Frust und Hektik

31.08.1979

Die Chance der Ablehnung der DV-Technik habe die Fachabteilung gar nicht, sagt die EDV-Leiterin der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern, Christel Offelder (siehe Interview der Woche, Seite 4).

Die IHK-Frau denkt freilich nicht daran, diese barsche Selbstverständichkeit als Kommunikations-Hindernis im Spannungsfeld zwischen EDV und Fachabteilung herumstehen zu lassen. Sie plädiert für mehr Menschlichkeit im Verkehr zwischen EDV-Profis und Fachabteilungs-Laien - will die "Ecken" der Black-Box "Computer" gleichsam mit Informationswatte polstern.

Denn Frust ist da - auf beiden Seiten: Der Sachbearbeiter weiß nicht, was er als Vorleistung erbringen soll; die EDV-Abteilung - so formuliert es Christel Offelder - weiß zuwenig von den Problemen der Fachabteilung. Nun ist die Tatsache, daß es zwischen EDV und Fachabteilung zugeht wie in einer Strindberg-Ehe - man redet aneinander vorbei - nachgerade genug analysiert, um nicht zu sagen zerredet worden. EDV-Chinesisch, RZ-Ghetto, Computer-Technokratie - das sind hier die Schlagworte.

Aber alle Problembeschreibungen wirken blaß und unpräzise. Nehmen wir das Fachsprachen-Argument: Tatsache ist doch, daß dem interessierten Laien beispielsweise von Medizinern oder Juristen wesentlich mehr Verständigungsbereitschaft auf Fachterminologie-Ebene zugemutet wird.

Gleichwohl herrschte zunächst das große Schweigen, als die ersten Angriffe gegen die DV-Technokraten vorgetragen wurden - man denke an den Horror des Kanzlers vor seiner Gasrechnung und was die Computerleute dazu nicht zu sagen hatten. Mehr noch als der Bürger, der vielleicht einmal im Jahr eine falsche Rechnung kriegt, hat sich der Sachbearbeiter mit Fehlern herumzuschlagen, die er dem Computer anlastet - und damit indirekt denjenigen Personen, die ihn programmieren und mit Daten füttern.

Da haben wir den Konflikt und auch gleich die Erklärung, warum sich EDV-Mitarbeiter und Fachabteilungs-Sachbearbeiter im Umgang miteinander zum Teil immer noch schwertun: Die Eigendarstellung der DV-Leute hat es bisher nicht geschafft, daß die durch die EDV geschaffenen neuen Organisationsstrukturen von allen betroffenen Fachabteilungs-Mitarbeitern als sinnvoll empfunden werden.

Dies ist ein Ausbildungsproblem, und zwar auf zwei Ebenen: Die Hardware-Hersteller bieten nur das Notwendigste; beim Anwender findet Sachbearbeiter-Schulung kaum statt. Will sagen: Wenn schon die Hersteller keine optimale Ausbildung, wie sollen dann die Kunden-Mitarbeiter in der Lage sein, exzellente In-Haus-Schulung zu machen.

Kein Vorwurf also an die EDV-Leiter, die von ihrer Ausbildung her die Fähigkeit, Wissen weiterzugeben, in der Regel nicht mitbringen. Zum Anforderungsprofil des EDV-Leiters sollten jedoch Pädagogik-Kenntnisse gehören. Das ließe sich sogar in einem neuen Berufsbild festschreiben.

Nur: Welcher etablierte EDV-Leiter hat die Zeit, sich nebenbei in dieser Richtung weiterzubilden? Aber auch der EDV-Einsteiger beim Erstanwender ist nicht viel besser dran. Das Gebilde "Datenverarbeitung" ist komplex, die Einführung schwierig. Hinzu kommt, daß das Marktangebot nahezu unüberschaubar geworden ist. So gleicht die Entscheidung für das richtige Erstsystem einer Zangengeburt. Die Folge: Derjenige, der mit der Umstellung betraut wird, verkrampft. Er steht unter Erfolgszwang und muß so bei seiner Aufgabe, das System zum Laufen zu bringen, zwangsläufig die Fachabteilungs-Betreuung vernachlässigen. Unter Zeitdruck entsteht Hektik, die sich auf die Endbenutzer überträgt.

Quintessenz: Die Aufklärung und Schulung müßte eigentlich schon zu einem Zeitpunkt einsetzen, in dem die EDV noch nicht im Unternehmen ist. Und den Herstellern wäre zu raten: Versprecht nicht, das System ließe sich in x-Monaten implementieren. Dann entsteht diese Hektik bei der Einführung nicht, wenn nämlich die ersten Umstellungstermine zu platzen drohen. Dann haben die Verantwortlichen Zeit, Widerstände in den Fachabteilungen abzubauen. Und dann entsteht keine Aggression.