur durch eine klar strukturierte Konzeption können aussagekräftige Ergebnisse erzielt werden.

Wahl der Methode:

Steht die Gesamtstrategie fest, ist die Auswahl der Methode das entscheidende Glied in der Analysekette. Bei der Beschreibung von Kunden bieten sich beispielsweise deskriptive und exploratorische Analysen an, wogegen sich beim Aufsuchen homogener Gruppen in Daten Cluster-Analysen oder neuronale Netze eignen. Dabei ist jedoch zu beachten, daß neuronale Netze das Ergebnis liefern, ohne die einzelnen Schritte zu dokumentieren.

Angeklickt

Die HVB Direkt ist heute eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der HypoVereinsbank. Sie ist 1995 entstanden aus dem Zusammenschluß der ehemaligen Vereinsbank-Tochtergesellschaft VB Dialog und der früheren Hypo-Tochtergesellschaft H.E.L.B. GmbH. In der HVB Direkt befassen sich 600 Mitarbeiter mit einem umfangreichen Angebotspaket zur Vertriebsentlastung. Zwölf Mitarbeiter umfaßt das Marketing-Research-Team der HVB Direkt. Sie bestimmen die Zielgruppen für den Werbeversand mit Hilfe von Data-Mining ein.

* Norbert Henkel ist freier Journalist in Baden-Baden.