online-auktionen: e-commerce mit spassfaktor

FIEBERN, bis der Hammer

20.10.1999
Eine Idee setzt sich durch. Was in den USA begann, findet auch hier immer mehr Fans: Die Online-Auktion. Sehr zur Freude von jungen Firmengründern, die virtuelle Versteigerungen zum Geschäft machen.

die geschichte ist zu schön, um wahr zu sein: Sechs junge Leute eröffnen ein virtuelles Auktionshaus und sind drei Monate später Millionäre. Ein Märchen, das durch das amerikanische Unternehmen eBay wahr wurde: Mit dem Verkauf von Alando.de an den Auktionsriesen haben die sechs Existenzgründer wahrscheinlich den Deal ihres Lebens gemacht.

Schnell nach vorne wollten die drei Brüder Samwer aus Köln eigentlich immer schon. Alexander (24), Oliver (26) und Marc (28) bewiesen das schon in der Schule. Alle drei legten das Abitur mit Bestnoten hin, Alexander sogar mit der besten Hochschulreife in Nordrhein-Westfalen. Anschließend gingen sie an verschiedene deutsche und internationale Universitäten. Oliver absolvierte nach der Banklehre bei Oppenheim jr. & Cie ein Studium der Betriebswirtschaft und Unternehmensführung in Koblenz, darunter Auslandssemester in den USA und in Chile. Marc studierte Jura in Berlin, Köln und Genf, Alexander Economics, Politics und Philosophy in Oxford. Alle drei bekamen schon während ihrer Ausbildungen diverse Auszeichnungen für ihre Leistungen.

Schon immer vom eigenen Unternehmen geträumt

Ihr beruflicher Weg führte die drei Samwers in die USA, nach Spanien und Frankreich, nach Brasilien und Hongkong zu renommierten Unternehmensberatungen, Netzwerkunternehmen, Banken und Versicherungen. Jeder der drei Überflieger spricht fünf bis sechs Sprachen, darunter Chinesisch und Russisch. "Vom eigenen Unternehmen haben wir schon immer geträumt", sagt der Jüngste, Alexander. Damit dieses von Anfang an erfolgreich sein konnte, suchten sich die Brüder Verstärkung im Freundeskreis und fanden sie in Betriebswirt Jörg Rheinboldt (27), früher Projekt-Manager bei Bayer Leverkusen und Gründer der Denkwerk neue Medien Holding GmbH in Köln. Dazu kamen mit Karel Döner (25), früher Consultant bei McKinsey, und Roland Berger und Max Finger (29), der bei Ogilvy&Mather und Beiersdorf arbeitete, zwei weitere Betriebswirte.

Diese lange Liste von Qualifikationen, Auszeichnungen und internationaler Erfahrung beeindruckte Ende vergangenen Jahres auch potentielle Geldgeber für das noch zu gründende Unternehmen und einige Business Angels, darunter Stefan Schambach, Gründer der Intershop AG. Mit dem Know-how und der Rückendeckung erfahrener Manager wurde das erste Startkapital von der Venture-Capital-Gesellschaft Wellington Venture Partners beschafft, mit dem die sechs dann im Januar schließlich die Alando.de AG in Berlin gründeten.

Daß die Gründung auf Anhieb klappte, "lag sicher auch daran, daß wir einen gut durchdachten Businessplan, eine für Deutschland ganz neue Geschäftsidee und eine Menge Vorarbeit zu dem Projekt vorzuweisen hatten", ist Alexander Samwer überzeugt. Schließlich hatten Max Finger und Oliver Samwer 1998 bereits eine Studie über "Americas most successfull startups" veröffentlicht, in der sie die Bedingungen erfolgreicher Neugründungen unter die Lupe genommen hatten.

Im Silicon Valley, wo sich die drei Samwers im vorigen Jahr trafen, fiel dann die Entscheidung: Nach dem Vorbild von eBay, der "Mutter aller Auktionshäuser im Internet", wurde innerhalb von wenigen Wochen in Berlin Alando.de realisiert, als virtueller Schnäppchenmarkt für Privatleute.

