Karl Pomschar x Infineon Top-Ten x IT-Executive des Jahres

Harmonisierer mit Durchsetzungskraft

31.10.2005
Für Karl Pomschar von Infineon besteht die Aufgabe des obersten IT-Lenkers darin, Prozessveränderungen im Unternehmen zu forcieren und zu begleiten - auch gegen interne Widerstände.

"Bei meinem Job kann man nie sagen ,Ich kann alles‘ - und genau dies macht ihn so spannend." So umschreibt Karl Pomschar, CIO beim Chiphersteller Infineon in Grasbrunn bei München, die schönen Seiten seiner Tätigkeit. Das Geschäft mit Chips ist volatil, Produktzyklen dauern mitunter nur ein Jahr oder weniger. Gleichzeitig müssen neue Produkte so schnell wie möglich auf den Markt kommen. Da die weltweite Konkurrenz stark ist, hat das Thema Time-to-Market große Bedeutung.

Drei Wünsche des CIO

Was sich Infineon-CIO Karl Pomschar in Sachen IT wünscht, hätte er drei Wünsche frei:

1. Ich wünsche mir, dass IT im Unternehmen als Teil der komplexen Supply-Chain verstanden wird und nicht nur als Lieferant.

2. Das viele meiner Kollegen dies entsprechend darstellen, damit wir als IT-Leute den Erwartungen unserer Kunden gerecht werden.

3 . Dass wir uns mehr von der Technik abwenden, und uns mehr um die geschäftlichen Belange eines Unternehmens kümmern. Anstatt auf das T in IT sollten wir uns mehr auf unseren Geschäftsbeitrag konzentrieren.

Zur Person

• Seit dem Jahr 2000 Senior Vice President und CIO bei Infineon Technologies AG;

• 1993 bis 2000 Direktor IT bei VLSI Technologies (Philips);

• 1990 bis 1992 Berater und Projektleiter;

• 1984 bis 1989 Manager Software bei Compaq Computer.

Erfolgsbausteine

• Entwicklung und Einführung eines globales Bestell- und Planungssystems (GOAL);

• Errichtung eines komplexen Supply-Chain-Management-Systems auf Basis von i2 mit enger SAP-Kopplung;

• Ablösung zahlreicher Legacy-Systeme durch SAP-Lösungen;

• Aufbau einer Enterprise-Application-Integration-Ebene, um alle Entwicklungs-, Produktions- und Geschäftsdaten zusammenzuführen.

Aus diesem Grund stehen für Pomschar die Anpassungsfähigkeit, Flexibilität und vor allem eine weltweite Standardisierung der Prozesse an erster Stelle. Seine Rolle als oberster IT-Lenker beschreibt er als "Change Agent". Und dieser Agent muss auch mal gegen Widerstände ankämpfen können. "Wenn man versucht, alles auf Kompromissbasis zu regeln, endet das irgendwann in hohen Kosten oder Inkompatibilität". Nicht immer sind Mitarbeiter sowie Manager mit einschneidenden Veränderungen einverstanden, speziell dann, wenn ihre "gut gehüteten Domänen" zur Disposition stehen. Die Ablehnung sollte aber zumindest begründet sein. "Für mich ist es nicht nachvollziehbar, wenn sich Leute innerlich sperren, obwohl dazu kein Anlass besteht."

Ein System für die Logistik Veränderungen an der IT-Landschaft finden bei Infineon in einem geordneten Rahmen statt. Grundlage dafür sind weitgehend standardisierte Prozesse, über regionale Grenzen hinweg. Demnächst laufen weltweit alle Bestell- und Logistikprozesse auf einem globalen ERP-System (Globales Bestell- und Planungssystem, kurz GOAL), das in den USA bereits im zweiten Release ausgerollt wurde, in Europa derzeit eingeführt wird und Anfang 2006 auch in der asiatischen Region zum Tragen kommt. Voraussetzung dafür war, neben den Geschäftsprozessen auch die weltweit vorgehaltenen Produktinformationen (Grunddaten) und Preisstrukturen zu harmonisieren.

