Alternative Carrier/Mobilfunknetz dient als Backup-Lösung

Für Schrotthändler Thyssen Sonnenberg zählt die Telekom zum alten Eisen

26.06.1998

Informationsvorsprung = Umsatzwachstum. Diese plakative Formel gilt in besonderem Maße für Unternehmen, die in Märkten mit umgekehrten Distributionskanälen tätig sind. Statt zentral zu produzieren, um die Güter dann dezentral zu verteilen, sammeln diese Firmen ihre Rohstoffe in der Fläche und verkaufen sie an Großabnehmer.

Ein Unternehmen, das nach diesem Prinzip arbeitet, ist die in Duisburg ansässige Thyssen Sonnenberg Recycling GmbH & Co. KG. Die Firma sammelt in Deutschland mit über 20 Niederlassungen und etwa genauso vielen Beteiligungsgesellschaften den Eisen- und Stahlschrott von kleinen Schrotthändlern und Industriebetrieben ein, um ihn dann per Bahn, LKW oder Schiff den großen Stahlkochern zu liefern.

Ein Markt, der laut Thomas Ripakewitz, Geschäftsführer der Thyssen Sonnenberg Recycling GmbH, "weitgehend transparent ist". Deshalb ist es für die Duisburger auch von immenser Bedeutung, jederzeit über die Marktpreise in Italien oder sonst wo auf der Welt Bescheid zu wissen, denn "bei Preisänderungen können wir die Ware schnell für 13 Mark pro Tonne per Schiff von der Ruhr nach Belgien oder einen anderen Ort auf dem Globus umleiten". Eine Umdisposition, die sich auch bei kleinen Partien ab 1000 Tonnen lohnt.

Zwar fungieren die Duisburger und andere Player mit Spot-Mengen wie Makler an der Börse zwischen Anbietern und Abnehmern - eine elektronische Warenterminbörse hat sich in der Branche aber noch nicht etabliert. "Im Gegensatz zur Deutschen Terminbörse", charakterisiert Ripakewitz die Eigenheiten des Recycling-Geschäfts, "prägt unser Metier immer noch das klassische Telefongeschäft, in dem auch persönliche Beziehungen über den Erfolg entscheiden."

Aufgrund dieser marktspezifischen Eigenheit schlagen bei Thyssen Sonnenberg die Telefonkosten entsprechend hoch zu Buche. Und, was nicht wundert, Ripakewitz suchte seit längerem nach einer deutlich preisgünstigeren Alternative zum bisherigen Carrier Deutsche Telekom. Als mit der endgültigen Liberalisierung zum 1. Januar 1998 die neuen Telefongesellschaften begannen, wie Pilze aus dem Boden zu schießen, war für den Manager die Zeit reif für einen Wechsel: Der Sprachverkehr zwischen den deutschen Niederlassungen und den Standorten sowie Kunden im In- und Ausland sollte über ein neues, von den Tarifen her günstigeres Netz geführt werden. Bislang hatte das Unternehmen die Telekom als Hauptan- bieter für die Sprachkommunikation genutzt und im Rahmen der Corporate-Network-Regelung Teile des Thyssen-Netzes verwendet. Neben den klassischen Festnetzgebühren plagten den Manager zudem die stark steigenden Mobilfunkkosten, die durch die Handys aufliefen.

Entsprechend einfach war die Grundanforderung an den künftigen Carrier formuliert: Er sollte wesentlich billiger als die Telekom sein, ohne daß dabei die Effizienz der Kommunikation via Fest- und Mobilnetz leidet. Konkret: Von dem neuen TK-Partner erwartete der Manager Einsparungen in der Größenordnung von 35 Prozent. Ripakewitz: "Das bedeutet für uns mehrere hunderttausend Mark pro Jahr." Neben der Erfüllung dieser Mindestvoraussetzung, ohne die für den Geschäftsführer ein Wechsel nicht denkbar war, sah das Pflichtenheft zwei weitere wichtige Punkte vor: Der neue Netzbetreiber sollte zum einen flexibler auf Kundenwünsche reagieren als die Telekom und zum anderen eine vernünftige Betreuung mit kompetenten Ansprechpartnern gewährleisten.

