Qualifizierte Produkte erfordern reibungslosen InformationsfIuß:

Hausgemachte Konzepte verderben DB-Effizienz

17.05.1985

Die rationelle und konkurrenzfähige Führung eines heutigen Unternehmens bedarf eines gut und aktuell funktionierenden, vielschichtigen und aufwendigen Informationsflusses im gesamten betrieblichen Ablauf. Diese Informationsübertragungen finden zwangsläufig zwischen den verschiedenen Fachbereichen und den dort verwendeten manuellen Verfahren beziehungsweise DV-Systemen statt. Qualität und Quantität dieser Informationsverarbeitung ist dabei abhängig vom Charakter der Produkte.

Die benötigte Fülle an Informationen ist manuell nicht mehr zu bewältigen. Hierzu bedarf es eines integrierten, maschinellen Informationsnetzes. Im Einsatz sind überwiegend gewachsene DV-Systeme oder Verfahren, die - insulär entstanden und datentechnisch veraltet - sich meist zur effizienten Integration schlecht oder gar nicht eignen. Die Folge sind Informationsdefizite beziehungsweise -verzögerungen.

Für die gesamte (zukünftige) produktbezogene Informationsverarbeitung schält sich immer mehr CIM als Sammelbegriff heraus. CIM steht für "Computer Integrated Manufacturing" und bedeutet, daß ein vollständig rechnerunterstützter Informations- und Verarbeitungsfluß der Entwicklungs-, Planungs- und Fertigungsdaten durch die gesamte Organisation auf der Basis eines gemeinsamen rechnerinternen Produktmodells aufgebaut wird. Der Produktionsprozeß der Zukunft besteht aus modularen und verknüpfungsfähigen Teilsystemen, die von dezentralen Rechnern gesteuert werden und über Hochgeschwindigkeitsnetz gekoppelt sind.

Sprachverwirrung zwischen den Systemen dominant

Der momentane Realisierungsstand zeigt noch eine starke Sprachverwirrung zwischen den verschiedenen DV-Systemen mit den daraus resultierenden Nachteilen, wie mehrfachen manuellen oder maschinellen Zwischenumsetzungen (Bridges), Zeitverzögerungen, personellem Mehraufwand und verstärkten Fehlerquellen. Dies gilt insbesondere im Bereich der Geometrieverarbeitung (CAD/CAM/CAE), aber auch in deren Verbindung zu administrativen Systemen, die keinesfalls unterschätzt werden darf.

Als Konsequenz sind zu nennen:

- Doppelarbeit in der Informationsbeschaffung und -führung.

- Informationsbeschaffung ist eine Hauptaufgabe; die eigentliche Informationsverarbeitung kommt dadurch zu kurz.

Vereinzelte maschinelle Datenübertragungen zwischen einzelnen Systemen (Punkt-zu-Punkt-Verbindungen) bieten zwar gewisse Abhilfen, stellen aber bei weitem nicht das Optimum dar, insbesondere bezüglich Effizienz und Zukunftssicherheit (Portabilität, Wartbarkeit, Weiterentwicklungsfähigkeit) .

Auf Grund der komplexen Datenqualitäten und Datenquantitäten von

CAD/CAM-Systemen lassen sich integrierte ClM-Systeme nur unter Verwendung von geeigneten Datenbank-Systemen realisieren.

Die Entstehung, Verarbeitung und Weitergabe von Informationen während des Entstehens- und Lebenszyklusses eines technischen Produktes wird immer vielschichtiger und aufwendiger. Dabei werden die Zeiträume für Entwicklung, Produktion und Einsatzzeitraum dieser Produkte immer kürzer.

Das Informationsvolumen eines Produktes wird, angefangen von der Ideenfindung bis zur Fertigung, sowohl qualitativ als auch quantitativ, immer größer. Einen entscheidenden Einfluß auf die Produktoptimierung beziehungsweise -güte hat dabei notwendigerweise der Informationsfluß zwischen den Fachabteilungen. Dieser sollte möglichst im Sinne eines optimierenden Regelkreises mehrfach mit Feed-back ablaufen können. Ein Beispiel eines solchen Informationsnetzes enthält Abb. 1.

