Anwender loten Sparpotenziale aus

Geschult wird nur das Notwendigste

10.05.2002
MÜNCHEN (hk) - Die IT-Weiterbildungsanbieter stehen unter Druck: Anwenderunternehmen treten auf die Kostenbremse und wollen in erster Linie bedarfsorientiertes Training vor Ort. Der C++-Kurs in den bayerischen Alpen ist - zumindest für die meisten - endgültig gestrichen.

In der jetzt erschienenen Lünendonk-Liste der Unternehmen für berufliche Weiterbildung zeigt sich, dass die Umsätze der meisten großen Anbieter gegenüber dem Vorjahr kaum gestiegen sind. Auch für dieses Jahr rechnen die Institute mit keinen großen Zuwachsraten - höchstens im unteren einstelligen Bereich.

Wie in solch schwierigen Zeiten nicht anders zu erwarten, beginnt in Unternehmen die Diskussion darüber, wie sich Weiterbildung besser organisieren lässt, ob alle Ressourcen richtig ausgeschöpft werden. Und mit Überraschung stellen dann die Chefs fest, dass in den fetten Jahren der Verwaltungsapparat gewachsen ist, aber die Effizienz wenig interessiert hat.

So berichtet ein Insider, der vor allem für Großkonzerne als IT-Dozent arbeitet, dass Teilnehmer bis zu dreimal den gleichen Kurs besuchten, weil ein Projekt jedes Mal um Monate verschoben wurde. Oder die andere Variante: Aufgrund der ständigen Umstrukturierungen - auch da sind einige Konzerne mittlerweile zu richtigen Profis geworden - waren Mitarbeiter ständig auf Weiterbildung, mal als Angehöriger der Abteilung x, mal y, mal z. Nur: Die Aufgaben blieben unverändert.

Nun verfallen einige Controller in eine bisher nie gekannte Sparwut, und alles, was bisher in puncto Qualitätssicherung als wichtig angesehen wurde, zählt nicht mehr. So kann es schon mal passieren, dass Unternehmen verlangen, dass die internen Programmierkurse, in denen noch vor einem halben Jahr sechs Mitarbeiter saßen, jetzt auf einmal zwölf Leute aufnehmen. Im schlimmsten Fall, wenn es mit der Ausstattung nicht so ganz klappt, sitzen zwei Entwickler an einem Rechner. Gefährlich wird es dann, wenn auch noch das Niveau der Teilnehmer unterschiedlich ist. Wenn also in einem Java-Seminar die Großrechnerspezialisten ohne Vorkenntnisse mit den C++-Entwicklern zusammensitzen.

Oder die andere beliebte Methode: Überblicksseminare, die früher zwei Tage dauerten, werden nun an einem Tag abgehalten, der Stoff bleibt natürlich der gleiche, fehlen nur die Übungen. Eine Variante dieses Spielchens: Programmierer werden zu einem einwöchigen Anfängerkurs geschickt, der für Fortgeschrittene wird eingespart, das Know-how sollen sich die Mitarbeiter selbst aneignen, denn sie wüssten ja nun, wie es geht.

Torsten Langner, freiberuflicher Dozent und auf Java-Programmierkurse spezialisiert, beobachtet kritisch die Sparorgien der Unternehmen. Überall fänden große Umstellungsprojekte statt, in denen die alten Großrechner mit der neuen Internet-Welt zusammengebracht werden. Das heißt, Entwickler, die zehn bis 15 Jahre immer das Gleiche getan hätten, müssten in neuen Technologien geschult werden, zunächst aber ein Verständnis für die Web-Welt bekommen. "Sonst sitzen sie fünf Tage demotiviert herum"; und der Kurs sei für die Katz gewesen. Für diese Klientel sollten sich die Firmen unbedingt mehr Zeit nehmen, empfiehlt er den Erbsenzählern.

Von der CW befragte Unternehmen bestätigen den Sparkurs in der Weiterbildung. Bei der Lufhansa Systems hieß es beispielsweise: "Es wird nur geschult, was absolut notwendig ist", und wenn möglich vor Ort, damit keine Reise- und Hotelkosten anfallen.