Die enge weltweite Verzahnung ist erforderlich, da teilweise amerikanische Kunden Produkte bestellen, die dann ein Infineon-Werk in Europa und/oder Asien fertigt und an eine Niederlassung in Deutschland ausliefert. Der aus der Chipsparte des Siemenskonzerns hervorgegangene Halbleiterhersteller entwickelt, produziert und beliefert Kunden weltweit mit 14 Just-in-Time-Werken und drei Distributionszentren.

"Unsere Welt ist tatsächlich eine Scheibe", meint Pomschar symbolisch anlehnend an die Wafer-Scheiben, die bei Infineon verarbeitet werden. Inzwischen ordert der überwiegende Teil der Kunden elektronisch über standardisierte Formate wie Rosettanet oder EDI. Einen großen Teil der Legacy-Systeme haben Pomschar und sein Team in den vergangenen Jahren durch SAP-Lösungen ersetzt. Allerdings handelt es sich hier um Standardisierung der unterliegenden Plattform, denn es waren zahlreiche Anpassungen bei den Bestellprozessen und der Logistik erforderlich. Angebunden an die R/3-Enterprise-Umgebung ist die Supply-Chain-Planning-Komponente auf Basis der Lösung von i2. Mit ihr werden die Bedarfsmeldungen der Kunden und damit die benötigte Anzahl an Chips in den Distributionszentren errechnet.

Flexibler Budgetplan Die Anforderungen der Kunden ändern sich rasch: So sprunghaft wie Infineons Chipgeschäft ist auch das der Abnehmer, dazu zählen die führenden Unternehmen der Hightech-Branche. Mitunter müssen neue Fertigungskapazitäten vorgehalten werden, die weder in der Kosten- noch in der IT-Planung vorgesehen waren. Trotz längerfristiger Festlegungen werden die Budgetpläne daher regelmäßig durchleuchtet und angepasst.

Wer von flexiblen Prozessen spricht, erhält heute von Seiten der IT-Hersteller oft als Antwort, die Lösung sei in Service-oriented Architectures (SOA) zu finden. Doch obwohl oder gerade weil sich viele Anbieter den Slogan auf die Fahne geschrieben haben, rät Pomschar zur Umsicht. "Wir bewegen uns in Richtung Service-oriented Architecture, aber die Erfahrung zeigt, dass es ratsam ist, gewisse Technologien reifen zu lassen, da die wesentlichen Kosten in der Einführung von neuen Konzepten liegen."

Ausgewogenes Outsourcing Früher haben sich Unternehmen für eine Applikation entschieden, weil sie von einem bestimmten Lieferanten stammt. "Davon sind wir weg, heute unterhalten wir uns nur noch über Funktionen."

Auch beim Thema Outsourcing, das so mancher CIO-Kollege in anderen Unternehmen derzeit forciert, hat Pomschar eine eigene Meinung. "Wir haben die Kernkompetenzen der IT-Organisation festgelegt und betreiben Rightsourcing." Darunter versteht er einen gesunden Mix aus eigener und hinzu gekaufter Leistung. Ohne externe Unternehmen gehe es nicht mehr, doch es komme auf den Zuschnitt der eigenen Firma an. "Wir haben Mitarbeiter, die wissen, was wir brauchen. Die sind imstande, unseren Lieferanten und Partnern zu sagen, was wir benötigen. Und die können bewerten, was wir von externen Dienstleistern bekommen haben." Man müsse seine Geschäftskompetenzen selber verwalten.

Nach Vollendung des GOAL-Projekts ist Pomschar noch nicht am Ziel seiner Harmonisierungsbemühungen angelangt. Er und sein Team sind dabei, alle Entwicklungs-, Produktions- und Geschäftsdaten über eine EAI-Ebene zusammenzuführen. Auf diese Weise sollen Infineons Manager bei ihren Entscheidungen noch effizienter unterstützt werden. n

Frank Niemann