Verhandlungsroulette dreht sich weiter

Gemischte Aussichten in der Chipbranche

04.10.2002
MÜNCHEN (CW) - Das dritte Quartal 2002 kam, doch der erhoffte Aufschwung blieb aus. Die Chipindustrie, die sich bereits seit einem Jahr mit Kooperationen und Fusionsgesprächen aus der Misere zu flüchten suchte, steht weiter in der Krise.

Besonders im Markt für Speicherchips bleibt die Lage dramatisch. Nach einer leichten Erhöhung der Preise für DRAMs im August brachen diese nun wieder stark ein. Die Hersteller müssen nach wie vor unter ihren Produktionskosten verkaufen. Die gerade veröffentlichten Zahlen für das vierte Geschäftsquartal des US-amerikanischen Anbieters Micron Technology veranschaulichen das Dilemma: Obwohl der Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 20 Millionen auf 748 Millionen Dollar angestiegen war, muss der Hersteller mit 587 Millionen Dollar einen überraschend hohen Verlust ausweisen. Vor allem hohe Abschreibungen auf Lagerbestände sowie Steuerbelastungen führten zu dem Defizit. Wegen der anhaltend schlechten Aussichten wird Micron nun seine Investitionen für das neue Geschäftsjahr heftig kürzen. Statt der geplanten eins bis 1,5 Milliarden Dollar sollen höchstens noch 1,2 Milliarden Dollar ausgegeben werden.

Dies ist ein Schritt, den andere Hersteller, darunter Marktführer Intel, bereits angekündigt hatten. Denn nicht nur die Preise, auch die Stimmung ist erneut im Keller. Es ist nicht nur die schwerste Krise der Chipbranche, sondern auch die längste. Infineon-Chef Ulrich Schumacher rechnet mindestens für die kommenden zwei Quartale mit Schwierigkeiten, auch für das gesamte nächste Jahr will er keine Hoffnung geben. "Ich habe nicht den Mut, im nächsten Jahr einen riesigen Aufschwung zu sehen", sagte er. Sollte sich die Weltwirtschaft noch mehr verschlechtern, könne auch ein weiterer Stellenabbau nicht ausgeschlossen werden.

Allein Marktführer Samsung erblickt ein Licht am Ende des Tunnels. "Der Chipmarkt 2003 und 2004 wird in wirklich guter Verfassung sein", wagte der Chef der Halbleitersparte, Hwang Chang-gyu, zu prognostizieren. Davon abgesehen, dass Samsung mit hochwertigen Speicherchips weniger unter dem Preisdruck leidet als andere Hersteller, könnte Chang-gyu mit seiner Bemerkung auch darauf hinweisen, dass in Kürze weitere Neuigkeiten aus der Branche zu hören sein dürften. Denn mit Fusionen und Kooperationen vermögen die Anbieter zumindest das Problem Überkapazität aus der Welt zu räumen beziehungsweise ihre Entwicklungskosten zu senken.

Längst überfällig ist nach Ansicht von Experten beispielsweise der Verkauf von Hynix. Das koreanische Unternehmen hält sich vor allem durch staatliche Unterstützung über Wasser und schiebt einen riesigen Schuldenberg vor sich her. Bis zu Beginn dieses Jahres hatte die Branche auf eine Übernahme durch Micron gehofft und darauf gebaut, dass ein großer Konkurrent vom Markt verschwindet und die Amerikaner gleichzeitig ihre Produktionskapazitäten herunterfahren. Damit hätte wieder eine Hoffnung auf nachhaltig steigende Preise bestanden.

Auch wenn wenig nach außen dringt, gilt als sicher, dass die Hersteller hinter den Türen immer wieder aufs Neue miteinander verhandeln. Die jüngste Nachricht, dass Mitsubishi Electric in Verhandlungen mit dem von NEC und Hitachi gegründeten Chip-Joint-Venture steht, dürfte wohl nicht die letzte Neuigkeit aus der Industrie sein. (rs)