Ein solches Informationsnetz muß sich auf Informationsmodelle abstützen, die zwischen den Fachabteilungen abgestimmt sind und gleichermaßen verstanden werden. Es ist Aufgabe der Unternehmensleitung, eine solche gemeinsame Verständigungsbasis zu schaffen.

Ein technisch anspruchsvolles Produkt (zusammengesetzt aus Einzelteilen) ist bestimmt durch äußere und innere Geometrien sowie physikalische und technologische Parameter. CAD/CAM ist als das zentrale Tool für die Erstellung, Führung, Verarbeitung und Weitergabe beziehungsweise Verteilung dieser gesamten Information anzusehen.

Im Gesamtrahmen CIM finden dann auf Ingenieurseite technischwissenschaftliche Berechnungen statt. Diese Näherungsverfahren (wie Finite-Elemente-Methoden) im CAE (Computer Aided Engineering) leben natürlich von und mit den CAD-Informationen.

Neben den Entwicklungsaufgaben läuft unter dem Begriff CAP (Computer Aided Planning) die gesamte Fertigungsvorbereitung.

Flankierend zur eigentlichen Produkterstellung sind die technisch-administrativen Aufgaben zu sehen, (Beispiele: Logistik, Konfigurationsmanagement, Dokumentation), die ins Informationsmodell des Unternehmens genauso integriert werden müssen wie der eigentliche geometrisch-konstruktive Sektor.

Die speziellen Anforderungen an das Gesamtsystem beziehungsweise die Schnittstellen sind aus den Notwendigkeiten der Datenspeicherung, des Datenzugriffs und des Datenaustausches zwischen den Einzelsystemen abzuleiten.

Systemwerbesserung umständlich

Zu optimieren ist neben den funktionalen und systembezogenen Anforderungen auch die Performance (Abb. 2)

Die bisher im Einsatz befindlichen DV-gestützten CAD/CAM-Systeme haben mehr oder weniger singulären oder autonomen Charakter (Insellösungen) und sind trotzdem funktional und vor allem datentechnisch noch verbesserungsbedürftig.

Auf Grund der Konzeption beziehungsweise des Realisierungsstandes ist zumeist eine Erweiterung oder Verbesserung nur umständlich und aufwendig zu erreichen. Dies hat bekanntermaßen historische Gründe, zum einen in der Entwicklungsseite, zum anderen bei dem Bestand an Altdaten.

Im Vergleich zwischen CAD und CAM schneiden die Systeme aus dem CAM-Bereich erheblich schlechter ab. Einmal sind die Fertigungsbelange funktional noch nicht ausreichend abgedeckt, zum anderen ist eine echte grafisch interaktive Kommunikation noch nicht vorhanden.

Aber auch bei Einzelsystemen läßt häufig die funktionale Erweiterungsfähigkeit zu wünschen übrig, ebenso der Benutzerkomfort.

Hierzu zwei Beispiele:

- 3D-Flächensysteme schaffen keine vollständigen Topologien, insbesondere zwischen inneren und äußeren Geometrien sowie Verschneidungen.

- Modellgrößenprobleme führen bei den meisten CAD/CAM-Systemen bis dato zu Einsatzproblemen.

Die Ursachen liegen eindeutig im Bereich der Gemetriedatenstrukturen (wenig flexibel und ausbaufähig) und der Geometriedatenspeicherung (rechnerinterne Darstellungen). Letztere erfolgt fast ausschließlich durch ein hausgemachtes File- beziehungsweise Modell-Handling (Intrin(...)-Data Bases). Zumeist geht bei größeren Datenmodellen die Effizienz und auch die Stabilität verloren, da typische Datenbank-Systemfunktionen fehlen (zum Beispiel Back-up).

In der Verbindung von CAD/ CAM-Systemen sind Effizienz, Performance und Wirtschaftlichkeit unbefriedigend. Die integrierte Assoziierung der technisch-administrativen Systeme an die CAD/CAM- und technisch-wissenschaftlichen Systeme (CAE) fehlt noch weitgehend.