Michael Amme, Personalentwickler bei der Hannoverschen Lebensversicherung, setzt stark auf firmeninterne Schulungen. "Wenn das Know-how und die Technik im Hause ist, geben wir nichts nach draußen." Auch für Ulrike Brinkemöller haben interne Seminare hohe Priorität. "Wir gehen so weit, dass wir bereits für zwei Mitarbeiter eine firmeninterne Schulung organisieren", berichtet die Personalentwicklerin von der Deutschen Börse. Damit habe man beste Erfahrungen gemacht, denn "erstens ist die Ausbildung sehr intensiv und zweitens auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten", was man von offenen Seminaren bei Anbietern nicht unbedingt behaupten könne.

"Bedarfsorientiert" lautet das Schlagwort. Lernen auf Vorrat, wie es einige Großkonzerne praktiziert haben, sei unbezahlbar. Die Lufthansa Systems behauptet, innerhalb einer Stunde Kurse zu bewilligen: "Bei uns sind keine fünf Unterschriften notwendig," heißt es aus der Personalabteilung.

Das ist unter anderem auch deshalb möglich, weil die Unternehmen gute Beziehungen zu ihren Trainingsanbietern pflegen und seit Jahren mit einem Pool von Firmen zusammenarbeiten. Man ist also ein eingespieltes Team. Auf freie Trainer werde kaum zurückgegriffen, bestätigen die Befragten. Man wünsche alles aus einer Hand und habe damit eher eine Garantie für Qualität. Wichtig sei, so Amme, Kompetenz im eigenen Haus aufzubauen.

Die IT-Anbieter reagieren auf diese Entwicklung und sind ebenfalls gezwungen, Kosten einzusparen. Dabei hat es schon die Trainer getroffen, deren Honorare stagnieren oder zurückgehen. So werden in der Branche für Office-Dozenten im Durchschnitt rund 200 Euro pro Tag gehandelt. Geht es um anspruchsvollere Kurse im Java- oder SAP-Umfeld, steigen die Tageshonorare auf bis zu 600 Euro.

Jürgen Theissen von Smartforce beobachtet ein "völlig neues Kostenbewusstein", und Norbert Berger, Geschäftsführer des Trainingsanbieters Prokoda, stellt fest, dass vor allem offene Standardseminare weniger nachgefragt werden. Sein Trost: Nach einem schwachen zweiten Halbjahr 2001 kann er sich jetzt wieder freuen. Im ersten Quartal dieses Jahres verzeichnet er einen zweistelligen Zuwachs. Dieser kam vor allem aus dem Training mit branchenorientierter Software.

Ralf Karabasz, Geschäftsführer des Trainernetzwerks Synergie, ist sich der Hausaufgaben für die nächsten Monate bewusst: "Wir müssen den Kunden mehr vom Nutzen der Weiterbildung überzeugen" - und dafür seien klassische Werkzeuge wie der Seminarkatalog denkbar ungeeignet. Die Organisationsleistung sollte mehr im Mittelpunkt stehen, also stärkeres Anpassen der Schulung und der Unterlagen an die Bedürfnisse des Anwenders.

In zwei Punkten gab es keinen Dissens. Erstens: E-Learning spielt in der IT-Weiterbildung keine große Rolle. DV-Dozent Langner meint direkt: "Programmiersprachen lassen sich schwer ohne Tutor erlernen." Teilnehmer müssten ausprobieren und immer wieder fragen können. Eingesetzt werden Web-based Trainings eher für Grundlagenkurse bei Office-Schulungen und Produktumstellungen, bestätigt Deutsche-Börse-Personalentwicklerin Brinkemöller. Einigkeit besteht auch in einem zweiten Punkt: Lernen geschieht in der Arbeitszeit. Unternehmen trachten danach, alle Kurse zu den regulären Bürozeiten zu organisieren. Zum einen wollen sie keinen Ärger mit dem Betriebsrat, wie die Weiterbildungsverantwortliche eines Finanzdienstleisters zugab, zum anderen fürchten sie um die Motivation der Mitarbeiter.