Doch anders als andere Pioniere des Electronic Commerce setzten die Macher von Alando.de von Anfang an darauf, nicht selbst Handel zu treiben. Die Herren lassen handeln. Mittlerweile können die über 50 000 registrierten Mitglieder in 500 Produktkategorien für rund 80 000 Artikel bieten. Wer sich unter Angabe von Name und Paßwort, Adresse und Telefonnummer als vertrauenswürdig erwiesen hat, darf auf Schnäppchenjagd gehen oder selbst welche anbieten. Alando.de stellt dabei nur die Plattform für die Abwicklung des Geschäfts zur Verfügung und fungiert quasi als Mittler zwischen den Beteiligten. Da kommen echte Sammlerstücke wie Teetassen ebenso schnell unter den Hammer wie ein Originalbrief von Schiller. Immer vorausgesetzt, ein Käufer bietet in der vorher festgelegten Zeit mehr als den Mindestpreis, den der Anbieter erhofft.

Übernahme brachte viel Geld

So wechselten in den ersten drei Monaten rund 250 000 Artikel im Durchschnittswert von zirka 50 Mark den Besitzer. Beachtliche Warenumsätze also, von denen Alando.de selbst allerdings noch nicht profitiert. Denn zur Zeit ist der Service kostenlos, was sich bald ändern soll. "Wir planen, in Zukunft bei erfolgreichen Verkäufen vom Bieter eine Provision zu verlangen", denkt Alexander Samwer laut nach. Ebenso werden bald auch bunte Werbebanner die jetzt noch weiße Website zieren, denn schließlich soll die Firma noch in diesem Jahr Gewinne erwirtschaften. Daß dies im Moment noch nicht der Fall ist, stört die Berliner wenig. Schließlich brachte die Übernahme durch das große Vorbild, eBay, wieder Geld in die Kriegskasse. Wieviel, das verschweigen die Shooting-Stars eisern; Zahlen, die im zweistelligen Millionenbereich liegen, kommentiert Alexander Samwer nur mit einem Lächeln.

Gern gibt er allerdings Auskunft, warum sich eBay unter allen deutschen Auktionshäusern im Netz ausgerechnet für Alando.de interessiert hat. "Wir waren schon immer überzeugt, daß dem Geschäft consumer-to-consumer die Zukunft gehört", klärt er auf. Denn anders als zum Beispiel bei Ricardo, Feininger oder QXl, die sich ebenfalls auf diesem Markt tummeln und hauptsächlich auf das Geschäft business-to-consumer setzen, sollen bei Alando.de wirklich nur die Schnäppchen unter den Hammer kommen, die der Privatmensch auf dem Dachboden oder im Keller hortet.

Das hat seinen guten Grund: Auf der eBay-Site wird in 1600 Kategorien von fast vier Millionen registrierten Mitgliedern gekauft und verkauft, was dem Unternehmen 1998 einen Umsatz von fast 90 Millionen Mark bescherte. Seit der Eröffnung im Jahr 1995 wurden 50 Millionen Gegenstände angeboten und jeden Tag kommen 250 000 Artikel neu dazu.

Kein Wunder, daß sich eBay-Gründer Pierre Omidyar plötzlich für Alando.de interessierte. Denn das deutsche Konzept orientiert sich in Konzeption und Design stark am amerikanischen Vorbild und zeigte so kurz nach Gründung schon einen beachtlichen Erfolg bei einer eingeschworenen Fangemeinde. "Wir meinen den Begriff community eben ernst", so der Jüngste der Samwers, Alexander. Denn nicht nur das schnöde Kaufen macht den Spaß beim Ersteigern aus, auch der E-Mail-Austausch, das Bewerten der Angebote und der Anbieter, kurz, die Möglichkeiten zur Interaktion scheinen die echten Fans zu binden.

Allerdings wird nach der Übernahme durch die Amerikaner Alando in eBay Deutschland umbenannt, wie jetzt schon die Internet-Adresse (www.ebay.de). Inhaltlich ändern soll sich am Erfolgsmodell jedoch wenig. "Höchstens noch mehr Angebote in mehr Rubriken", heißt es. Das Sextett will künftig den Aufbau von eBay Europa vorantreiben.

Aber die Konkurrenz aus dem Süden Deutschlands schläft nicht. Auf dem großen Sprung ist die Regensburger Internet & Business GmbH, die mit www.iez-auktion.de ebenfalls auf das Flohmarktprinzip setzt. Rund 40 000 Besucher klicken sich täglich auf die Site, um zu ersteigern, zu stöbern oder um sich zu unterhalten. "Wir bieten ganz bewußt eine Mischung aus Spaß, Spannung und Neugier", erklärt Christine Meindl aus dem IEZ-Team, das neben den beiden Geschäftsführern, dem 31jährigen Diplom-Agraringenieur Thomas Zeller und dem Kaufmann Josef Kuffer, 51, noch aus 20 Mitarbeitern für Technik, Marketing, Vertrieb und Kundenbetreuung besteht.