Auf der Suche nach dem neuen TK-Partner fielen die großen nationalen Konkurrenten der Telekom, die vor dem Startschuß in die Liberalisierung mit großem Aufwand für den Aufbruch in das neue TK-Zeitalter warben, schnell aus dem Rennen. "Die Berichte in der Presse über Kapazitätsengpässe machten uns doch sehr stutzig", erläutert Ripakewitz das Ausschlußkriterium, "denn eine unzuverlässige Telefonverbindung ist für uns eine Katastrophe, da wir dann keinen Umsatz generieren können." Damit war neben dem Preis ein zweiter Punkt gefunden, der den Kreis der potentiellen Carrier-Kandidaten einschränkte: Der Netzbetreiber sollte auf seinen Leitungen nur den Verkehr der Geschäftskunden abwickeln und nicht auf das Massengeschäft mit Privatkunden schielen.

Ebensowenig kam für die Duisburger eine Installation von Black-Boxen in Frage, die automatisch per Call-by-call den günstigsten Anbieter anwählen. "Bis Sie hier anhand der verschiedenen Rechnungen nachvollziehen können, wo die TK-Kosten anfallen, haben Sie das eingesparte Geld wieder in der Buchhaltung ausgegeben", bringt Manager Ripakewitz seine ablehnende Haltung auf den Punkt. Um zu verhindern, daß übereifrige Mitarbeiter doch diesen Weg nehmen und des Guten zuviel tun, hatten die Duisburger früh im Unternehmen eine Aufklärungskampagne in Sachen Call-by-call gestartet.

Im Preispoker der Duisburger hatte letztlich die hierzulande eher unbekannte RSL COM GmbH, deren amerikanische Mutter in 22 Ländern aktiv ist, die meisten Asse im Ärmel. "In den Verhandlungen machte uns RSL COM den besten Preis und die interessantesten Konditionen, so daß wir Einsparungen in Höhe von 35 Prozent erzielen können", begründet der Thyssen-Sonnenberg-Geschäftsführer die Wahl. Zumal der Frankfurter Netzbetreiber Ripakewitz´ Wunsch nach transparenter Abrechnung entgegenkommt. Er liefert nämlich auch eine detaillierte Telefonrechnung in digitaler Form, die sofort mit Buchhaltungsprogrammen weiterverarbeitet werden kann.

TK-Anlagen machten beim Carrier-Wechsel Sorgen

Mit RSL COM haben sich die Recycling-Fachleute für einen Netzbetreiber entschieden, der über eine Lizenz der Klasse vier verfügt. Die deutsche RSL mit Hauptsitz in Frankfurt unterhält heute ein zentralen Switch am Unternehmenssitz und will ihre Kapazitäten bis Oktober auf acht Switches ausbauen. Zu diesem Zeitpunkt soll dann einen redundanter Ring für die Sprachkommunikation stehen, so daß andere Carrier wie die deutsche Telekom in der Regel nur noch als Zugangsnetzbetreiber benötigt werden. Auf internationaler Ebene machte die amerikanische Mutter durch die Übernahme der israelischen Delta Three, einem kommerziellen Anbieter von Sprach-, Fax- und Mehrwertdiensten via Internet, von sich reden.

Für die Duisburger Recycling-Fachleute ist die Kommunikation via Internet allerdings noch Zukunftsmusik. "Für uns zählt momentan in erster Linie die reibungslose Umstellung unseres Telefonnetzes", skizziert Thyssen-Sonnenberg-Geschäftsführer Ripakewitz die eigene Prioritätenliste.

Ein Prozeß, der in der Praxis dann durchaus nicht so reibungslos über die Bühne ging, wie sich alle Beteiligten vorgestellt hatten. So bereiteten bei der im Februar dieses Jahres begonnenen Umstellung vor allem die TK-Anlagen sowie alte Analoganschlüsse Probleme.