Datenübertragung aufwendig

So lassen unflexible Geometriedarstellungen und -speicherungen Modellübertragungen zwischen verschiedenen Systemen nur mit hohem Aufwand, meist nur näherungsweise oder nur als Punkt-zu-Punkt-Verbindung zu.

Mit dieser Problematik haben auch alle Schnittstellenstandardisierungsbemühungen zu kämpfen, wie IGES, VDAFS.

Im Marktangebot von Datenbanken für den CAD/CAM-Einsatz lassen sich systematischerweise 3 Klassen finden:

"Versteckte" Datenbanken

Es gibt eine Reihe von eingeführten CAD-Systemen, deren Datenbasis nicht durch ein gesondertes Datenbanksystem verwaltet wird und deren Weiterentwicklung und Integration dadurch erschwert oder sogar verhindert wird. Dies gilt zum Beispiel für APT, das nur eine Scratch-Geometrie kennt, die temporär während der Übersetzung des Teileprogramms existiert. So werden oft die Geometriedaten in einer nicht portablen Form im Realspeicher verwaltet, wobei die Modellspeichergröße durch das verwendete Sicherungskonzept stark eingeschränkt ist.

Diese Systeme sind einfach entwicklungshistorisch mit einer eigenen, selbstgemachten Speicherverwaltung, der rechnerinternen Modelldarstellung, gewachsen, die aber nur für dieses System brauchbar ist und eben das Charakteristikum für geschlossene Systeme darstellt ("versteckte" Datenbank).

CAD-Datenbanksysteme

CAD- oder Geometrie-Datenbanksysteme haben leider noch keine große Verbreitung, weil das "Zusammenspiel" mit den CAD-Systemen nicht gegeben ist. Dabei gibt es hier schon ganz ausgezeichnete Vertreter dieser speziellen Klasse von Datenbanksystemen .

Anwendungsneutrale Datenbanken

Hierunter sind einmal die klassischen kommerziellen Datenbanksysteme zu verstehen wie IMS, ADABAS oder IDMS, aber auch Neuentwicklungen von relationalen Datenbanksystemen wie "Oracle".

Die erstere Gruppe ist aus Gründen der Flexibilität und der Performance wohl nur für Hintergrund-Speicherung von kompletten ("eingekapselten") Geometriemodellen einzusetzen. Ein positiver Aspekt ist hierbei unter Umständen die Nähe zu den administrativen Anwendungssystemen.

Die zweite Gruppe der relationalen Datenbanksysteme bietet ausreichend Flexibilität. Das Performance-Verhalten bedarf noch sorgfältiger Untersuchungen.

Die heutigen Ziele in der gesamten Informationsverarbeitung reflektieren die Möglichkeiten, die hard- und softwareseitig vorhanden oder absehbar sind.

Danach ist das machbare Ziel eine integrierte Informationsverarbeitung, in der ein ebenfalls integriertes CAD/CAM seinen Platz hat.

Um zu einem solchen integrierten, effizienten Gesamtsystem zu kommen, ist der Einsatz modernster Softwareentwicklungsmethoden und -tools notwendig, vor allem im Bereich Spezifikation und Design.

In Ergänzung zu den heute üblichen Methoden des Software-Engineering muß das Management die organisatorischen Voraussetzungen für den Aufbau von betrieblichen Informationsmodellen schaffen.

Es ist heute allgemein üblich, daß die Entwicklung von DV-Anwendungssystemen im Rahmen von Org./DV-Projekten-erfolgt. Die Integration dieser Anwendungen ist eine projektübergreifende Aufgabe. Daher muß für die Administration dieser Daten eine neutrale Funktion verantwortlich sein, das "lnformation Management".

Seine Aufgabe ist es, den Aufbau logisch konsistenter, integrierter und stabiler Informationsmodelle im Unternehmen abzusichern. Sie sind die Voraussetzung für die Erstellung stabiler konventioneller Anwendungsprogramme, den Einsatz von nonprozeduralen Sprachen und das physische Datenbankdesign.

Eine systematische Vorgehensweise ist Voraussetzung für eine Lösung überhaupt. Auf Grund der Datenmengen und -qualitäten sowie dem Erweiterungsbedarf der Anwendungsprogramme sind auch die Strukturen der Datenbanken nicht statisch, sondern Änderungen unterworfen.

