Bosse wagen den Blick in die Glaskugel

Hardwarehersteller hoffen auf Telekommunikationsbranche

23.06.2000
MÜNCHEN (CW) - Auf der CEO-Summit, die Mitte Juni in London stattfand, plauderten die Großen der Branche über die Zukunft ihres Geschäfts. Die Visionen schwankten zwischen der Hoffnung auf neue Märkte und der Unsicherheit, welche Produkte dort gefragt sein werden.

Die Hersteller von Handheld-Rechnern bauen für die Zukunft auf das Angebot neuer drahtloser Informationsservices. Nach Ansicht von David Potter, Chairman bei Psion, versprechen die Dienstleistungen rund um Inhalte und deren Übertragung derzeit die größten Gewinne. Carl Yankowski, CEO des Konkurrenten Palm, pflichtet seinem Kollegen bei. Nach seiner Einschätzung kommt den Hardwareherstellern die Aufgabe zu, die passenden Geräte für dieses Serviceangebot zu bauen.

Wie diese auszusehen haben und welche Techniken einzusetzen sind, darüber herrscht bei vielen Firmen allerdings nach wie vor Rätselraten. Vor allem das Zusammenwachsen von Daten-und Sprachübertragung werde eine Vielzahl unterschiedlicher Techniken hervorbringen, prophezeien Potter und Yankowski. Das Wireless Application Protocol (WAP) und Bluetooth seien nur der Anfang. Doch während der Psion-Chef fürchtet, dass die verschiedenen Standards die Entwicklung des Marktes bremsen könnten, glaubt Yankowski an die treibende Kraft konkurrierender Technologien.

Was die Kunden letztendlich wollen, liegt auch für den Palm-Boss noch im Dunklen. "Es ist grundsätzlich denkbar, einen Palm mit Handy-Funktionen zu bauen, aber ich bin nicht sicher, ob es dafür einen Markt gibt", zweifelt Yankowski. Angst um ihr Geschäft haben die Anbieter jedoch nicht. Der zukünftige Markt sei groß genug für mehrere Wettbewerber, beteuert Potter.

Compaq setzt beim E-Commerce auf EuropaOptimismus legte in dieser Hinsicht Compaq-CEO Michael Capellas an den Tag - vor allem für Europa. Der alte Kontinent könne mit Hilfe drahtloser Verbindungstechniken die USA bald in Sachen E-Commerce auf den zweiten Platz verdrängen. Neue Zugangsgeräte wie zum Beispiel WAP-Handys seien in Europa wesentlich stärker verbreitet als in den Vereinigten Staaten. Wenn es den Anbietern gelinge, attraktive Serviceangebote bereitzustellen, sei es nur eine Frage der Zeit, bis die Europäer die Nase vorn hätten.

Eher bedächtige Töne schlug Michael Dell, Chef des Direktanbieters Dell, in seiner Eröffnungsrede an. Während seine Company noch vor wenigen Jahren den PC-Vertrieb via Internet-Verkauf revolutionierte, betont Dell heute auch die Vorteile der alten Geschäftsmodelle. "Der Erfolg des Internet-Geschäfts beruht auch auf den Regeln des alten Marktes", erklärt der Unternehmensgründer.

Auf den "E"-Hype-Zug will der texanische PC-Hersteller nicht aufspringen. Ihren Vorteil sehe seine Company vielmehr darin, Geschäfte mit den Firmen abzuschließen, die sich im neuen Markt profilieren wollen. Als Beispiel führt Dell das Server-Geschäft an. Hier suche man Partnerschaften mit Application Service Providern (ASP) und versuche, diesen die richtigen Produkte und Services anzubieten.

Trotz der neuen Geräte und Märkte sieht der Dell-Chef keine Gefahren für das Kerngeschäft mit den PCs: "WAP-Handys und Handhelds werden den PC nicht verdrängen, sie können ihn nur ergänzen."