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Thema des Tages

Gesetz zur Scheinselbständigkeit wird nachgebessert

02.07.1999
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MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) – Das umstrittene Gesetz zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit, das derzeit in der IT-Branche für erhebliche Unruhe sorgt, wird noch einmal überarbeitet. Dies gab das Bundesarbeitsministerium gestern bekannt. Damit folgt Bundesarbeitsminister Walter Riester (SPD) den Verbesserungsvorschlägen einer Kommission, die das am 1. Januar 1999 in Kraft getretene Gesetz im Auftrag der Bundesregierung noch einmal überprüft hatte. Noch im Juli soll das Ministerium dem Bundeskabinett eine Gesetzesnovelle zur Beschlußfassung vorlegen.

Das Gesetz war ursprünglich entworfen worden, um "schutzbedürftige" Arbeitnehmer abzusichern. In den letzten Jahren war die Zahl derjenigen kontinuierlich gestiegen, die keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen und somit dem Status nach als "selbständig" gelten. Allerdings handelt es sich dabei oft um eine Scheinselbständigkeit, bei der die Auftraggeber und die "Selbständigen" die Zahlung von Sozialbeiträgen umgehen wollten. Diesem mangelnden Schutz der Scheinselbständigen wollte die neue Bundesregierung einen Riegel vorschieben. Das Gesetz, das unter anderem umstrittene Kriterien zur Kategorisierung von Selbständigen und Scheinselbständigen enthält, war jedoch auf erbitterten Widerstand gestoßen. Unternehmen und Selbständige befürchten horrende Nachzahlungssummen in die staatlichen Sozialversicherungskassen. Gerade die IT-Branche, wo viele unabhängige Berater projektbezogen und daher oft nur für einen Auftraggeber tätig

sind, ging auf die Barrikaden und erhielt Schützenhilfe vom Berufsverband Selbständiger in der Informationstechnik (BVSI) und vom Bundesverband Informations- und Kommunikationssysteme (BVB). In Deutschland seien rund 30 000 freiberufliche DV-Berater gefährdet, hieß es.

Nun sollen laut Arbeitsministerum zunächst drei Punkte des Gesetzes nachgebessert werden:

Arbeitnehmerähnliche Selbständige – das heißt Selbständige, die nur für einen Auftraggeber arbeiten und keine sozialversicherungspflichtigen Mitarbeiter beschäftigen – haben jetzt bis zum 31. Dezember Zeit, eine angemessene Altersvorsorge nachzuweisen. Ansonsten sind sie und der Auftraggeber verpflichtet, in die gesetzliche Rentenversicherung einzuzahlen. Die Frist sollte eigentlich am 30. Juni dieses Jahres ablaufen.

Ferner sollen die bisher schwammigen Bezeichnungen "Scheinselbständigkeit" und "arbeitnehmerähnliche Selbständige" präziser definiert sowie die entsprechenden Kriterien zur Überprüfung korrigiert werden.

Schließlich soll die Beweislast für die Feststellung von Scheinselbständigkeit wieder auf die Sozialversicherungen zurückgehen. Damit wird es den Behörden erschwert, bei Unternehmern Sozialbeiträge für angebliche Scheinselbständige nachträglich einzufordern. Hier müßte erst einmal ein Gesetzesverstoß nachgewiesen werden.

Die Kommission der Bundesregierung will bis Ende Juli zusätzliche Vorschläge für die Gesetzesnovelle erarbeiten. Der Vorsitzende der Kommission und ehemalige Präsident des Bundesarbeitsgerichtes, Professor Thomas Dieterich, forderte, daß die gesetzliche Regelung zur Scheinselbständigkeit so ausgerichtet werden müsse, daß Rechtssicherheit garantiert, Selbständigkeit gefördert und öffentlicher Mißbrauch verhindert werde.