Hier mußten die RSL-Techniker sogenannte Dialer (vergleichbar einem Router) zwischen TK-Anlage und -Anlagenanschluß der Telekom vorschalten. Neben dem längeren Verbindungsaufbau, der etwa so lange dauert wie bei einem analogen Telefon mit Impulswahl, bereiteten dabei vor allem die verschiedenen Software-Release-Stände der TK-Anlagen im Zusammenspiel mit den Dialern Schwierigkeiten. Als weiterer Pferdefuß erwiesen sich die diversen bei Thyssen Sonnenberg eingesetzten TK-Anlagen, da sie, so Peter Herzogenrath, Costumer Care Manager bei RSL COM, "neben den ISDN- Protokollen 1TR6 und Euro-ISDN noch eigene proprietäre Protokollerweiterungen aufweisen, die beim Verbindungsaufbau und Abbau zu Problemen führten".

In diesem Zusammenhang appelliert der Support-Manager auch an die Anlagenbauer, sich endlich auf einheitliche Schnittstellen zu einigen, wenn sie vermeiden wollen, daß sich Unternehmen mit mehreren Standorten künftig nur noch für einen Hersteller entscheiden - ein Schritt, zu dem sich Thyssen Sonnenberg nach den zahlreichen Problemen in Zusammenarbeit mit RSL COM entschlossen hat.

Besagte Probleme dürften allerdings, so sind alle Beteiligten zuversichtlich, mit der Umstellung der TK-Anlagen und der Umschaltung auf Preselection der Vergangenheit angehören. Per Preselection will RSL COM alle Standorte anbieten, deren monatliches Sprachaufkommen unterhalb von 25000 Mark liegt. "Erst ab diesem Wert", so RSL-Manager Herzogenrath, "lohnt sich die Anbindung via Standleitung an unser Netz." Für die dann nicht mehr benötigten Dialer wartet bereits eine neue Aufgabe: Sie hören am D-Kanal, ob Gespräche geführt werden, und generieren dann für den jeweiligen Telefonapparat einen Gebührenimpuls, da es der Telekom Herzogenrath zufolge bis 1999 nicht möglich ist, das Gebührensignal eines anderen Carriers weiterzureichen.

Selbst wenn es RSL COM nicht gelingt, bis zum vereinbarten Termin alle Umstellungsarbeiten erfolgreich zu beenden, ist Ripakewitz aus dem Schneider. Er hat sich, wie er übrigens auch anderen Unternehmen, die mit einem Carrier-Wechsel liebäugeln, empfiehlt, vertraglich garantieren lassen, daß RSL COM ab dem vereinbarten Übergabezeitpunkt alle Mehrkosten trägt, die bei der Weiterverwendung der alten Telekom-Verbindungen entstehen. Eine ähnliche Klausel vereinbarte der Geschäftsführer auch für den Fall, daß einmal eine Leitung ausfällt. Denn bei einem GAU aus seiner Sicht, ist es ihm "schlicht egal, ob der Netzbetreiber oder sein Infrastrukturlieferant, die Telekom, ein Problem hat". In diesem Fall würden die Mitarbeiter verstärkt über ihre Handys telefonieren, wobei RSL COM die Mehrkosten zu übernehmen hätte.

Auch wenn Ripakewitz die Handys als Backup-Lösung im Katastrophenfall schätzt, bereiten sie ihm von der Kostenseite her ebenfalls Sorgen. Dank der günstigen RSL-Konditionen entfällt nämlich ein Großteil der TK-Ausgaben künftig auf die portablen Telefone. Hier zu sparen ist besonders schwer, da, so RSL-Manager Herzogenrath, "im Mobilfunk noch echter Wettbewerb fehlt und die Anbieter recht harte Knebelverträge diktieren". Zumindest konnte der Frankfurter Netzbetreiber mit den Duisburgern bereits ein Tarifmodell realisieren, das bei der Kommunikation von den im Festnetz verankerten Niederlassungen zum Handy 60 Prozent unter den Standardgebühren liegt. Schwierigkeiten bereitet dagegen noch der umgekehrte Weg vom Handy zur TK-Anlage. Ein Problem, das die Schrottverwerter demnächst gemeinsam mit ihrem Netzbetreiber angehen wollen: In die TK-Anlagen werden Karten eingebaut, die ein Handy simulieren. Auf diese Weise wird ein Anruf vom Handy zur TK-Anlage zum günstigeren netzinternen Tarif der Mobilfunkbetreiber abgerechnet.

