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France Télécom: Wird CEO Michel Bon zum Sündenbock?

09.09.2002

MÜNCHEN (COMPUTERWOCHE) - Nach dem Rauswurf von Mobilcom-Chef Gerhard Schmid wackelt nun offenbar auch der Stuhl seines damaligen Counterparts, France-Télécom-CEO Michel Bon. Presseberichten zufolge plant der mit 55 Prozent an dem TK-Konzern beteiligte französische Staat, den glücklosen Vorstandschef abzusetzen. So meldete etwa die Tageszeitung "Le Monde", dass Präsident Jacques Chirac und Ministerpräsident Jean-Pierre Raffarin Bons Rücktritt fordern. Gründe für den Unmut gibt es genug: Der Kurs der France-Télécom-Aktie ist in diesem Jahr bereits um 80 Prozent gefallen - unter anderem wegen der öffentlich ausgetragenen Querelen mit Mobilcom über das Vorgehen beim gemeinsamen Aufbau eines UMTS-Netzes in Deutschland.

Gleichzeitig rechnen Analysten damit, dass der TK-Konzern am Freitag für das erste Halbjahr einen Rekordverlust von über zehn Milliarden Euro bekannt geben muss. Grund für das schlechte Abschneiden seien milliardenschwere Rückstellungen für die 28,5-prozentige Beteiligung an dem angeschlagenen Mobilfunkanbieter Mobilcom. Außerdem schätzen Finanzexperten, dass die Schulden des Pariser TK-Unternehmens mittlerweile auf knapp 70 Milliarden Euro angestiegen sind. In Konzernkreisen geht man daher von einem Rettungsplan der französischen Regierung aus, der neben einer Finanzspritze auch die Ablösung des CEOs vorsieht, berichtet das "Wallstreet Journal".

Am Donnerstag will außerdem der Verwaltungsrat darüber beraten, ob France Télécom das Büdelsdorfer Unternehmen komplett übernimmt oder die Unterstützung aufgibt. Als Entscheidungshilfe dient den Franzosen eine Studie des Beratungsunternehmen Roland Berger. In der Untersuchung wird Mobilcom unter anderem eine eingeschränkte Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den größeren Anbietern attestiert. Außerdem seien die Handy-Benutzer mit den Leistungen des Konzerns unzufrieden, heißt es.

Gegen einen endgültigen Schlussstrich sprechen wiederum mögliche Schadensersatzklagen durch Mobilcom und ein Ende der UMTS-Aktivitäten in Deutschland, Europas größtem Handy-Markt. Da der norddeutsche Mobilfunkanbieter bei einem Rückzug höchstwahrscheinlich Insolvenz anmelden muss, stehen bei der Entscheidung kurz vor den Bundestagswahlen außerdem rund 6000 Stellen auf dem Spiel. (mb)