Rezession oder Ausrutscher

Finanzkrise lässt die Märkte etwas ratlos zurück

05.05.2008
Von pte pte
Seit den ersten Anzeichen einer Schieflage der Finanzmärkte vor rund einem Jahr herrscht unter den Beteiligten hauptsächlich eines: Ratlosigkeit.

Was ihren Ursprung in ungedeckten Krediten US-amerikanischer Immobilienfinanzierungen (Subprime-Hypotheken) nahm, hat sich zu einer globalen Finanzkrise ausgeweitet und droht auch die Realwirtschaften in eine weltweite Depression zu schicken. Experten sind sich über die konkreten Auswirkungen allerdings uneins. Während manche Wirtschaftsforscher die Konjunktur für stark genug halten, um die angespannte Lage zu durchtauchen, warnt unter anderem der IWF vor dem Horrorszenario einer neuen Weltwirtschaftskrise und der größten bevorstehenden Flaute seit der Depression in den 1930er Jahren.

"Die derzeit anhaltende Finanzkrise ist mit der Weltwirtschaftskrise 1929 nicht vergleichbar und nicht so stark ausgeprägt wie damals", widerspricht Joachim Scheide, Leiter des Prognosezentrums beim Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel. "Das Risiko, dass die Krise ähnliche Ausmaße wie in den 1930er Jahren annimmt, besteht nicht", gibt der Experte Entwarnung. Damals habe sich die Weltwirtschaft in einer besonderen Situation befunden, weshalb der Vergleich zur derzeitigen Lage nicht standhalten würde, so der Wirtschaftsforscher im Gespräch mit pressetext.

Von vielen Seiten wird dennoch das Eingreifen des Staates bzw. der Politik gefordert, um die weiteren Folgen der Krise einzudämmen und neben Unternehmen hauptsächlich auch Arbeitnehmer und Verbraucher zu schützen. "Für diese Krise existiert keine Marktlösung", zitiert die Wirtschaftswoche Nouriel Roubini, Wirtschaftsexperte an der New York University. Vor dem Hintergrund, dass in den USA allein im Februar rund 60.000 Arbeitsplätze abgebaut wurden, gewinnen die Rezessions-Prognosen für die US-Konjunktur an Bedeutung. "Die USA bewegen sich an der Grenze zum Abschwung. Schwerwiegendere Auswirkungen sind jedoch nicht zu befürchten", meint Scheide gegenüber pressetext. In Deutschland bzw. dem Euro-Raum sei keine Rezession zu erwarten.

Die in der vergangenen Woche bekannt gewordenen Bilanzzahlen von deutschen Finanzinstituten regen zur Besorgnis an und erhärten den Verdacht, dass die Finanzkrise der Realwirtschaft auch hierzulande zunehmend zusetzen wird. So schreibt etwa die Deutsche Bank zum ersten Mal seit fünf Jahren in ihrem Auftaktquartal Verluste. "In Deutschland werden wir sicherlich eine restriktivere Kreditvergabe erleben. Die Credit Standards werden sich verschärfen. Dies wird sich natürlich auch auf die Realwirtschaft auswirken", prognostiziert Scheide. Der Experte glaubt jedoch, dass eine restriktivere Vergabe von Darlehen die Wirtschaft nicht so massiv beeinträchtigen werde, als dass dies mit der Situation einer Weltwirtschaftskrise vergleichbar wäre.

"Die Weltwirtschaft und deren Wachstum werden sich nicht besonders, aber doch etwas abschwächen. In den USA wird der Abschwung im Vergleich deutlicher zu spüren sein. Die negativen Auswirkungen schlechter Wirtschaftsdaten aus den USA haben heute aber einen bedeutend geringeren Einfluss auf die restliche Welt als früher", meint Christian Dreger, Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), im Gespräch mit pressetext. Während der ehemalige Chef der US-Notenbank, Alan Greenspan, "von der schlimmsten Finanzkrise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs" spricht, sieht sein Nachfolger, Ben Bernanke, die Lage nicht so dramatisch und verweist auf die Reaktionen der Zentralbanken, die Schlimmeres verhindert hätten. "Zu jener Zeit hätten Zentralbanken Zusammenbrüche von Geldinstituten, Preisverfall sowie das Schrumpfen der Geldmenge zugelassen", so der Fed-Chef in einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Weil sich die Banken jedoch untereinander kein Geld mehr leihen, da sie nicht wissen, wem die nächste Pleite droht, werden für die Unternehmen die Kredite knapp, heißt es in einem Bericht der "Wirtschaftswoche". Die Finanzkrise habe sich längst zu einer tief greifenden Vertrauenskrise im globalen Finanzsektor entwickelt und drohe jetzt in einer Weltwirtschaftskrise zu münden. "Ein wesentlicher Faktor ist, dass die Krise nicht nur den Bereich Subprime betrifft. In der Investmentsparte der Banken ist das Misstrauen untereinander stark gestiegen", bestätigt Johannes Mattner, Analyst der österreichischen Raiffeisen Zentralbank, im Gespräch mit pressetext das fehlende Vertrauen am Finanzmarkt. (pte)