Franzosen vertreiben Imageprodukte des VS-Herstellers Bulls Servicegeschaeft steigert Wangs Umsatz um 50 Prozent

30.09.1994

MUENCHEN (CW/IDG) - Die Groupe Bull und Wang haben sich auf ein Vertriebs- und Produktabkommen geeinigt. Danach kaufen die Amerikaner das US-Servicegeschaeft des franzoesischen Staatskonzerns. Ausserdem soll Wang die Federfuehrung der Bull- Aktivitaeten in den Bereichen Imaging und Dokumentenverwaltung uebernehmen.

Rund 160 Millionen Dollar zahlt Wang fuer Bulls amerikanisches Service-Business, so steht es in einem Memorandum of Understanding, das die beiden Unternehmen letzte Woche unterschrieben haben. Die Abmachungen sollen Ende des Jahres von den beiden Unternehmen unterzeichnet werden. 110 Millionen Dollar zahlt der US-Konzern in bar, fuer 25 Millionen Dollar erhaelt Bull eine 4,9prozentige Beteiligung an Wang. Weitere 25 Millionen Dollar wird der amerikanische Konzern mit kurzfristigen Verbindlichkeiten begleichen. Durch die Transaktion kommen 1300 Bull-Mitarbeiter zu Wang. Bei Bull USA verbleiben 2700 Beschaeftigte. Das Management soll ebenfalls zu Wang wechseln. Zu der Service-Organisation der Amerikaner gehoeren dann 2500 Mitarbeiter.

Wang erhaelt auch die Kundendienstaktivitaeten von Bull in Australien. Neuseeland, Kanada und Mexiko, die ebenfalls von den USA aus betreut werden sowie das in Washington angesiedelte Federal Systems Business, das in Wangs Unternehmensteil Solution Integration Business aufgehen wird. Zudem wird der fruehere VS- Hersteller den Vertrieb von Grossrechnern in den genannten Laendern und fuer das Geschaeft mit der oeffentlichen Hand in den USA uebernehmen. Ferner soll der US-Konzern Unix-Systeme und PCs der Bull-Tochter Zenith Data Systems vermarkten. Die Unternehmensteile, die zu Wang uebergehen, setzen 1994 voraussichtlich rund 450 Millionen Dollar um, davon 320 Millionen in den USA. Der Kauf wird Wangs Umsatz um rund 50 Prozent erhoehen. Bull wird nach der Transaktion eigenen Prognosen zufolge 1995 in den USA rund 1,2 Milliarden Dollar erwirtschaften.

Im Gegenzug ist Wang nun fuer die Forschung und Entwicklung in den Bereichen Dokumentenverwaltung, Vorgangsbearbeitung und Imaging von Bull verantwortlich. Der amerikanische Anbieter wird sich auch um Bulls Kompetenzzentrum in Paris kuemmern, das sich mit Workflow und Imaging beschaeftigt. Bull wird Wangs Produkte in die eigene Produktpalette uebernehmen.

Fuer Bull, so betont der deutsche Unternehmenssprecher Joerg-Michael Plaesker, bedeute der Verkauf keinesfalls den Rueckzug aus dem amerikanischen Markt. Das Unternehmen wolle sich nur auf die wesentlichen Bereiche konzentrieren, also Vertrieb und Fertigung von Mainframes, Servern, PCs und Open-Systems-Software. Gerade bei den PCs seien in den USA beachtliche Erfolge erzielt worden. So sei der Umsatz im ersten Halbjahr 1994 um 97 Prozent gestiegen. Insgesamt entfalle ein knappes Drittel des Umsatzes auf das US- Geschaeft. Bull erhaelt einen Sitz im Board of Directors bei Wang. Er soll garantieren, dass die Kunden vor Ort nicht zu kurz kommen.

Wang eroeffnet der Kauf der Unternehmensteile von Bull grosse Moeglichkeiten, sich als Serviceanbieter zu profilieren. Der ehemalige VS-Hersteller hat eine schwere Zeit hinter sich, stand er doch bis vor einem Jahr unter amerikanischem Glaeubigerschutz nach Chapter eleven. Inzwischen hat er die Hardwareproduktion eingestellt und konzentriert sich auf Loesungen im Bereich Dokumentenverarbeitung und Imaging.

Den Ruf des franzoesischen DV-Herstellers angekratzt haben erneute Anschuldigungen einer Versicherung. Danach sollen 1991 Angestellte oder Bull Nahestehende ein Feuer gelegt haben, das Waren und Inventar im Wert von 100 Millionen Dollar zerstoert hat. Bull weist alle Vorwuerfe von sich.

Die franzoesische Regierung moechte den Computeranbieter noch dieses Jahr privatisieren. Die Anteile sollen nicht ueber die Boerse verkauft, sondern direkt an die Interessenten verteilt werden. Die Aufforderung zur Abgabe von Angeboten soll voraussichtlich im November erfolgen, berichtet der Brancheninformationsdienst "vwd". Als Teilhaber wuenscht sich die Regierung Unternehmen, die Bull technisch und industriell staerken koennen. Dabei mache sie keine Unterschiede zwischen europaeischen und aussereuropaeischen Firmen. Industrieminister Gerard Longuet hatte im Fruehjahr die franzoesische Oeffentlichkeit geschockt, als er die Uebernahme durch NEC nicht ausschloss.

Aber auch andere Moeglichkeiten der Kooperation stehen zur Diskussion, wie die Partnerschaft mit Motorola und Tandem zeigt. Mit Motorola arbeitet Bull im Bereich Power-PCs zusammen. Mit Tandem hat Bull ebenfalls ein Entwicklungsabkommen getroffen, das vorerst auf den franzoesischen Markt beschraenkt ist. Bull hofft, 1995 wieder schwarze Zahlen schreiben zu koennen.

Geschaeftsergebnisse Bull (Umsatz/Verlust) in Milliarden Franc

1992: 30,19/4,72

1993: 28,25/5,07