Die kanonische Synthese ist eine Methode, die diese Tatsachen berücksichtigt. Sie geht von Datenstrukturen aus, die in der dritten Normalform stehen und baut die Änderungen so ein, daß die sich ergebenden neuen Datenstrukturen wieder in der dritten Normalform stehen. Sie analysiert die Datenelemente jeder neu zu programmierenden Benutzerfunktion und baut sie in das bestehende konzeptuelle Schema der Datenbank ein. Die Analyse erfolgt in drei Schritten:

- Ermittle die logische Bedeutung der Datenelemente der Benutzersicht.

- Führe die Datenelemente der Benutzersicht in die dritte Normalform über und erzeuge so ein stabiles Subschema.

- Baue das Subschema in das bestehende konzeptuelle Schema nach folgender Formel ein: konz. Schema(n) = konz. Schema(n - 1) + Subschema(n)

Zur konkreten Implementierung auf der Hardware legt das physische Schema fest, wie die Daten der Datenbank auf den verschiedenen Speichermedien gespeichert werden. Dabei sollte man dieses Schema so entwerfen, daß kurze Zugriffszeiten zu gespeicherten Informationen sichergestellt und der verfügbare Speicher effizient genützt wird. Neben der Aufteilung des Datenbankaspekts in logische Sicht (konzeptuelles Schema inklusive Benutzersicht) und physisches Schema gewinnt der Dualismus "lokal/zentral" auf Grund der heutigen Randbedingungen zunehmend an Bedeutung. Eine derartige Mischform wird sicherlich die zukünftigen Anforderungen am effizientesten und flexibelsten abdekken können, etwa die lokale Datenbank (incore) für CAD/CAM-Modellieraufgaben direkt am Arbeitsplatz und die zentrale Datenbank für die Gesamthintergrundspeicherung inklusive der Verwaltung der lokalen Datenbanken und der Verknüpfung mit den administrativen Anwendungen.

Damit wird folgendes möglich:

- konsistente Informationsmodelle (technisch und administrativ),

- beliebige Topologie-Erweiterungen,

- Assoziationen von administrativen Daten beziehungsweise Systemen,

- datentechnische Effizienz sowie - dynamische Modellgrößen.

Es wird immer deutlicher, daß CAD/CAM-Systeme nicht mehr allein unter dem Gesichtspunkt ihrer Möglichkeiten bezüglich Geometrie- und Anwenderschnittstelle bewertet werden, sondern immer mehr auch die Datenstruktur und die Abspeicherung der Daten in Vordergrund kommt. Mit der fortschreitenden Integration des CAD/CAM-Bereichs in die gesamte Informationsverarbeitung wird die moderne und konsistente Datenbasis immer wichtiger; die Entwicklung führt offensichtlich weg von Insellösungen hin zu universell einsetzbaren Datenbanksystemen.

Ein für den kommerziellen Bereich ausgelegtes Datenbanksystem ist überfordert, wenn mit ihm die Daten in CAD/CAM-Systemen verwaltet werden sollen, vor allem wegen der Komplexität der Verknüpfungen. Logische Operationen und Objekte mit häufig Hunderten von Elementen führen dann in der Regel zu unvertretbar langen Antwortzeiten. Für den CAD/CAM-Bereich werden deshalb zur Zeit entweder bestehende Datenbanksysteme verfeinert und CAD-fähig gemacht oder für CAD neu entwickelt, wobei die Systeme "Phidas" von Philips und das norwegische "Tornado" bereits einen guten Stand repräsentieren.

Der Beitrag basiert auf einem gekürzten Vortragskonzept des Autors anläßlich der CW-CSE-Fachtagung CAD/CAM '85 in München.

Die Proceedings zu dieser Veranstaltung sind zum Preis von 110, - Mark erhältlich bei

CW/CSE, Kaiserstr. 39, 8000 München 40.

* Dr. Werner Fischer ist als Hauptabteilungsleiter bei der Messerschmitt-Bölkow- Blohm GmbH verantwortlich für CAD/CAM-Entwicklungen.