Mit dem Online-Shopping hat das Unternehmen 1998 erste Erfahrungen gesammelt, bietet es doch unter www.iez.de mit einem regionalen Marktplatz auch eigene Läden, zum Beispiel einen Bookshop an. "Da war die Entwicklung eines Auktionsangebotes fast zwangsläufig", so Zeller. Die erste Versteigerung startete im Dezember 1998. Seitdem haben sich rund 30000 ernsthafte Interessenten registrieren lassen, Tendenz steigend. Sie können kostenlos an täglich 3500 Versteigerungen teilnehmen und bei den 25 000 Kuriositäten und Schnäppchen mitbieten. 35 Prozent aller angebotenen Waren werden tatsächlich auch verkauft und sorgen für einen täglichen Produktumsatz von 120 000 Mark.

Alle Waren, ob gebraucht oder neu, stammen auch hier von Privatleuten. Da bildet nur die Kooperation mit dem Spezialversandhaus Völkner eine Ausnahme, wo der Surfer rund 18 000 Artikel aus den Bereichen TV, Hi-Fi, Elektronik, Basteln, Modellbau oder Lichttechnik ersteigern kann.

"Besonderes beliebt sind dieSammlerstücke", weiß Firmen gründer Zeller und verweist dabei auf die allseits begehrten Überraschungseier. Nostalgische Schilder finden ebenso ihre Liebhaber wie Autogramme von Gert Fröbe. Skuril wird es bei der Heino-Perücke für 20 Mark oder dem Sarg für 240 Mark.

Wie die Auktionäre aus Berlin setzen die Regensburger auf den "Unterhaltungsmehrwert". Spiel, Spaß, Spannung könnte die Devise heißen, wenn sich im Kampf um ein Objekt der Begierde der automatische Agent des Mitbieters einschaltet und das eigene Gebot ständig bis zum dramatischen Finale erhöht. Dazu gibt es Möglichkeiten, sich auszutauschen, zu flirten, zu dichten oder sich die Meinung zu sagen. Dank ihres Erfolges erwägen die Regensburger schon den Gang an die Börse.

Singles-Versteigerung

Interessant sind die virtuellen Auktionsplätze auch für die Werbewirtschaft, die bei iez-auktion.de schon kräftig die Trommel rührt und die Buttons blinken läßt. "Natürlich kann hier eine Werbung äußerst genau auf eine ganz bestimmte Zielgruppe abgestimmt werden, wenn sie zum Beispiel in der Rubrik Uhren oder Reisen geschaltet wird", so die Gründer.

Um sich im Boom der virtuellen Auktionen einen Platz zu sichern, landeten Zeller und Co einen pfiffigen Marketing-Gag, der sich zum Selbstläufer entwickelt hat. Pünktlich zum Frühlingsbeginn starteten sie eine Auktion zum Verlieben. Unter dem Motto "AuktionsHerz" konnten und können sich hier Singles ersteigern lassen. Sieben Tage lang dürfen die Gebote für Ihn oder Sie abgegeben werden - aber nur von wirklich interessierten Singles, die sich eine Überprüfung von Name, Adresse und Telefonnummer gefallen lassen müssen. Schließlich hat das Ganze bei allem Spaß einen ernsthaften Hintergrund. Denn der Erlös kommt dem Sozialtherapeutischen Institut Berlin-Brandenburg zugute, das jugendliche Opfer von Gewaltverbrechen betreut.

Bevor sich aber ein Paar ersteigert und damit ein von IEZ gesponsertes Wochenende mit Candlelight-Dinner und Kutschfahrt gewinnen kann, muß das Gebot mindestens 2000 Mark erreicht haben. Bleibt das oberste Gebot unter der magischen Grenze, dann bekommt der Meistbietende in jedem Fall wenigstens die E-Mail-Adresse der oder des Angebeteten.

Bei den Gewinnern der ersten Runde klappte zwar auktionstechnisch alles prima, doch beim Wochenende im Berchtesgadener Land kam es trotz Prosecco und Kerzenschein nicht zur großen Romanze. "Nett, aber doch nicht ganz auf einer Wellenlänge", urteilte die 19jährige Gloria über ihren ersteigerten Begleiter Danny. Dazu der 21jährige: "Ein spannendes Wochenende war es auf jeden Fall."

*Gabriele Müller ist freie Journalistin in Wuppertal.