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Google und Microsoft bewerfen sich mit Schlamm

28.07.2005

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Im Streit um den für Googles neue Entwicklungsabteilung in China abgeworbenen Ex-Microsoft-Manager Kai-Fu Lee verhärten sich die Fronten. Beide Parteien beharren auf ihren Anschuldigungen und wollen es offensichtlich auf einen Prozess ankommen lassen.

Als Reaktion auf die Abwerbung hatte Microsoft Google und den ehemaligen Senior Vice President Kai-Fu Lee in Washington wegen Verletzung von Wettbewerbs- und Verschwiegenheitsklauseln im Arbeitsvertrag verklagt (siehe auch: "Microsoft zerrt Google vor den Kadi"). Der Suchmaschinenbetreiber konterte daraufhin mit einer Gegenklage beim obersten Gericht von Kalifornien. Darin argumentiert das in Mountain View ansässige Unternehmen, dass Microsoft Lee nach kalifornischem Recht nicht bei der Wahl seines Arbeitgebers behindern dürfe (siehe auch: "Streit um Topentwickler: Google kontert Microsoft mit Gegenklage").

Aus Sicht der Gates-Company ist das Gesetz jedoch nicht auf den 43-jährigen Spezialisten für Spracherkennung und künstliche Intelligenz anwendbar. Google versuche Lee als in Kalifornien wohnhaft oder berufstätig darzustellen, um ihn der Gerichtsbarkeit des Bundesstaats Washington zu entziehen und die vertraglichen Verpflichtungen zu brechen, argumentierte Microsoft in seiner Eingabe vor dem Gericht in Washington. Tatsächlich aber habe die Company den Topentwickler für ihr Forschungszentrum in China angeheuert.

Außerdem präsentierte Microsoft Unterlagen, wonach Lee für die Verpflichtung, nicht zur direkten Konkurrenz zu wechseln, mehr als fürstlich entlohnt worden sei. Seit der Unterzeichnung seines neuen Arbeitsvertrags im August 2000 habe der Manager mehr als drei Millionen Dollar Gehalt bezogen habe, eine Million davon allein im vergangenen Jahr, so der Softwareriese.

Aus Sicht von Google will Microsoft an Lee ein Exempel statuieren, um andere Mitarbeiter an einem Weggang zu hindern. Microsoft-CEO Steve Ballmer habe ihm persönlich erklärt, dass sich die Maßnahmen nicht gegen ihn, sondern gegen Google richteten, berichtete der Überläufer in einer eidesstattlichen Versicherung. Bill Gates habe Lee in einem Meeting davor gewarnt, dass Microsoft gegen ihn Anklage erheben werde. Ballmer habe nur nach einem Fall wie diesem gesucht, zitiert Lee den Microsoft-Chairman: einem Bereichs-Leiter, der zu Google wechselt.

Die Darstellung der Gates-Company, wonach der Abtrünnige bei einem direkten Konkurrenten eine Position übernehme, in der er sich mit exakt denselben Techniken und Strategien befasse, wies Google in seiner Stellungnahme vehement zurück. Lees Arbeit bei Microsoft habe das Thema Suche nur geringfügig berührt, so das Unternehmen. Auch sonst bestehe mit Googles künftigen Aufgaben keinerlei Zusammenhang. Der zuständige Richter Steven Gonzalez will noch am heutigen Donnerstag eine Entscheidung darüber treffen, wie in dem Fall weiter verfahren wird. (mb)