Wenn auch die "Kostenfalle" Handy entschärft ist, steht nach Ansicht von Ripakewitz der neue TK-Freiheit und den damit verbundenen Einsparungspotentialen nichts mehr im Wege, "zumal uns eine Meistbegünstigungsklausel sinkende Tarife sichert oder die Möglichkeit eröffnet, jederzeit aus dem Vertrag auszusteigen".

Unternehmensinfo

Mit einem Jahresumsatz von rund 1,5 Milliarden Mark spielt die Duisburger Thyssen Sonnenberg Recycling GmbH & Co.KG in der europäischen Oberliga der Verwertungsunternehmen mit. Mit knapp 1300 Mitarbeitern sammeln die Duisburger hierzulande in rund 40 Niederlassungen und Beteiligungsgesellschaften rund 7,5 Millionen Tonnen Eisen- und Stahlschrott pro Jahr. Darüber hinaus unterhält das Unternehmen Standorte in Tschechien und Holland. Das traditionsreiche Unternehmen, das während des ersten Weltkriegs gegründet wurde, befindet sich heute auf dem Weg vom reinen Schrotthandel hin zum Dienstleister in allen Segmenten des Stoffkreislaufs mit Schwerpunkt Industrierecycling. Zur Angebotspalette der Company gehören der Handel mit Rohstoffen, und die Planung, Entwicklung sowie das Betreiben von Aufbereitungs- und Reststoffsammelzentren. An dem Unternehmen ist heute die Klöckner Recycling GmbH (ein Unternehmen der Thyssen Handelsunion) mit 40 Prozent beteiligt. Die anderen 60 Prozent hält die niederländische SHV Holdings N.V., ein weltweites Handelshaus mit Sitz in Utrecht.

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Ganz ohne Probleme geht ein Carrier-Wechsel nicht über die Bühne. Diese Erfahrung mußte auch der Recycler Thyssen Sonnenberg machen, der von der Telekom zum TK-Anbieter RSL COM wechselte. Schwierigkeiten gab es bei der Umstellung der TK-Anlagen sowie analogen Anschlüsse. Dennoch bereut das Unternehmen den Schritt nicht. RSL COM hat die Probleme mit Hilfe von Dialern gelöst, bieten darüber hinaus einen umfassenderen Service als die Telekom und hilft den Duisburgern, 35 Prozent bei ihren TK-Kosten einzusparen.

Tips zum Carrier-Wechsel

Anwendern, die ihren Carrier wechseln wollen, gibt Thomas Ripakewitz, Geschäftsführer der Thyssen Sonnenberg Recycling GmbH & Co.KG, folgende Ratschläge mit auf den Weg:

- Prüfen, ob sich die unterschiedlichen TK-Anlagen im Unternehmen ohne Probleme zusammenschalten lassen. Eventuell mit dem neuen Netzbetreiber einen Wechsel der TK-Anlagen vereinbaren und diesem die Betreuung übertragen.

- Klare Definition der Leistungsmerkmale (welche ISDN-Merkmale, Leitungen für Datenfernübertragung geeignet, wie detailliert erfolgt die Abrechnung etc.).

- Eindeutiger Umstellungszeitpunkt. Entsprechende Vertragsklausel, daß der neue Carrier die entstehenden Mehrkosten trägt, wenn er den Termin nicht einhält.

- Nicht auf die zugesicherte Ausfallsicherheit verlassen. Für den Fehlerfall empfindliche Konventionalstrafen für den Carrier festschreiben.

- Genau definierte Fehlerbehebungszeiten vereinbaren und Wert auf feste, erreichbare Ansprechpartner legen.

- Anteil des Sprachverkehrs von der TK-Anlage zu den Handys nicht unterschätzen. Darauf achten, daß der Netzbetreiber auch hierfür attraktive Konditionen anbietet.

- Langfristige Laufzeit nur akzeptieren, wenn der Carrier eine Preisanpassungsklausel offeriert oder den Ausstieg erlaubt, falls er im Vergleich mit den Wettbewerbern zu teuer ist.

Abb: Dialer zwischen TK-Anlagen und dem Telekom-Anschluss machen den Weg für die Kommunikation frei. Quelle: Thyssen Sonnenberg GmbH