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Fünfmal schneller als der Schall

27.02.2008
Von Handelsblatt 
Die Studie klingt phantastisch: Britische Entwickler haben in London das Konzept für ein neues Überschallflugzeug vorgestellt, dass mit 6 400 Stundenkilometern zwischen den Kontinenten verkehren soll. Der fensterlose Überschalljet soll 300 Passagiere aufnehmen und ein Ticket nicht teurer sein als ein Business-Class-Flug.

HAMBURG. Was die britische Entwicklerfirma Reaction Engines in Culham/Oxfordshire nach Abschluss ihrer Arbeiten vorlegt, ist wahrhaft gigantisch. Mit einer Länge von 143 Metern wäre das Überschallflugzeug A2 fast doppelt so lang wie der schon riesige A380-Airbus (73 Meter). Nachdem die Europäer 2003 den Betrieb der doppelschallschnellen Concorde, des schnellsten Passagierjets der Welt, eingestellt haben, könnte in 20 bis 25 Jahren mit dem sogenannten A2 eine neue Ära des Überschallflugs beginnen.

Ehe sich der Optimismus des britischen Ingenieurs tatsächlich bewahrheiten könnte, müssen jedoch noch zahlreiche Hürden genommen werden. Eine der größten Herausforderungen ist die Antriebstechnik. Zwar ist das Prinzip des Hyperschallantriebs das gleiche wie das beim Antrieb eines Airbus oder einer Boeing: Vorn in das Triebwerk tritt Luft ein. Sie wird verdichtet und erhitzt sich dadurch. In die komprimierte und erhitzte Luft wird schließlich der Treibstoff eingespritzt und gezündet. Die entstehenden Verbrennungsgase verlassen das Triebwerk mit hoher Geschwindigkeit und sorgen so für den Vortrieb.

Doch während bei den heutigen Strahltriebwerken große Turbinen die eingeströmte Luft verdichten, ist das beim Hyperschall-Staustrahltriebwerk, dem sogenannten Scramjet (supersonic combustion ramjet), völlig anders. Es gibt in diesem Triebwerk keine Turbine mehr - ja, überhaupt keine beweglichen Teile. Die einströmende Luft staut und komprimiert sich allein durch ihre hohe Geschwindigkeit in einer speziell geformten Brennkammer. Dort verbrennt der zugeführte Treibstoff (Wasserstoff) und sorgt für den Vorwärtsschub.

Die Hauptschwierigkeit des Scramjets liegt nun darin, dass die einströmende Luft die Brennkammer mit Überschallgeschwindigkeit durchrast, die Verbrennung aber dennoch innerhalb der Brennkammer gehalten werden muss, damit der Vortrieb produziert werden kann. "Das ist so, als ob man mitten in einem Hurrikan ein Streichholz anzünden will", verdeutlicht eine Experte, der an der Studie beteiligt war.

Dass diese Antriebsart dennoch - zumindest im Prinzip - funktioniert, hat die Nasa nach langjähriger Forschung vor mehr als drei Jahren, im November 2004, gezeigt. Damals hatte ein modifizierter achtmotoriger Atombomber des Typs B-52 einen nur 3,60 Meter langen und 1,50 Meter breiten Flugkörper, den X-43A, über dem Pazifik mitsamt einer Rakete bis auf etwa 13 Kilometer Höhe geschleppt. Die Rakete mit dem anmontierten Flugkörper wurde ausgeklinkt, gezündet und trug den X-43A auf eine Höhe von 30 Kilometern. Die Rakete wurde danach abgetrennt, der neuartige Hyperschallantrieb der X-43A gezündet und brachte den Flugkörper für zehn Sekunden auf siebenfache Schallgeschwindigkeit (etwa 7 700 Stundenkilometer).

Der erste erfolgreiche Test des neuen Antriebs machte aber auch ein Manko der Technik deutlich: Ein Hyperschall-Staustrahltriebwerk springt erst an, wenn es eine hohe Anfangsgeschwindigkeit erreicht hat, weil es ohne luftverdichtende Turbine nur laufen kann, wenn vorne in das Triebwerk die Luft bereits mit Überschallgeschwindigkeit eintritt, damit sie sich dann in der Brennkammer stauen und mit Treibstoff vermischen kann.

Mit anderen Worten: Ein Hyperschallflieger, wie er jetzt von Alan Bond entworfen wurde, braucht zwei verschiedene Antriebssysteme - eines, das ihn bereits auf Überschallgeschwindigkeit (zwei- bis dreifache Schallgeschwindigkeit) bringt, damit das zweite, das Hyperschall-Staustrahltriebwerk (fünf- bis achtfache Schallgeschwindigkeit), überhaupt erst anspringen kann. Oder ein solches Flugzeug müsste eine Art von Hybridmotor bekommen, der beide Antriebsformen in sich vereinigt - was technologisch noch erheblich mehr Anforderungen stellt als der reine Hyperschall-Antrieb.

Die US Air Force scheint jedoch zuversichtlich, dass diese Problem eines Tages gelöst sein wird. Die Militärs arbeiten nicht nur intensiv weiter an dem X-43-Nachfolgeprogramm, ihre Forschungsorganisation Darpa (Defense Advanced Research Projects Agency) entwickelt zudem seit Jahren in dem sogenannten Falcon-Projekt (Force Application and Launch from the Continental United States) einen Hyperschallbomber, der eines Tages mit mindestens siebenfacher Schallgeschwindigkeit düsen soll.

Die Maschine soll ab 2025 von Amerika aus jeden Punkt der Erde innerhalb von zwei Stunden mit mehr als fünf Tonnen schweren Bomben oder Raketen anfliegen können. Die Militärs auf jeden Fall seien zuversichtlich, dass sie den neuen Bomber mit einem Hyperschall-Antrieb realisieren werden, sagt jedenfalls die Darpa-Sprecherin Jan Walker.